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BGH zum Unterhalt beim Wechselmodell XII ZR 161/04
#1
Urteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04, jetzt im Volltext veröffentlicht. Leitsatz und Pressemeldungen sind wie so oft beim BGH im Familienrecht völlig irreführend. Es geht eigentlich um die Frage, wann ein deutsches Gericht ein Wechselmodell überhaupt als Wechselmodell anerkennt und was passiert, wenn die jeweilige Betreuungsdauer nicht gleich verteilt ist.

Der Fall: Mutter verdient gut (2000 EUR netto), Vater wenig (etwa die Hälfte), Zwillinge mit fast 17 Jahren und ein mittlerweile volljähriges Kind, das beim Vater lebt. Die Zwillinge sind neun Tage bei der Mutter, dann wieder 5 Tage beim Vater, in allen Ferien ist das Verhältnis aber 50:50. Es geht um Unterhalt für die Zwillinge. Mutter hätte gerne 100% Regelbetrag (das sind fast 500 EUR bei einem Vatereinkommen von gut 1000 EUR!), Gericht verurteilt Vater zu 50% Regelbetrag. Damit liegt der Vater wie üblich weit unter dem Selbstbehalt.

Vater legt Revision ein - und verliert. Eine Betreuung wie hier mit 36% Vater und 64% Mutter rechtfertige kein Abweichen von den üblichen Unterhaltssätzen. Das Wechselmodell müsse 50:50 sein. Dann folgen noch Ausführungen über bestehende gesteigerte Erwerbsobliegenheiten des Vaters, abgeblichen Wohnvorteilen für den Vater. Verpflegung und alle anderen Besuchskosten für die Zwillinge seinen nicht relevant. Mit grosser Kunstfertigkeit werden dem Vater die letzten Euro aus der Tasche geleiert, während die gutverdienende Mutter aussen vor bleibt.

Die Entscheidung ist blass und reiht sich gut ein in die übliche BGH-Rechtssprechung. Wäre der Vater der Stärkerbetreuende und hätte Revision eingelegt, wäre sicher anders entschieden worden. Wie sehr überhaupt Betreuungsaufwand mit Barunterhalt bei so grossen und selbständigen Kindern gleichgesetzt werden kann, bleibt wie üblich unberührt. Ausserdem fällt auf, wie sehr die Gerichte Angst davor haben, beide Eltern beim Unterhalt ins Spiel zu bringen. Grenzfälle wie der vorliegende werden so weit wie möglich eingeschränkt und wegdefiniert, um Lasten völlig auf einen Elternteil -in der Regel dem Vater- zu verschieben. Alles andere würde zu einer stärkeren Beteiligung der Mütter am Unterhalt führen. Da steht die alte Idee im Raum: Wer z.B. 35% betreut, zahlt 65% Unterhalt. Beide Elterneinkommen beim Barunterhalt stärker zu berücksichtigen ist in einigen Ländern Standard, in Deutschland ist es ein ganz grosses Tabu. Es wird sich aber nicht ewig halten lassen in einer Gesellschaft, die rasch auf eine politisch erwünschte Ganztagesbetreuung ab Babyalter zutreibt. Denn dann betreut eigentlich nur noch einer: Der Staat.


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Zitat:
Beide Elterneinkommen beim Barunterhalt stärker zu berücksichtigen ist in einigen Ländern Standard, in Deutschland ist es ein ganz grosses Tabu.
Neuzugänge, die darauf umgestellt haben: Italien 2007, Luxemburg 2008.

Immer weiter in der unterhaltsrechtlichen Steinzeit: Deutschland. Staatliche Vollzeitbetreuung zu forcieren und gleichzeitig einem angeblich "betreuenden" Elternteil immer mehr Unterhalt für das Kind aus den Taschen des angeblich "Nichtbetreuenden" Elternteils zuzuleiten (einschliesslich der Betreuungkosten!) ist schon ein einzigartiges Kunststück.
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