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OLG FFM vom 29.09.2006 Az 5 UF 171/06: Höhe des fiktiven Einkommens
#1
OLG FFM vom 29.09.2006 Az 5 UF 171/06 Volltext: http://www.hefam.de/urteile/5UF17106.html

Ist im alten Forum enthalten gewesen und so wichtig, dass es hier nochmal ausführlich eingestellt werden soll. Die Richter geben im Beschlusstext eine gutes Beispiel, wie fiktive Einkommensmöglichkeiten und realistische Erwerbseinkommen berechnet werden. Meistens kommt nämlich auf magische Weise immer gerade ein fiktives Einkommen in der Höhe heraus, dass der Pflichtige rein zufällig exakt den vollen Unterhalt zahlen muss.

Gegen nicht nachvollziehbare Schätzungen kann man vorgehen. Das OLG Frankfurt zeigt, wie. Es geht um Kindesunterhalt, der Pflichtige sagt dass er als Ungelernter höchstens 900 EUR verdienen könne und somit nach Abzug der Werbungskosten unterhalb des Selbstbehalts liege. Die Klägerin sagt, er könnte durchaus 10 EUR pro Stunde (brutto) verdienen. Jedoch:

"Im unteren Lohnbereich gelernter Arbeitskräfte werden heute Mindestlöhne durch Tarifvertrag und Rechtsverordnung garantiert, die im Bereich eines Stundenlohns von 10,00 EUR liegen. Mit der Dritten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Maler- und Lackiererhandwerk vom 31. August 2005 (Bundesanzeiger Nr. 178 vom 20.09.2005) beträgt der Mindestlohn für Fachkräfte im Bundesgebiet ohne die Beitrittsländer 10,73 EUR und für ungelernte Kräfte 7,85 EUR. Nach dem Lohn und Gehaltstarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen (HN LTV_GTV Bew 01.08.2003 - 31.07.2004) beträgt der Mindestlohn für Sicherheitsmitarbeiter im Revierwachdienst 7,00 EUR. Dieser Mindestlohn gilt ausdrücklich nicht für Aushilfskräfte gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Im Baugewerbe beträgt der Mindestlohn für ungelernte Kräfte nach der 5. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe ab dem 01.09.2005 (www.bmas.bund.de) für ungelernte Arbeitnehmer (Lohngruppe 1) zwar 10,20 EUR, jedoch werden zur Zeit im Baugewerbe keine ungelernten Arbeiter ohne Bauberufserfahrung überhaupt eingestellt, weil in diesem Bereich ausländische Arbeitskräfte (oft mit Unterschreitung der Mindestbedingungen) den Arbeitsmarkt beherrschen, die auch Berufserfahrung aufweisen.

Daraus folgt, dass ungelernte Arbeitskräfte im Bereich des für die Unterhaltspflicht hier erforderlichen Stundenlohns mit gelernten Kräften konkurrieren müssen. Bei der hier vorliegenden Erwerbsbiographie des Beklagten, der keinerlei Berufserfahrung vorweisen kann, besteht in diesem Bereich daher keine realistische Festanstellungschance (und auch nur geringe Chancen für eine Vollzeitstelle bei einem Arbeitgeber)."


Zum Schluss ein Satz in seltener Klarheit:
"Die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland in den Jahren seit der Wiedervereinigung lassen es zweifelhaft erscheinen, ob ein Unterhaltspflichtiger bei genügender Anstrengung Unterhaltspflichten überhaupt noch erfüllen kann, wenn er keine qualifizierte Ausbildung hat und seinen Lebensbedarf in dem genannten Umfang zunächst sicherstellen muss."

Wahrscheinlich haben sie die Richter für diese Staatsbeleidigung in frn einstweiligen Ruhestand versetzt....
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