02-09-2012, 18:16
Bundesgerichtshof, Urteil vom 4.7.2012, Aktenzeichen XII ZR 80/10
Volltext: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...ame=4&.pdf und http://openjur.de/u/438897.html
Der Fall: Die Ehe dauerte keine zehn Jahre. Scheidungsantrag am 1. März 2006 (das ist also der Stichtag), geschieden am 25.11.2009. Vater hat am Stichtag ein Wertpapierdepot, das 21683,41 EUR wert ist. Bis zur Scheidung halbiert sich der Wert des Depots. Ausserdem ist er pleite, weil er Dank Ex Verfahren mit Kosten wegen Umgang mit den Kindern führen muss. Die Ex interessiert das nicht: Sie verlangt ungerührt die Hälfte der 21683,41 EUR. Es geht die Instanzen rauf zum BGH.
Den schert das alles nicht und verknackt den Vater wie das OLG zur Zahlung von 12358,06 EUR, "Die nach Eintritt der Rechtshängigkeit auf Seiten des Antragsgegners eingetretene Vermögensminderung müsse unberücksichtigt bleiben", weil nach der letzten Gesetzesänderung am 1.9.2009 der Berechnungszeitpunkt für die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung vorverlagert worden ist (Trennung 2006!). Weil die bösen Pflichtigen immer Geld verschwinden lassen, so die Begründung des Gesetzes salopp gesagt.
Eine Leistungsverweigerung nach §1381 BGB wegen grober Unbilligkeit komme auch nicht in Betracht. Das hätte er aber schon zu Anfang sagen müssen und es sei auch irrelevant, weil dieser Paragraf sowieso nicht gezogen hätte. Der BGH erkennt auch, dass "Dieses Ergebnis wird im Schrifttum für den Fall kritisiert, dass ein redlicher Ausgleichsschuldner sein Vermögen in dem vorgenannten Zeitraum unverschuldet ganz oder teilweise verliert, etwa durch den Kurseinbruch eines Wertpapierdepots.". Interessiert ebenfalls nicht, der Gesetzgeber habe das eben so gemeint, es hätte ja auch sein können dass der Wert steigt.
Ebenso der Grundsatz von Treu und Glauben nach §242 BGB: Keine Chance. Treu und Glauben nur, wenn mehr zu holen ist, aber nicht wenn es weniger wird.
In diesem Urteil gibt es mehrere Hämmer. Der erste fällt sofort auf: Mit dem Stichtag gehört der der Ex die Hälfte des Depots, also die Hälfte der Aktien. Wieso hat der Vater das Kursrisiko für ihre Aktien zu tragen? Sie hat diese Papiere zu bekommen und was sie damit macht, ist ihr Risiko. Andernfalls müsste eine Pflicht eingeführt werden, sämtliche ausgleichspflichtige Anlagen zum Stichtag sofort aufzulösen.
Ein anderer Hammer: Gemäss §1385 BGB wird das zugewinnausgleichsrelevante Endvermögen berechnet. Obendrauf gepackt wird ausgleichpflichtiges Geld, wenn er
"Handlungen in der Absicht vorgenommen hat, den anderen Ehegatten zu benachteiligen. Ist das Endvermögen eines Ehegatten geringer als das Vermögen, das er in der Auskunft zum Trennungszeitpunkt angegeben hat, so hat dieser Ehegatte darzulegen und zu beweisen, dass die Vermögensminderung nicht auf Handlungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 zurückzuführen ist."
Wenn also Geld weniger wird, muss er Klimmzüge machen, beweisen, vorlegen und kriegt mächtig Ärger, muss zahlen. Es gilt die Vermutung, er wäre ein schäbiger vermögensvermindernder Lump. Wenn es mehr wird: Um so besser, alles her damit. Höher immer, weniger nimmer.
Das "nach dem Urteil" hat noch nie einen Richter interessiert, etwa ob das geurteilte Recht überhaupt angewendet werden kann oder blosse Theoriefindung und Selbstbeschäftigung bleibt. Bei diesem Urteil ist schon im Verfahren klar, dass er nicht mehr zahlen kann, das Geld also gar nicht einbringlich ist. Das ist etwa so wie ein Automechaniker, der eine neue Bremse einbaut, aber ob das Ding überhaupt an diesem Auto funktioniert, interessiert ihn nicht, sogar wenn er aufgrund der Konstruktion sieht dass sie gar nicht funktionieren kann. Gegen einen Baum gekracht? Pech für den Fahrer, aber die Bremse wurde eingebaut, somit kein Verschulden des Mechanikers. Vielleicht sollten Mechaniker Roben statt Blaumann anziehen, dann wird alles gut?
Das Urteil mündet also in einer Zahl, die auf dem Papier eines Insolvenzverwalters steht. Die Ex wird davon gar nicht mehr profizitieren, nur die Beschäftigungssicherheit weiterer staatlicher Organe und eines Insolvenzverwalterns. Bravo, BGH, immer voran im Sinne "vor mir die Ausgleichsmaximierung, nach mir die Schulden-Sintflut".
Insoweit war es gut angelegtes Geld, die Kosten auf die Prozesse und das Umgangsrecht aufzubringen, die die Ex verursacht hat. Denn pleite ist er sowieso, mit wieviel Schulden er in die Insolvenz geht spielt keine Rolle für ihn. Am Ende ist man sowieso pleite, man sollte bis dahin das noch vorhandene Geld ruhig ausgeben. Lieber damit den Umgang gerichtlich erzwungen wie einer vollgefressenen Ex den Zweitwagen finanziert.
Volltext: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...ame=4&.pdf und http://openjur.de/u/438897.html
Der Fall: Die Ehe dauerte keine zehn Jahre. Scheidungsantrag am 1. März 2006 (das ist also der Stichtag), geschieden am 25.11.2009. Vater hat am Stichtag ein Wertpapierdepot, das 21683,41 EUR wert ist. Bis zur Scheidung halbiert sich der Wert des Depots. Ausserdem ist er pleite, weil er Dank Ex Verfahren mit Kosten wegen Umgang mit den Kindern führen muss. Die Ex interessiert das nicht: Sie verlangt ungerührt die Hälfte der 21683,41 EUR. Es geht die Instanzen rauf zum BGH.
Den schert das alles nicht und verknackt den Vater wie das OLG zur Zahlung von 12358,06 EUR, "Die nach Eintritt der Rechtshängigkeit auf Seiten des Antragsgegners eingetretene Vermögensminderung müsse unberücksichtigt bleiben", weil nach der letzten Gesetzesänderung am 1.9.2009 der Berechnungszeitpunkt für die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung vorverlagert worden ist (Trennung 2006!). Weil die bösen Pflichtigen immer Geld verschwinden lassen, so die Begründung des Gesetzes salopp gesagt.
Eine Leistungsverweigerung nach §1381 BGB wegen grober Unbilligkeit komme auch nicht in Betracht. Das hätte er aber schon zu Anfang sagen müssen und es sei auch irrelevant, weil dieser Paragraf sowieso nicht gezogen hätte. Der BGH erkennt auch, dass "Dieses Ergebnis wird im Schrifttum für den Fall kritisiert, dass ein redlicher Ausgleichsschuldner sein Vermögen in dem vorgenannten Zeitraum unverschuldet ganz oder teilweise verliert, etwa durch den Kurseinbruch eines Wertpapierdepots.". Interessiert ebenfalls nicht, der Gesetzgeber habe das eben so gemeint, es hätte ja auch sein können dass der Wert steigt.
Ebenso der Grundsatz von Treu und Glauben nach §242 BGB: Keine Chance. Treu und Glauben nur, wenn mehr zu holen ist, aber nicht wenn es weniger wird.
In diesem Urteil gibt es mehrere Hämmer. Der erste fällt sofort auf: Mit dem Stichtag gehört der der Ex die Hälfte des Depots, also die Hälfte der Aktien. Wieso hat der Vater das Kursrisiko für ihre Aktien zu tragen? Sie hat diese Papiere zu bekommen und was sie damit macht, ist ihr Risiko. Andernfalls müsste eine Pflicht eingeführt werden, sämtliche ausgleichspflichtige Anlagen zum Stichtag sofort aufzulösen.
Ein anderer Hammer: Gemäss §1385 BGB wird das zugewinnausgleichsrelevante Endvermögen berechnet. Obendrauf gepackt wird ausgleichpflichtiges Geld, wenn er
"Handlungen in der Absicht vorgenommen hat, den anderen Ehegatten zu benachteiligen. Ist das Endvermögen eines Ehegatten geringer als das Vermögen, das er in der Auskunft zum Trennungszeitpunkt angegeben hat, so hat dieser Ehegatte darzulegen und zu beweisen, dass die Vermögensminderung nicht auf Handlungen im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 zurückzuführen ist."
Wenn also Geld weniger wird, muss er Klimmzüge machen, beweisen, vorlegen und kriegt mächtig Ärger, muss zahlen. Es gilt die Vermutung, er wäre ein schäbiger vermögensvermindernder Lump. Wenn es mehr wird: Um so besser, alles her damit. Höher immer, weniger nimmer.
Das "nach dem Urteil" hat noch nie einen Richter interessiert, etwa ob das geurteilte Recht überhaupt angewendet werden kann oder blosse Theoriefindung und Selbstbeschäftigung bleibt. Bei diesem Urteil ist schon im Verfahren klar, dass er nicht mehr zahlen kann, das Geld also gar nicht einbringlich ist. Das ist etwa so wie ein Automechaniker, der eine neue Bremse einbaut, aber ob das Ding überhaupt an diesem Auto funktioniert, interessiert ihn nicht, sogar wenn er aufgrund der Konstruktion sieht dass sie gar nicht funktionieren kann. Gegen einen Baum gekracht? Pech für den Fahrer, aber die Bremse wurde eingebaut, somit kein Verschulden des Mechanikers. Vielleicht sollten Mechaniker Roben statt Blaumann anziehen, dann wird alles gut?
Das Urteil mündet also in einer Zahl, die auf dem Papier eines Insolvenzverwalters steht. Die Ex wird davon gar nicht mehr profizitieren, nur die Beschäftigungssicherheit weiterer staatlicher Organe und eines Insolvenzverwalterns. Bravo, BGH, immer voran im Sinne "vor mir die Ausgleichsmaximierung, nach mir die Schulden-Sintflut".
Insoweit war es gut angelegtes Geld, die Kosten auf die Prozesse und das Umgangsrecht aufzubringen, die die Ex verursacht hat. Denn pleite ist er sowieso, mit wieviel Schulden er in die Insolvenz geht spielt keine Rolle für ihn. Am Ende ist man sowieso pleite, man sollte bis dahin das noch vorhandene Geld ruhig ausgeben. Lieber damit den Umgang gerichtlich erzwungen wie einer vollgefressenen Ex den Zweitwagen finanziert.