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Betreuungsunterhalt - wie lange maximal ?
#1
Servus,

mein Anwalt, der leider nicht mehr greifbar ist, meinte Betreuungsunterhalt würde sobald das Kind 12 Jahre alt wird, in aller Regel nicht mehr gewährt, da sei auch bei mir ein Ende sichtbar.
Es gäbe dazu ein BGH Urteil. Leider finde ich es nicht. Weiß jemand mehr?

In meinem konkreten Fall: Kann Mutti für die Betreuung und Pflege des schwerbehinderten Kindes mit Pflegegrad 5 auch über das 12. Lebensjahr des Kindes hinaus weiterhin Betreuungsunterhalt gegen Papi durchsetzen?

Im Hexenkessel des deutschen FamR ist natürlich alles möglich, nur stehen ihre Chancen da gut und ist es aufwändig für sie? 
Kann der Betreuungsunterhalt sogar ausnahmsweise bis zum 18. Lebensjahr gewährt werden? Habe keinen Fall gefunden.

Sie selbst ist ausgebildet und erwerbsfähig, Unterhaltszahler verdient stattlich - während Empfängerin von Stütze lebt, Kind geht in Schule, Fremdbetreuungsmöglichkeiten existieren - wenn auch bislang abgelehnt/ungenutzt, Umgang bzw. Pflegeentlastung durch mich findet regelmäßig statt.

Grüße  Cool
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#2
Die Schranken für Betreuungsunterhalt sind gefallen, §1615l BGB kennt keine Zeitgrenze mehr. "Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht.".

Böse auch Abs. 3, der die ganze Geschichte Richtung Ehegattenunterhalt öffnet. Und dort ist es ganz eindeutig: Kindbezogene Gründe können sogar zu einer Betreuungsunterhaltspflicht über das 18. Lebensjahr hinaus führen, siehe BGH, 17.03.2010 - XII ZR 204/08. Volltext: https://openjur.de/u/70004.html

Und das haben die Gerichte auch gleich gierig aufgenommen:

"Wenn eine persönliche Betreuung des behinderten volljährigen Kindes erforderlich ist und dadurch kind- und/oder elternbezogene Gründe vorliegen, kommt auch bei volljährigen behinderten Kinder ein Anspruch nach § 1570 BGB (BGH, NJW 2010, 1665) bzw. § 1615 l II BGB (vgl. BGH, NJW 2015, 2257, zur Verlängerung über das dritte Lebensjahr hinaus) in Betracht. Dann ist allerdings zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in einer für das volljährige Kind geeigneten Betreuungseinrichtung gesichert werden könnte.". https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Downl...BGB%20(vgl.

Wenn bei dir was zu holen ist, dann werden sie dich ausnehmen wollen. Wie deine Chancen stehen? Kann keiner sagen.
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#3
Ab 18 wird für den erwerbsunfähigen Junior Grundsicherung bzw. Bürgergeld beantragt. Dieses deckt erst mal den Grundbedarf.
Ab Volljährigkeit benötigt das Kind einen Betreuer, welcher dann Unterhaltsansprüche geltend machen kann. Wer diese Rolle übernehmen wird, wird noch spannend.
Es könnte passieren, dass sich die Eltern darum zanken, wer es von beiden sein darf - und schon ist da der nächste Konflikt: 
Ein Betreuer wird möglichst hohen Unterhalt fordern, während der Unterhaltszahler das Gegenteil anstrebt.

Laut BGH Az. XII ZR 74/08, kann die Mutti sobald das Kind 12 Jahre alt ist, nicht so einfach weiter Betreuungsunterhalt fordern.
Der "Vorrang der persönlichen Betreuung" wurde "aufgegeben". Es sind Möglichkeiten zu nutzen das Kind betreuen zu lassen.

"Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB). Die Dauer des Anspruchs auf 18 - 9 - Betreuungsunterhalt verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 2 BGB)."

Zahle schon länger Betreuungsunterhalt als die Ehe bestand.

Aber auch klar...
"Wegen des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes der Kinder sind diese Verlängerungsgründe stets vorrangig zu prüfen und entfalten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung das stärkste Gewicht (BT-Drucks. 16/6980 S. 9; vgl. auch Dose Jugendamt 2009, 1, 3)."

Will Mutti weiter betreuen, muss sie darlegen, warum das Kind anderswo nicht adäquat betreut und gepflegt werden kann...
" Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer kindgerechten Betreuungsmöglichkeit findet erst dort ihre Grenzen, wo die Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar ist, was jedenfalls bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten regelmäßig nicht der Fall ist."

"Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist deswegen stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Einrichtungen gesichert werden könnte (BVerfGE FamRZ 2007, 965, 968; OLG Celle FamRZ 2008, 997, 998; OLG München FamRZ 2008, 1945 f.; vgl. auch Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 4 Rdn. 67; Viefhues ZFE 2008, 44, 45; Wever FamRZ 2008, 553, 555 f.; Graba FamRZ 2008, 1217, 1221 f.; Zimmermann FPR 2009, 97, 98)."

Schon mies, wie eine nicht oder nur anteilig selbst verursachte Konstellation einem komplett finanziell angelastet wird.
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#4
Leider 30min Bearbeitungszeit abgelaufen... ich schiebe noch nach

"Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils trotz der Vollzeitbetreuung des Kindes noch eingeschränkt ist"

Wird Betreuungsunterhalt versagt, kann Mutti versuchen Aufstockungsunterhalt zu argumentieren.

Im Grunde genügt irgendein Psychologe, der Mutti bescheinigt, das Kind bekäme nervöse Zuckungen, wenn es nicht von ihr "betütelt" werden würde und zack schon greift das Kindeswohl.

Und nach langer Betreuung gibt ggf. es nochmal ein Finanzbonbon oben drauf für Mutti:
"gegenwärtig nicht hinreichend sicher absehbar ist, ob die Klägerin infolge der Kindererziehung ehebedingte Nachteile erlitten hat oder noch erleiden wird."

Möchte Mutti den Betreuungsunterhaltshahn abdrehen, weil das Kind bald 12 ist. Ob ich damit durchkomme...
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#5
Noch so ein ähnlicher Quatsch:
"eine Erwerbstätigkeit dürfe nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung des betreuenden Elternteils führen" (BGH, Beschluss vom 18.03.2009 - XII ZR 74/08 = FamRZ 2009, 959 ; Beschluss vom 06.05.2009 - XII ZR 114/08 = FamRZ 2009, 1124 )
OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 05.09.2023 - Aktenzeichen 6 UF 69/23

Ähm hüstel, was ist denn mit der überobligatorischen finanziellen Belastung des Unterhaltsleisters?
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#6
Tonnenweise "Einzelfälle" eben. Zum Wohle der Honorarrechnung und der Wichtigkeit der Roben.
Genau das macht es unberechenbar, was in deiner Situation passiert und vor Gericht ausgeurteilt wird.
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#7
Pflegegrad 5 ist schon heftig.

Du sagst "Unterhaltszahler verdient stattlich". Was wäre denn teurer oder günstiger? Eine externe Unterbringung in einer Enrichtung, oder Unterhaltszahlungen an die Mutter, die sich dann um alles kümmert? Magst du die Zahlen nennen?
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#8
Die Kosten das Kind täglich 6 Stunden fremd betreuen zu lassen (damit Mutti ihre 1350€ netto erarbeiten kann) sind schwer einschätzbar, zumal Eingliederungshifle und Sozialträger sowie Pflegekasse einen Teil übernehmen würde.

Bei Inanspruchnahme entfallen schon mal 903€ Pflegegeld + 500€ Betreuungsunterhalt.

Verdiene aktuell ca. 4000€ netto.

Jedenfalls überätzend für Mutti endlos blechen zu dürfen, weil das Kind ohne eigenes Verschulden schwerbehindert und pflegebedürftig ist, weit über die Ehedauer hinaus. Und da wundert sich der Staat ernsthaft darüber warum er Rückhalt und Akzeptanz verliert.
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