14-09-2018, 21:59
Die ehrlosen Gesellen treffen sich wieder, der 72. Juristentag steht vor der Tür. Diesmal steht auch das Familienrecht relativ weiter vorne in der Themenliste. Die Überschrift lautet "Gemeinsam getragene Elternverantwortung nach Trennung und Scheidung – Reformbedarf im Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrecht?" und das Fragezeichen lässt schon ahnen, wie es laufen soll.
Gemäss der totalen Gleichstellung sind alle der Beteiligten Frauen. Die Vorsitzende, die stellvertretende Vorsitzende, die Schriftführerin, die Gutachterin. Dazu vier Referenten, davon ein einziger Mann, Michael Coester.
Auf Seite 11 der Einladung steht etwas über das Thema: https://www.djt.de/fileadmin/downloads/7...180905.pdf
Darin wird wie üblich das hohe Lied des Kindeswohls gesungen, das über allem stehe. So zirka in jedem zweiten Satz. Etwas mehr Inhalt kommt in den Thesen, denn der Juristentag verkündet nur, was schon in Richterstübchen, Zirkeln und Hinterzimmern ausgeknobelt wurde, aber er erarbeitet nichts. Die stehen hier: https://www.djt.de/fileadmin/downloads/7...180728.pdf - ab Seite 13.
Aber immerhin, hier zum Vortrag von Eva Schumann:
- es wird wieder ein Schrittchen hin zur gemeinsamen Sorge gefordert. Nicht schlecht, die Juristengeschwindigkeit, schliesslich ist die grosse Katastrophe erst 41 Jahre her, die überwunden werden muss.
- bei der Betreuung solls kein gesetzliches Leitbild mehr geben. Toll, schon erreicht, das gab es sowieso nie, das Wechselmodell ist nicht im BGB sondern im Gerichtssaal durch unsere hochverehrten Richter auf der Strecke geblieben.
- Beratung, Beratung, Beratung der getrennten Eltern. Es lebe die Helferindustrie.
- ein unklar bleibendes Instrument von "Elternvereinbarungen" soll eingeführt werden.
- Umgang in §1684 BGB soll leichter begrenzt und verhindert werden, auch von Amts wegen.
- Kindeswohl und Kindeswille, keiner definiert es aber die Juristen wollen beides wieder mal stärken.
- Tolle neue Methoden für Unterhalt im Wechselmodell.
Coester sagt im Prinzip Ähnliches. Auch er will endlich gemeinsame Sorge statt der durch den europäischen Gerichtshof erzwungenen Minimallösung. "Danke" für die schlechteste Umsetzung eines Urteils aller Zeiten, SPD, werd ich euch nie vergessen.
Isabell Götz redet etwas radikaler, beginnt mit dem Satz "Das Unterhaltsrecht ist für die Betroffenen selbst kaum mehr nachzuvollziehen". Endlich mal was, dem ich voll und ganz zustimmen kann. Einen Podcast von ihr übers Familienrecht gibts übrigens hier: https://www.lto.de/recht/podcasts/p/lto-...-gerichte/ . Ich zitiere mal ihre Thesen:
"1. Das Unterhaltsrecht ist für die Betroffenen selbst kaum mehr nachzuvollziehen. Das Ziel einer Vereinfachung des Unterhaltsrechts, das im Zug der Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2008 formuliert wurde, muss bei künftigen Reformen daher leitend sein.
2. Die Eltern entscheiden über Art und Umfang ihrer Arbeitsteilung bei der Betreuung ihres Kindes auch nach Trennung und Scheidung autonom. Das Unterhaltsrecht muss diese Entscheidung respektieren und abbilden.
3. Grundsätzlich schulden beide Elternteile ihrem Kind gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB Barunterhalt. Der Barbedarf des Kindes ist daher anhand der zusammengerechneten Einkünfte der Eltern zu ermitteln.
4. Bei der Bemessung der Haftungsquote ist neben den Erwerbs und Vermögensverhältnissen der Eltern der Anteil der Mitbetreuung einzubeziehen (Gedanke des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB).
5. Zur Berechnung des Kindesunterhalts ist von drei Betreuungsstufen auszugehen
a) Bei überwiegender Betreuung durch einen Elternteil (Residenzmodell) bleibt es im Verhältnis der Eltern bei der Regelvermutung, dass der Betreuende seine Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung erfüllt.
b) Bei paritätischer Betreuung durch beide Elternteile (Wechselmodell) orientiert sich die Haftungsquote an den für Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkünften der Eltern.
c) Bei einer zwischen beiden Modellen liegenden geteilten Betreuung (asymmetrische Betreuung) bestimmt sich die Haftungsquote nach dem Verhältnis der für Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkünfte der Eltern sowie einer fixen Betreuungsquote, die der Mitbetreuung angemessen Rechnung trägt.
6. Die gesetzliche Regelung sollte nur die Grundzüge hierfür vorgeben, dabei aber alle Betreuungsmodelle angemessen erfassen und die Gleichwertigkeit von Betreuung und Barunterhalt sicherstellen.
7. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge können Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil im Fall einer geteilten Betreuung
a) von jedem Elternteil allein und
b) im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens von den Eltern nur jeweils im eigenen Namen geltend gemacht werden.
8. Die unterhaltsrechtliche Relevanz der geteilten Betreuung eines Kindes nach Trennung der Eltern sollte auch in den Vorschriften zum Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§§ 1570, 1615l BGB) abgebildet werden.
9. a) Der Rechtsgedanke des § 1627 BGB sollte auch für das Unterhaltsrecht nutzbar gemacht werden.
b) Im Güterichterverfahren muss sichergestellt werden, dass Güterichter verfügbar sind, die über hinreichende Kenntnisse im materiellen Familienrecht und im Familienverfahrensrecht verfügen."
Habt ihrs begriffen :-) ?
Die Thesen Walpers sind weniger interessant, sie bestehen hauptsächlich aus einer Fortführung der jetzigen Situation mit ein paar neuen Etiketten. Sie versucht z.B., das Wechselmodell einzugrenzen, wo es nur geht. Trotzdem schön zu lesen, dass sie ein Rückzugsgefecht führt und das spürt. Die Richtungen bestimmen längst Andere, ihr bleibt nur das zu bremsen.
Gemäss der totalen Gleichstellung sind alle der Beteiligten Frauen. Die Vorsitzende, die stellvertretende Vorsitzende, die Schriftführerin, die Gutachterin. Dazu vier Referenten, davon ein einziger Mann, Michael Coester.
Auf Seite 11 der Einladung steht etwas über das Thema: https://www.djt.de/fileadmin/downloads/7...180905.pdf
Darin wird wie üblich das hohe Lied des Kindeswohls gesungen, das über allem stehe. So zirka in jedem zweiten Satz. Etwas mehr Inhalt kommt in den Thesen, denn der Juristentag verkündet nur, was schon in Richterstübchen, Zirkeln und Hinterzimmern ausgeknobelt wurde, aber er erarbeitet nichts. Die stehen hier: https://www.djt.de/fileadmin/downloads/7...180728.pdf - ab Seite 13.
Aber immerhin, hier zum Vortrag von Eva Schumann:
- es wird wieder ein Schrittchen hin zur gemeinsamen Sorge gefordert. Nicht schlecht, die Juristengeschwindigkeit, schliesslich ist die grosse Katastrophe erst 41 Jahre her, die überwunden werden muss.
- bei der Betreuung solls kein gesetzliches Leitbild mehr geben. Toll, schon erreicht, das gab es sowieso nie, das Wechselmodell ist nicht im BGB sondern im Gerichtssaal durch unsere hochverehrten Richter auf der Strecke geblieben.
- Beratung, Beratung, Beratung der getrennten Eltern. Es lebe die Helferindustrie.
- ein unklar bleibendes Instrument von "Elternvereinbarungen" soll eingeführt werden.
- Umgang in §1684 BGB soll leichter begrenzt und verhindert werden, auch von Amts wegen.
- Kindeswohl und Kindeswille, keiner definiert es aber die Juristen wollen beides wieder mal stärken.
- Tolle neue Methoden für Unterhalt im Wechselmodell.
Coester sagt im Prinzip Ähnliches. Auch er will endlich gemeinsame Sorge statt der durch den europäischen Gerichtshof erzwungenen Minimallösung. "Danke" für die schlechteste Umsetzung eines Urteils aller Zeiten, SPD, werd ich euch nie vergessen.
Isabell Götz redet etwas radikaler, beginnt mit dem Satz "Das Unterhaltsrecht ist für die Betroffenen selbst kaum mehr nachzuvollziehen". Endlich mal was, dem ich voll und ganz zustimmen kann. Einen Podcast von ihr übers Familienrecht gibts übrigens hier: https://www.lto.de/recht/podcasts/p/lto-...-gerichte/ . Ich zitiere mal ihre Thesen:
"1. Das Unterhaltsrecht ist für die Betroffenen selbst kaum mehr nachzuvollziehen. Das Ziel einer Vereinfachung des Unterhaltsrechts, das im Zug der Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2008 formuliert wurde, muss bei künftigen Reformen daher leitend sein.
2. Die Eltern entscheiden über Art und Umfang ihrer Arbeitsteilung bei der Betreuung ihres Kindes auch nach Trennung und Scheidung autonom. Das Unterhaltsrecht muss diese Entscheidung respektieren und abbilden.
3. Grundsätzlich schulden beide Elternteile ihrem Kind gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB Barunterhalt. Der Barbedarf des Kindes ist daher anhand der zusammengerechneten Einkünfte der Eltern zu ermitteln.
4. Bei der Bemessung der Haftungsquote ist neben den Erwerbs und Vermögensverhältnissen der Eltern der Anteil der Mitbetreuung einzubeziehen (Gedanke des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB).
5. Zur Berechnung des Kindesunterhalts ist von drei Betreuungsstufen auszugehen
a) Bei überwiegender Betreuung durch einen Elternteil (Residenzmodell) bleibt es im Verhältnis der Eltern bei der Regelvermutung, dass der Betreuende seine Unterhaltsverpflichtung durch die Betreuung erfüllt.
b) Bei paritätischer Betreuung durch beide Elternteile (Wechselmodell) orientiert sich die Haftungsquote an den für Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkünften der Eltern.
c) Bei einer zwischen beiden Modellen liegenden geteilten Betreuung (asymmetrische Betreuung) bestimmt sich die Haftungsquote nach dem Verhältnis der für Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkünfte der Eltern sowie einer fixen Betreuungsquote, die der Mitbetreuung angemessen Rechnung trägt.
6. Die gesetzliche Regelung sollte nur die Grundzüge hierfür vorgeben, dabei aber alle Betreuungsmodelle angemessen erfassen und die Gleichwertigkeit von Betreuung und Barunterhalt sicherstellen.
7. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge können Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil im Fall einer geteilten Betreuung
a) von jedem Elternteil allein und
b) im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens von den Eltern nur jeweils im eigenen Namen geltend gemacht werden.
8. Die unterhaltsrechtliche Relevanz der geteilten Betreuung eines Kindes nach Trennung der Eltern sollte auch in den Vorschriften zum Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (§§ 1570, 1615l BGB) abgebildet werden.
9. a) Der Rechtsgedanke des § 1627 BGB sollte auch für das Unterhaltsrecht nutzbar gemacht werden.
b) Im Güterichterverfahren muss sichergestellt werden, dass Güterichter verfügbar sind, die über hinreichende Kenntnisse im materiellen Familienrecht und im Familienverfahrensrecht verfügen."
Habt ihrs begriffen :-) ?
Die Thesen Walpers sind weniger interessant, sie bestehen hauptsächlich aus einer Fortführung der jetzigen Situation mit ein paar neuen Etiketten. Sie versucht z.B., das Wechselmodell einzugrenzen, wo es nur geht. Trotzdem schön zu lesen, dass sie ein Rückzugsgefecht führt und das spürt. Die Richtungen bestimmen längst Andere, ihr bleibt nur das zu bremsen.