18-10-2010, 11:31
OLG Brandenburg, Beschluss vom 1.7.2010 Az. 9 UF 7/09
Volltext: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin...focuspoint
Vorausgehend eine Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg, gegen die der Vater Beschwerde eingelegt hat.
Der Fall: Eltern eines jetzt sechsjährigen Kindes, gemeinsame Sorge, wohnen gemeinsam. Vater Polizist, Mutter verurteilt wegen Diebstahl und mit erheblichen Schulden. Die Trennung:
"Am 20. April 2008 packte die Kindesmutter erneut Sachen zusammen mit der Absicht, den Kindesvater endgültig zu verlassen. Dieser kam noch vor ihrem Auszug nach Hause, was in erneute Streitigkeiten mündete. Die Kindesmutter hatte einen Möbelwagen vor dem Haus geparkt; beim Einpacken halfen ihr ihre Mutter und deren Lebensgefährte sowie dessen Sohn. Infolge des Streits wurde J… in den PKW der Kindesmutter gesetzt. Hiermit war der Kindesvater nicht einverstanden und versuchte, das Kind aus dem Auto zu holen, was die Kindesmutter aber verweigerte. Im Anschluss daran fuhr die Kindesmutter mit dem Kind gegen den Willen des Kindesvaters zunächst ins Frauenhaus und teilte dies dem Kindesvater auch mit, wobei sie aber nicht – wie sie es dem Kindesvater mitgeteilt hatte – in das O’er, sondern das B’er Frauenhaus ging." Dann Umzug, Mutter hält ihren Aufenthaltsort und damit den des gemeinsamen Kindes geheim. Schliesslich ein Lichtblick:
"Ende Mai 2008 erfolgte sodann die Aufnahme des Umgangs. Am 5. Juni 2008 schlossen die Kindeseltern vor dem Amtsgericht im einstweiligen Anordnungsverfahren eine Umgangsvereinbarung, nach der sich das Kind im Wechsel jeweils 14 Tage bei einem Elternteil aufhalten sollte. Nachdem bereits im Juli 2008 erneute Spannungen aufkamen, wurde diese Vereinbarung in Einzelheiten wiederholt abgeändert, der 14tägige Rhythmus blieb jedoch beibehalten."
Das Gericht ist sich nicht zu schaden, die Anschuldigungen der Mutter im Trennungskrieg in die Begründung zu schreiben: "Die Kindesmutter hat behauptet, der Kindesvater habe sich bis zur Trennung häufig aggressiv und beschimpfend ihr gegenüber verhalten. Er habe sie erniedrigt und herabgewürdigt, in dem er sie in finanzieller Hinsicht sehr knapp gehalten habe, weshalb sie unter anderem durch das Kindergeld ihren Lebensunterhalt habe bestreiten müssen. Er habe regelrecht versucht sie „auszuhungern.“" Und deshalb will sie jetzt das Wechselmodell kippen und das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine. Bekommt es auch prompt vom Amtsgericht. Dagegen legt der Vater Beschwerde ein.
Er argumentiert wie die meisten Väter, die das versuchen: "Der Kindesvater hat mittlerweile erhebliche Anstrengungen unternommen, um einen möglichen vollständigen Aufenthalt des Kindes bei sich frei gestalten zu können. Er hat insoweit bereits entsprechende Erklärungen seines Arbeitgebers eingeholt, dass er sich in ausreichendem Umfange um das Kind kümmern könne. Der Kindesvater behauptet, stets eine gute und intensive Beziehung zu seinem Kind gehabt zu haben. Trotz seiner Arbeitszeiten habe er sich vielfach um das Kind kümmern können, man habe viel unternommen."
Ihm wird das ABR schliesslich entzogen, weil die Eltern sich streiten würden. Und dies sogar, obwohl "Trotz der Bemühungen aller Beteiligten und des Senats ist nicht einmal der zunächst vom Kindesvater vorgeschlagene Kompromiss der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei einverständlicher Festlegung des Aufenthaltsortes von J… bei der Kindesmutter zustande gekommen. Nach dem die Kindesmutter trotz mehrfacher Anregung durch den Senat dies vehement abgelehnt hat, hat auch der Kindesvater letztendlich an seinem Vorschlag nicht mehr festhalten wollen. All dies zeigt, dass der wesentliche Teilbereich der gemeinsamen elterlichen Sorge, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J…, der Entscheidungsbefugnis eines Elternteils allein zuzuweisen ist." Der Vater wäre also sogar freiwillig einverstanden gewesen, das Kind bei der Mutter zu lassen! Trotzdem verliert er das ABR. Und das Wechselmodell sowieso, das Gericht zitiert sich dabei selber:
"Eine Beibehaltung des Wechselmodells, was jedenfalls dem ursprünglich geäußerten Wunsch des Kindesvaters entsprechen würde, kommt dagegen nicht in Betracht. Die Kindesmutter hatte dies ausdrücklich abgelehnt. Gegen den Willen eines Elternteils kommt die Durchsetzung eines Wechselmodells jedoch nicht in Betracht (Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 2009, 1759), weil sich dies äußerst nachteilig auf das Kindeswohl auswirken würde."
Danach kommt das übliche Gefasel von dem nur "leichten" Übergewicht zugunsten der Mutter und dem Kontinuitätsprinzip. Dabei müssen sich die Richter bis zur Geburt des Kindes zurück bemühen, denn bei einem echten Wechselmodell kann man schlecht das Kontinuitätsprinzip anführen. Der Kindsmutter wird auch attestiert, den Vater auflaufen zu lassen und damit die gemeinsame Sorge missachtet hat, aber was solls... das "leichte" Übergewicht spricht für die Kindsmutter und somit ist dem Kindeswohl am meisten gedient, wenn der Vater vollends entrechtet und die ermächtigt wird.
In dem Urteil sind noch viele Sätze, die es einem über werden lassen. So wird die Kindsmutter z.B. gelobt, das sie das Wechselmodell gemacht hätte: "Ein derart intensives Wechselmodell zeugt jedenfalls von einer gesteigerten Verantwortung der Kindesmutter, Umgang mit dem Kindesvater zuzulassen." Und deswegen will es Mutter schnellstens abwürgen....
Die Juristen sind tief in einem Denken vergraben, das von 50 Jahren vielleicht mal en vogue war. In dieser Falle sitzen sie wie die Ratten im Loch. Kein Wunder, dass die einzigen Entwicklungsimpulse ausschliesslich aus dem Ausland kommen und das meistens durch Zwang (siehe Fall Zaunegger). Ansonsten verharrt das Land in seiner Steinzeit und belügt sich endlos weiter selbst mit Hilfe seines selbstgebauten Kindeswohlbegriffs.
Volltext: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin...focuspoint
Vorausgehend eine Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg, gegen die der Vater Beschwerde eingelegt hat.
Der Fall: Eltern eines jetzt sechsjährigen Kindes, gemeinsame Sorge, wohnen gemeinsam. Vater Polizist, Mutter verurteilt wegen Diebstahl und mit erheblichen Schulden. Die Trennung:
"Am 20. April 2008 packte die Kindesmutter erneut Sachen zusammen mit der Absicht, den Kindesvater endgültig zu verlassen. Dieser kam noch vor ihrem Auszug nach Hause, was in erneute Streitigkeiten mündete. Die Kindesmutter hatte einen Möbelwagen vor dem Haus geparkt; beim Einpacken halfen ihr ihre Mutter und deren Lebensgefährte sowie dessen Sohn. Infolge des Streits wurde J… in den PKW der Kindesmutter gesetzt. Hiermit war der Kindesvater nicht einverstanden und versuchte, das Kind aus dem Auto zu holen, was die Kindesmutter aber verweigerte. Im Anschluss daran fuhr die Kindesmutter mit dem Kind gegen den Willen des Kindesvaters zunächst ins Frauenhaus und teilte dies dem Kindesvater auch mit, wobei sie aber nicht – wie sie es dem Kindesvater mitgeteilt hatte – in das O’er, sondern das B’er Frauenhaus ging." Dann Umzug, Mutter hält ihren Aufenthaltsort und damit den des gemeinsamen Kindes geheim. Schliesslich ein Lichtblick:
"Ende Mai 2008 erfolgte sodann die Aufnahme des Umgangs. Am 5. Juni 2008 schlossen die Kindeseltern vor dem Amtsgericht im einstweiligen Anordnungsverfahren eine Umgangsvereinbarung, nach der sich das Kind im Wechsel jeweils 14 Tage bei einem Elternteil aufhalten sollte. Nachdem bereits im Juli 2008 erneute Spannungen aufkamen, wurde diese Vereinbarung in Einzelheiten wiederholt abgeändert, der 14tägige Rhythmus blieb jedoch beibehalten."
Das Gericht ist sich nicht zu schaden, die Anschuldigungen der Mutter im Trennungskrieg in die Begründung zu schreiben: "Die Kindesmutter hat behauptet, der Kindesvater habe sich bis zur Trennung häufig aggressiv und beschimpfend ihr gegenüber verhalten. Er habe sie erniedrigt und herabgewürdigt, in dem er sie in finanzieller Hinsicht sehr knapp gehalten habe, weshalb sie unter anderem durch das Kindergeld ihren Lebensunterhalt habe bestreiten müssen. Er habe regelrecht versucht sie „auszuhungern.“" Und deshalb will sie jetzt das Wechselmodell kippen und das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine. Bekommt es auch prompt vom Amtsgericht. Dagegen legt der Vater Beschwerde ein.
Er argumentiert wie die meisten Väter, die das versuchen: "Der Kindesvater hat mittlerweile erhebliche Anstrengungen unternommen, um einen möglichen vollständigen Aufenthalt des Kindes bei sich frei gestalten zu können. Er hat insoweit bereits entsprechende Erklärungen seines Arbeitgebers eingeholt, dass er sich in ausreichendem Umfange um das Kind kümmern könne. Der Kindesvater behauptet, stets eine gute und intensive Beziehung zu seinem Kind gehabt zu haben. Trotz seiner Arbeitszeiten habe er sich vielfach um das Kind kümmern können, man habe viel unternommen."
Ihm wird das ABR schliesslich entzogen, weil die Eltern sich streiten würden. Und dies sogar, obwohl "Trotz der Bemühungen aller Beteiligten und des Senats ist nicht einmal der zunächst vom Kindesvater vorgeschlagene Kompromiss der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei einverständlicher Festlegung des Aufenthaltsortes von J… bei der Kindesmutter zustande gekommen. Nach dem die Kindesmutter trotz mehrfacher Anregung durch den Senat dies vehement abgelehnt hat, hat auch der Kindesvater letztendlich an seinem Vorschlag nicht mehr festhalten wollen. All dies zeigt, dass der wesentliche Teilbereich der gemeinsamen elterlichen Sorge, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J…, der Entscheidungsbefugnis eines Elternteils allein zuzuweisen ist." Der Vater wäre also sogar freiwillig einverstanden gewesen, das Kind bei der Mutter zu lassen! Trotzdem verliert er das ABR. Und das Wechselmodell sowieso, das Gericht zitiert sich dabei selber:
"Eine Beibehaltung des Wechselmodells, was jedenfalls dem ursprünglich geäußerten Wunsch des Kindesvaters entsprechen würde, kommt dagegen nicht in Betracht. Die Kindesmutter hatte dies ausdrücklich abgelehnt. Gegen den Willen eines Elternteils kommt die Durchsetzung eines Wechselmodells jedoch nicht in Betracht (Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 2009, 1759), weil sich dies äußerst nachteilig auf das Kindeswohl auswirken würde."
Danach kommt das übliche Gefasel von dem nur "leichten" Übergewicht zugunsten der Mutter und dem Kontinuitätsprinzip. Dabei müssen sich die Richter bis zur Geburt des Kindes zurück bemühen, denn bei einem echten Wechselmodell kann man schlecht das Kontinuitätsprinzip anführen. Der Kindsmutter wird auch attestiert, den Vater auflaufen zu lassen und damit die gemeinsame Sorge missachtet hat, aber was solls... das "leichte" Übergewicht spricht für die Kindsmutter und somit ist dem Kindeswohl am meisten gedient, wenn der Vater vollends entrechtet und die ermächtigt wird.
In dem Urteil sind noch viele Sätze, die es einem über werden lassen. So wird die Kindsmutter z.B. gelobt, das sie das Wechselmodell gemacht hätte: "Ein derart intensives Wechselmodell zeugt jedenfalls von einer gesteigerten Verantwortung der Kindesmutter, Umgang mit dem Kindesvater zuzulassen." Und deswegen will es Mutter schnellstens abwürgen....
Die Juristen sind tief in einem Denken vergraben, das von 50 Jahren vielleicht mal en vogue war. In dieser Falle sitzen sie wie die Ratten im Loch. Kein Wunder, dass die einzigen Entwicklungsimpulse ausschliesslich aus dem Ausland kommen und das meistens durch Zwang (siehe Fall Zaunegger). Ansonsten verharrt das Land in seiner Steinzeit und belügt sich endlos weiter selbst mit Hilfe seines selbstgebauten Kindeswohlbegriffs.