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Nachdem ich vor 3 Jahren hier
http://www.trennungsfaq.com/forum/showth...p?tid=5531
eingestiegen bin, möchte ich auch noch gerne etwas zu diesem Werdegang bis dahin erzählen.
1.) Mein Elternhaus
An dem Tag, es ist ein paar Dekaden her, als ich einem Kreiskrankenhaus im Wiehengebirge geboren wurde, verließ der
letzte amerikanische Soldat vietnamesischen Boden.
Ich bin der jüngste Sproß von insgesamt drei Kindern meiner Eltern. Mein Vater war freiberuflicher Versicherungsvermittler und meine Mutter, mit kaufmännischer Ausbildung, war Hausfrau. Meine Eltern haben einander zweimal geehelicht. Ich war sozusagen das Versöhnungskind und wurde genau zwischen diesen beiden Eheschliessungen geboren.
Rückblickend kann ich sagen, daß ich bis etwa zu meinem sechsten Lebensjahr eine wirklich glückliche und erfüllte Kindheit hatte. Meine Mutter kümmerte sich rührend um meine ältere Schwester und mich. Zu meiner Schwester hatte ich quasi von Beginn an eine Art Hassliebe. Wir konnten uns oft nicht gegenseitig leiden und konnten doch nicht ohne einander sein. Sie hat seit der Geburt eine geistige Behinderung, allerdings war diese nicht so ausgeprägt, das mich das als Kind irritiert hätte. Mein Vater war berufsbedingt selten zu Hause, meistens nur am Wochenende und selbst dann ging er noch "auf Achse". Mein Bruder war schon einige Jahre älter als ich und ging schon oft seiner eigenen Wege. Wir wohnten in einem grossen Haus und der Garten war so riesig, das wir mit der ganzen Familie drei Tage benötigten, um den gemähten Rasen abzuharken. Jedes Kind hatte ein eigenes Zimmer. Wir hatten eine gutmütige Bernhardinerhündin, mit der ich gerne und oft spielte und die mich und meine Schwester im Winter auf dem Schlitten hinter sich her zog.
Im Sommer gingen wir, mein Vater, meine Mutter, meine Geschwister und ich, oft im Wald spazieren. Auf der Fahrt zu unserem Startplatz am Waldrand sass die Bernhardinerin zusammen mit mir im Fond des Dreier BMW's meines Vaters und speichelte mir bei grosser Hitze mit ihrem kühlen Drüsensekret sabbernd und hechelnd das Gesicht und die Kleidung voll. Man wird es mir daher wohl nachempfinden können, wenn ich auf diese gelegentlichen Ausflüge wenig wert legte. Wenn ich bei den langen Wanderungen müde wurde, durfte ich auf den Schultern meines Vaters Platz nehmen und meine Beine über seine Brust baumeln lassen.
Der Kontakt mit unseren Nachbarn war sehr herzlich, ich durfte fast jederzeit an jedes Haus unserer Straße klopfen und wurde von älteren Damen mit Gummibärchen, Keksen oder geistiger Nahrung in Form von nettem Plausch und Dorftratsch gefüttert. Der Landwirt direkt von nebenan nahm mich mit in die Ställe, wo ich beim Füttern half oder mir von seiner Frau in der Stube Geschichten vorlesen lies. Oft gab es abends nach dem Melken der Kühe im Kuhstall einen Schlag frische Kuhmilch direkt aus der Kelle. In der näheren Umgebung konnte man stundenlang über die Wiesen und Felder umherstreifen. In den angrenzenden Straßen wohnten zwei, drei gleichaltrige Kinder, mit denen ich mich regelmässig traf und spielte und gelegentlich auch mal raufte.
Der Umgang mit meiner Mutter war wie schon gesagt, herzlich. Bei meinem Vater war das allerdings anders. Er war oft beruflich unterwegs und in seiner Freizeit feierte er gerne oder ging mit seinen Freunden aus. Wenn er es am Abend vorher mit dem Feiern übertrieben hatte und das war regelmässig der Fall, dann hatte er einen gewaltigen Kater und war entsprechend schlechter Stimmung. Man begegnete ihm dann besser nicht. Mit der Zeit hatte ich Übung darin, ihm nicht zu häufig zu begegnen und wenn wir doch zusammen waren, dann erkannte man schnell an dem Gesichtsausdruck der Geschwister und der Mutter, an der allgemeinen Stimmung, das es jetzt besser war, unauffällig in den Hintergrund zu treten. Genau betrachtet, herrschte unter uns Kindern oft eine Atmosphäre der Angst, wenn mein Vater zugegen war. Er war, besonders wenn er eine lange Nacht hinter sich hatte, leicht reizbar und wurde schnell laut und dann und wann auch mal handgreiflich.
Meine älteren Geschwister wurden häufiger das Opfer seiner Übellaunigkeit als ich und kassierten hier und da aus völlig banalen Anlässen eine Ohrfeige, ich selber hatte aber wohl auf Grund meines kleinkindlichen Alters wohl noch so etwas wie einen "Welpenschutz". Meine Mutter mußte häufig dazwischengehen und bekam genauso hier und da auch mal etwas ab.
Er hatte aber auch durchaus Momente, in denen mein Vater verständnis- und liebevoll war und sich viel Zeit nahm, um mir, seinem kleinen Jungen, die Welt zu erklären. Bedauerlichweise waren die Momente so selten, das ich mich heute noch so genau daran erinnern kann, als hätte ich sie gestern erlebt.
Meine Mutter und mein Vater hätten gegensätzlicher nicht sein können. Sie stammte aus einer Bergarbeiterfamilie in Schlesien, welches heute zu Polen gehört. Ihr Vater war gebürtiger Berliner und von Beruf Gärtner. Ihre Mutter, aus Schlesien stammend, war Näherin. Mein Großvater mütterlicherseits war 1945 als Panzerschütze und Gefreiter der Waffen-SS im Zugwaggon auf der Anreise ins Kurland, um da für den GröFaZ den Endkampf auszufechten. Zum Leidwesen der mütterlichen Familie wurde der Truppentransport schon bei dem Anmarsch ins Feindgebiet unter heftiges Feuer genommen und seinem Kusin gelang es dabei nicht, meinen Grossvater zu überreden, es ihm nachzumachen, auf seinen Fahneneid zu pfeifen und die Biege zu machen.
Meine Mutter, kaum ein Jahr alt, lernte also ihren leiblichen Vater nie kennen und wurde zusammen mit ihrer älteren Schwester Halbwaise. Keine zwei Jahre später stand die Ortskommandantur unter polnischer Leitung vor ihrem Elternhaus, um selbiges in Besitz zu nehmen. Meine Großmutter und ihre mit ihr zusammenlebenden Schwestern ( Die Ehemänner und Väter alle im Krieg oder Gefangenschaft geblieben) und deren Kinder bekamen zwei Stunden zum Packen, Zehn Kilogramm Gepäck pro Haushalt, dann Abreise per Eisenbahn nach Westdeutschland. Meine Oma und ihre Schwestern entschied sich für die Daunenbetten. Es war Winter und bitterkalt. Danach folgte eine dreitätige Reise nach Westen in ein Auffanglager für Flüchtlinge im heutigen Niedersachsen. Auf die Reisebedingungen will ich hier gar nicht erst näher eingehen. Ich weiß nur soviel, das es es in dem Waggon drei Tage lang dunkel geblieben sein soll und einen Eimer für ein paar Dutzend Personen für die Notdurft gab. Die ersten beiden, harten Winter in Westdeutschland überstanden Tanten, Grossmutter und Kinder Kälte und Hunger mit Zähigkeit und übermenschlicher Anstrengung. Sie verdingten sich als Tagelöhner in der Landwirtschaft. Auch die Kinder. An ihrem 3. Weihnachtsfest erhielt meine Mutter einen Apfel und ein paar durchgebrochene Buntstifte. Die andere Hälfte der Buntstifte bekam ihre ältere Schwester.
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Oops. Das sollte eigentlich in "Meine Geschichte". Bitte verschieben. Danke
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Meine Grossmutter und meine Großtanten blieben also mit ihren Kindern in der Region, in die sie nach dem Krieg vertrieben worden waren.
Im Grunde konnte sich die ganze mütterliche Sippe gegenseitig nicht ausstehen, aber die Not und der tägliche Kampf ums Überleben schweißte sie in den ersten Nachkriegsjahren zusammen.
Viele Ehemänner eben dieser Frauen, die Väter ihrer Kinder, blieben auf dem Schlachtfeld zurück oder verschwanden ohne Rückkehr in der Kriegsgefangenschaft und so verbandelten sich die Frauen dort neu. Mit Beginn der ehelichen Rollenverteilung hatte auch die größte Not endlich ein Ende gefunden und man mußte wenigstens nicht mehr ständig hungern wie bisher.
Auch meine Großmutter lernte jemanden kennen, einen Stahlgiesser, der sich für bescheidenen Lohn seinen Schweiß am Hochofen aus den Poren presste. Als meine Oma dann Mitte der fünfziger Jahre wieder schwanger wurde, liess sie endlich meinen leiblichen Großvater für tot erklären, von dessen karger Kriegswitwenrente sie bis dahin gezehrt hatte und so bekam meine Mutter auch offziell mit der Eheurkunde einen Stiefvater.
Die neue Familie lebte weiterhin in äußert bescheidenen finanziellen Verhältnissen, so daß meine Oma auch weiterhin bis spät in die Nacht Nadel und Faden schwingen mußte. So lernte meine Mutter auch das Kochen nicht, weil meine Großmutter Angst hatte, das ihre Tochter das Essen verderben würde und einen zweiten Versuch konnte die Haushaltskasse einfach nicht verkraften. Meine Oma war wegen der durch die Kriegsfolgen erlitteten Traumata sehr streng, sie geizte auch nicht mit körperlicher Züchtigung an ihren Kindern. Alles, was ihr zusätzliche und kostenintensive Arbeit machte oder den Haushaltsetat unnötig schmälerte, ahndete sie mit unerbittlicher Härte und ihr Gatte tat es ihr gleich. Unnötiges Verschmutzen der Kleidung, ein Loch in der neuen Hose, Beschädigung von Hausrat oder Verlust von Gegenständen oder unerlaubter zusätzlicher Lebensmittelkonsum aus der Speisekammer führten zu drakonischen Strafen, meistens in Form einer deftigen Tracht Prügel. Nach Großmutters Auffassung waren alle Menschen, welche diese natürlichen Zusammenhänge nicht begriffen, daß jede Nachlässigkeit in der Disziplinierung ihrer Kinder wieder unweigerlich in eine Hungersnot führen mussten, komplette Idioten. Das ging später sogar fast so weit, das sie ihren erstgeborenen Kindern nicht einmal mehr den Dreck unter dem Fingernagel gönnte. Auch war Bildung war kein so grosses Thema in dieser Familie, Bildung war nach dortiger Auffassung für das Stillen der menschlichen Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Schlafen in jeder Hinsicht einfach nur hinderlich, daher waren besonders die vergeistigten Menschen meiner Großmutter ein Greuel. Zusammenfassend kann man sagen, daß es sich bei meiner Oma um eine sehr engstirnige Person handelte.
Wenn Oma die Wahl gehabt hätte zwischen Meyers großem Handlexikon und einem leckeren Mittagessen, dann hätte sie sich sicher für das Essen entschieden, die getätigte Mahlzeit konnt ihr im Gegensatz zu der blöden Enzyklopädie niemand mehr wegnehmen.
Erst sehr spät realisierte sie, daß ein bisschen Bildung ihren Kindern auf dem Weg in einen auskömmlichen Beruf nicht schaden könnte.
Auf keinen Fall wollte sie die hungrigen Mäuler länger als nötig am Rockzipfel hängen haben. So gestattete sie meiner Mutter später den Besuch einer weiterführenden Handelsschule.
Meine Tante, mittlerweile eine adrette und herangewachsene junge Dame geworden, hielt irgendwann den spießigen und gewalttätigen Alltag ihres Elternhauses nicht mehr aus und flüchtete mit ihrer Liebschaft, einem einfachen britischen Soldaten, nach Großbritannien. Das ihre älteste Tochter damit quasi mit den Besatzungsmächten paktierte, hat ihr meine Oma lange Zeit sehr Übel genommen und fluchte dazu lauthals wie ein Bierkutscher. Aber damit rückte meine Mutter an die Stelle der ältesten Tochter des Haushalts und bekam sogleich und vornehmlich deren bisherige Pflichten aufgehalst, z. B., auf ihren jüngeren Bruder aufzupassen.
Als meine Mutter in das Alter kam, an dem gleichaltrige Jungen für sie interessant wurden und sich auch die Jungen für sie mehr interessierten als bisher, wurde Großmutters Regiment noch rigider und strenger als ohnehin schon. "Bring mir bloß kein Balg nach Hause!" brüllte Sie aus dem Küchenfenster ihrer Wohnung lehnend, über die ganze Straße hinweg ihrer Tochter nach, wenn meine Mutter zu den wenigen von den Eltern gestatten Tanzteeveranstaltungen des Ortes ging. Mit dieser mütterlichen Anweisung konnte meine Mutter aber gar nichts anfangen. Sie war von meiner Großmutter nie über Sexualität aufgeklärt worden. Über solche Dinge, "Schweinkram", durfte Zuhause einfach nicht gesprochen werden.
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Nur wenige Jahre, bevor meine Mutter dann ihre Volljährigkeit erreichte, hörten endlich die elterlichen Gewaltorgien
auf. Es war schon etwas anderes, ob man ein kleines Kind mit verheultem Gesicht zur Schule schickte, oder eine fast erwachsene junge Frau.
Jedenfalls schwor sich da meine Mutter, falls sie jemals Familie haben sollte, sollten ihre Kinder es besser haben als sie und auch nicht in mit diesem an Geiz grenzenden Sparttrieb wie der ihrer Eltern, aufwachsen müssen.
Man muß schon sagen, daß meine Mutter in ihren jungen Jahren vom Aussehen her ein wirklich heißer Feger war und die Herren der Schöpfung auf jeder Festveranstaltung um ihre Gunst buhlten. Als Kontrapunkt zu ihrem Elternhaus war es da natürlich vorteilhaft, wenn
die Verehrer finanziell nicht so eng auf Kante genäht waren. So kam meine Mutter u. a. auch in den Genuß, als eine der ersten jungen Damen des Landkreises mit einem Porsche im Morgengrauen nach Hause kutschiert zu werden.
Dann lernte meine Mutter bei ihren Ausflügen in die Partyszene der frühen sechziger Jahre meinen Vater kennen. Der hatte zwar selber weder Statussymbole, noch ein dickes Konto vorzuweisen, aber er war ein begabter Rethoriker und routinierter Charmeur. Seine wohlhabenden Eltern, insbesondere seine Mutter, ermöglichten ihm ein finanziell unbeschwertes Leben.
Mein Vater war das jüngste von insgesamt vier Kindern seiner Eltern. Die gehörten zu einer angesehenen Familie der hiesigen Stadt, sein Vater war Gymnasiallehrer und Chorleiter, seine Mutter bildete Hauswirtschafterinnen aus. Sie besaßen einige Grundstücke. Die Familie meines Vaters bestand damals zum grössten Teil aus Akademikern, Kaufleuten oder Staatsbediensteten gehobener Laufbahn und das schon seit der Zeit, als Preußen noch ein Königreich war. Der dokumentierte Stammbaum soll bis auf Spielleute aus dem 15. Jahrhundert zurück gehen.
Die meisten Familienmitglieder waren nach dem 2. Weltkrieg durch ihren Grundbesitz schnell wieder vermögend geworden. Einige von Ihnen betrieben ein gutgehendes Feinkostgeschäft sowie einen Spirituosenhandel in der Stadt.
Mein Großvater väterlicherseits war kein Kind von Traurigkeit und verlebte seine Zeit gerne in der Kneipe um die Ecke oder am Stammtisch mit den anderen Chormitgliedern. Er war ein großer Freund von Tabak und Alkoholika aller Art. Soweit ich das heute beurteilen kann, hatte er bereits geplant, seine Familie zu verlassen und mit einer anderen Frau ein neues Leben anzufangen, mit der er ein aussereheliches Kind hatte, was übrigens erst viel später bekannt wurde.
Diesen Plan machte allerdings die Geburt meines Vaters zunichte. Eine Frau mit drei Kindern und einem Säugling hätte mein Opa nicht verlassen können, ohne gesellschaftliche Ächtung zu erfahren.
So mußte er sich damit begnügen, sein aussereheliches Kind heimlich zu alimentieren. Für diesen Umstand hat er insgeheim meinen Vater verantwortlich gemacht und ihn dafür mit Nichtachtung gestraft. Opa war bereits mitte Vierzig, als mein Vater zur Welt kam und er konnte sich vermutlich nicht mehr damit anfreunden, sich mit einem kleinen Kind aus einer ungeliebten Ehe zu beschäftigen.
Mein Vater wurde somit hauptsächlich am Rockzipfel seiner Mutter groß. Darüber hatte seine Mutter ein sehr schlechtes Gewissen und
wurde meinem Vater gegenüber sehr nachsichtig und verhätschelte ihn, bis in das Erwachsenenalter hinein. Selbstverschuldetet monetäre Problemlagen meines Vaters hat sie später häufig unbürokratisch ausgebügelt.
Meine Oma wollte aber auch nicht den Rest ihres Lebens als Strohwitwe und Glucke versauern und so bekam mein Vater mit zwölf oder dreizehn Jahren den Haustürschlüssel um den Hals gehängt.
Ich habe meine Großmutter väterlicherseits, wie auch ihren Gatten, nicht mehr persönlich kennen gelernt. Sie starb ein Vierteljahr nach meiner Geburt. Sie soll aber jedenfalls eine großmütige, lliebenswerte und lebenslustige Frau gewesen sein, die den Frust über ihre eingeschlafene Ehe mit einer überdurchschnittlichen Zuführung von Kalorien kompensierte. Ein für sie riskantes Hobby, denn sie war zuckerkrank.
Mein Vater war also ab einem gewissen Zeitpunkt von seinen Eltern weitgehend sich selber überlassen, er mußte und wußte keine Verantwortung zu übernehmen, weil das seine Mutter für ihn tat und so schaffte er mehr Schlecht als Recht seine Ausbildung zum Großhandelskaufmann, ansonsten führte er ein Leben in der Art eines Gigolos.
Nun wurde meine Mutter nicht lange nach dem Bekanntwerden mit meinem Vater schwanger, was zwar sowohl meinem Vater als auch meiner Mutter nicht passte, aber nicht mehr aus der Welt zu schaffen war.
Meine Mutter hätte sich wohl lieber einen verantwortungsvolleren Vater gewünscht und mein Vater wollte sich insgeheim nicht so früh binden. Die Beziehung stand einige Monate auf der Kippe, bis sich meine Eltern dann doch "zusammenrissen" und entgegen ihrer Bedenken beschlossen, ein Ehepaar zu werden. Es war damals für eine Frau gesellschaftlich problematisch, uneheliche Kinder zu haben und für meinen Vater wäre es reputationsmäßig auch nicht so gut gewesen, denn es war in der Volksmeinung genauso schlecht angesehen, eine schwangere Frau "sitzen" zu lassen. So trat meine Mutter dann hochschwanger mit meinem Vater in letzter Minute vor den Traualtar.
Für die Brautmutter war die Veranstaltung im Beisein der "bessergestellten" Familie meines Vaters eine höchst peinigende Angelegenheit und sie beleidigte die Teilnehmer der Feierlichkeit auf der Seite des Bräutigams nach Kräften. Sie hetzte darum auch ihren Gatten gegen die Familie des Bräutigams auf und so entstand recht schnell eine latente Angriffstimmung unter den Anwesenden der Hochzeitsgesellschaft, nur mit Mühe konnte eine Schlägerei verhindert werden. Unter diesen Vorzeichen starteten meine Eltern dann in ihr neues Leben als Ehepaar und Familie.
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Meine Eltern hausten zunächst, auch nach der Geburt ihres Kindes, in einer winzigen 2-Zimmerwohnung im Elternhaus meines Vaters.
Oma passte auf den Säugling auf und die Eltern gingen ihren Berufen nach. Da mein Vater im Großhandel nur bescheiden verdiente, wechselte er in die Dienstleistungsbranche, zunächst in der Getränkezustellung, dann, weil das körperlich sehr anstrengend war, ins Versicherungswesen. Er hatte mitbekommen, wie man als Vermittler nach dem Abschluß eines Vertrags über eine Lebensversicherung wenigstens zwei Monate lang finanziell sorgenfrei leben konnte. Und das bei einem Aufwand von wenigen Stunden.
Mein Vater war schnell sehr erfolgreich in dem Gewerbe, gab das Geld, was er verdiente, aber auch sofort wieder aus und hielt oft auch seine Kumpels mit aus. Er führte ein rastloses (Nacht) Leben und lebte in der Ehe alles andere als monogam.
Als Konsequenz ging die Ehe wenige Jahre nach der Geburt des 2. Kindes in die Brüche. Das war Ende der sechziger Jahre. Der Richter urteilte salomonisch. Ein Kind zum Vater, eines zur Mutter. Unterhalt für die Mutter gab es nicht. Nur für das Kind.
In der Folge hatten dann aber beide Eltern Probleme, sowohl ihren Broterwerb als auch die Kinderbetreuung sicher zu stellen. Sie beschlossen daher, es noch einmal miteinander zu versuchen. Neu anfangen, irgendwo in der Provinz, wo sie keiner kannte.
Dann kam ich auf die Welt. Im Prinzip änderte sich aber nichts an der Lebenseinstellung meiner Eltern, es gab weiterhin finanzielle und
zwischenmenschlich tiefgreifende Probleme. Mitte der siebziger Jahre geriet meine Mutter an Leute, welche sehr vehement für Frauenrechte und Selbstverwirklichung eintraten. Sie bearbeiteten meine Mutter dahingehend, ihren Gatten zu entsorgen, man habe heute kein Patriarchat mehr nötig und die Problematik der Kinderbetreuung hatte sich durch den stetigen Ausbau von Kindergärten und anderen Goodies der SPD-Regierung mittlerweile entschärft.
So kam mein Vater eines schönen Tages von einem Kundentermin wieder und fand vor der Haustür zwei seiner Koffer und ein
ausgewechseltes Haustürschloss vor. Den Sommer dieses Jahres wohnte er dann auf einem Campingplatz.
Das alles kam für meinen Vater sehr plötzlich und noch bevor er realisierte, was da gerade passiert war, überrollten ihn die
Mühlen der Behörden. Er sah sich nun als Selbstständer auch noch exorbitant hohen Unterhaltsforderungen gegenüber und verfiel darauf hin erst einmal in einen lethargischen Zustand und sein ohnehin nicht geringer Alkoholkonsum stieg drastisch.
Das mein Vater plötzlich nicht mehr Teil der Familie war, wurde mir als fünfjähriger Rotznase mit dem Satz vermittelt:
"Deinen Vater will ich hier nicht mehr sehen!". Teileweise verstehen konnte ich das schon. Er war ja nicht gerade
ein Gentlemen zu meiner Mutter gewesen. Für mich war es eben nur alles ein bisschen schnell gegangen.
Als er uns Kinder mal über das Wochenende abholen wollte, zischte meine Mutter, als sie seinen PKW von Weitem herannahen sah:
"Alle runter auf den Boden, der Alte kommt!". Sie inszenierte ein absolutes Bedrohungsszenario. Dann liess sie im ganzen Haus die Jalousinen herunter und wir Kinder hatten auf sein dann folgendes Rufen, Klingeln oder Klopfen in keinster Weise zu reagieren. Ich meine, das wir sehr lange recht ängstlich so im Dunkeln verharrten.
Diese paramilitärische Übung ist mir auch nach über 35 Jahren immer noch stark im Gedächtnis geblieben.
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(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23-03-2015, 20:54 von pirat1975.)
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Danke. Man soll die Story nicht vor dem Ende loben, ich war ja noch gar nicht fertig. Habe aber gerade Schreibblockade
für Sachthemen und Tatsachenromane.
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Dann machen wir hier mal weiter.
Nachdem mein Vater also plötzlich und unerwartet "unbekannt verzogen" war, wie meine Mutter es gegenüber Dritten
ausdrückte, holte sie wohl einen Teil dessen nach, von dem sie wohl meinte, ihn all die Ehejahre verpaßt zu haben. Wirtschaftlich und
familiär ging es dabei stetig bergab. Meine Schwester kam in in eine Betreuungseinrichtung für behinderte Kinder und behinderte junge Erwachsene, weil sie nicht einmal mehr den Sonderschulabschluß schaffte. Sie kam dann nur jedes zweite Wochenende nach Hause. Zwischenzeitlich mußte mein älterer Bruder auf meine Schwester und mich aufpassen, wenn meine Mutter "auf Achse" ging oder abends kellnerte, um die Familienkasse aufzubessern.
Mein Bruder wollte aber nach einiger Zeit nicht mehr ständig die Nanny für seine Geschwister geben und uns bekochen, während seine Kumpels sich im Freibad austobten oder am Wochende um die Häuser zogen.
Nach einem "klärenden Gespräch" zwischen ihm und meiner Mutter, bei dem ein Teil unseres Küchenmobiliars zerstört wurde, zog er vorübergehend bei meinem Vater ein. Dort verbrachte er aber auch nur ein paar Wochen, nachts auf dem Sofa, tagsüber auf der Straße.
Schliesslich landete er, nachdem er einige Zeit mit Schaustellern unterwegs war und dies bis zu seiner Volljährigkeit, in einem Heim für schwer erziehbare Kinder, wo er eigentlich nicht wirklich hingehörte. Das habe ich allerdings erst viel später erfahren. Im Sprachgebrauch meiner Mutter hielt er sich in einem "Internat" auf.
Meine Mutter nahm nun ein Studium der Sozialpädagogik auf. Ich wurde aus dem Kindergarten abgemeldet und verbrachte zusammen mit meiner Mutter, etwa achtzehn Monate, bis zu meiner Einschulung, in verschiedenen Hörsäälen in der hiesigen Fakultät. Meine Freunde sah ich in dieser Zeit kaum noch. Ich war von früh bis spät ausschliesslich von Erwachsenen umgeben, die ganz beeindruckt von meinem Sprachschatz waren. Kein Wunder, denn mangels Alternativen mußte ich ja versuchen, den Vorlesungen an der Uni zu folgen, um nicht vor Langeweile zu sterben.
Vor lauter Eintönigkeit lernte ich sogar noch vor meiner Einschulung das Lesen und zu meinem 6. Geburtstag bekam ich "Meyers grosses Handlexikon" (welche Auflage, das ist mir gerade entfallen), das ich mit Begeisterung verschlang. Der Nachteil an dieser Entwicklung war, daß ich Probleme bekam, mit gleichaltrigen Kindern zu kommunizieren. Wem im Gespräch die Argumente ausgehen, der verleiht seiner Meinung auch mal mit Gewalt Nachdruck und das war die Lektion, die ich dann über lange Zeit immer wieder von meinen Altersgenossen schmerzlich lernen mußte.
Meinen Vater sah ich alle vierzehn Tage über das Wochenende. Manchmal auch nur alle vier, oder alle sechs Wochen. Entweder, weil er meine Schwester und mich nicht abholte, oder weil meine Mutter etwas anderes vorhatte und nicht bis zur Übergabe von uns Kindern warten wollte oder konnte. Ich war eigentlich auch gar nicht so wild auf diese Besuche bei ihm. Papa besuchte auch am Wochende seine Kunden und so mußte ich oft auf dem Rücksitz seines Autos warten, bis er seine Verträge unterschriftsreif verhandelt hatte. Das konnte durchaus schon einmal ein paar Stunden dauern. Gerade im Hochsommer nur bedingt stressfrei, nicht jeder Parkplatz hat einen schattenspendenen Baum im Angebot. Natürlich kann man auch seinen gemütlichen Platz mit Backofencharme auf dem Rücksitz verlassen und zu Fuß ein paar Runden um das Auto drehen, aber dann knallt einem die Sonne eben direkt ins Gesicht , der Gestank des dampfenden Asphalts beißt in der Nase und der Boden brennt unter den Füssen. Im Winter war es auch nicht besser. Aber da erbarmte sich wenigstens gelegentlich die Kundschaft meines Vaters und ich konnte irgenwo in einer Küche oder auf dem Flur des Interessenten warten. Das war zwar auch sterbenslangweilig, aber wenigstens nicht ganz so kalt wie die Wartezeiten mit meiner zu kurzen Wolldecke im Auto.
Das Haus, das mein Vater vor seinem "Auszug" angemietet hatte, war konnte sich meine Mutter nun auch nicht mehr leisten und zum ersten Mal in meinem Leben zog ich zu Beginn der 2. Klasse, Grundschule, mit meiner Mutter um. Zwar nur ein paar Kilometer weiter, aber das gewohnte Umfeld war weg. An diesem Punkt hatte ich echte Existenzängste und Angst vor der Zukunft. 60 Prozent meiner liebgewonnenen Familienmitglieder 1. und 2. Grades waren in meinem Alltag faktisch nicht mehr existent. Mein Heim, in dem ich bis dahin aufwuchs, mußten wir aufgeben. Bekannte Gesichter aus der Umgebung, liebe Nachbarn, alle nicht mehr da. Im neuen Wohnort hatte ich daher grosse Anschlußschwierigkeiten und heulte schon aus nichtigsten Anlässen, was meine Akzeptanz bei gleichaltrigen Kindern nicht gerade erhöhte. Ich entwickelte mit der Zeit ein grosses Anerkennungsbedürfnis. Ich war aber so sehr von meinen Ängsten gefesselt, das ich häufig unkonzentriert war. Als Ergebnis verschusselte ich in der Schule oft meine Hausaufgaben oder verpasste einige der wenigen Möglichkeiten zu einer Verabredung mit Klassenkameraden nach dem Ende des Unterrichts. Als Folge dessen war ich der Dauerkandidat zum Nachsitzen nach Schulschluß und damit als potentieller Verabredungsbeteiligter bei den Klassenmitgliedern schon gar nicht vakant.
Aber schon sieben Monate, nachdem wir erstmalig umzogen, ging es auch schon weiter in den nächsten Ort um die Ecke, so daß ich die Chance hatte, neu anzufangen. Es gab wohl Stress mit der Ehefrau des Vermieters, der ein Auge auf meine Mutter geworfen hatte und seine Zuneigung ihr gegenüber wohl zu deutlich an den Tag legte. Wie auch immer, irgendwie fing im neuen Ort in der Schule und in der Freizeit alles so an, wie es zuvor aufgehört hatte und so hatte die Rabaukenqlique des Schulhofs ihr neues Lieblingsopfer gefunden.
Um nicht jeden Tag vor den Schultoren vermöbelt zu werden, übernahm ich die Strategie von Forrest Gump ("Lauf, Forrest! Lauf!").
Ich wurde mit der Zeit unheimlich schnell und üpersprang als "Leichtgewicht" schliesslich sogar mühelos Distanzen an die sechs Meter. Samt Schultornister, wohlgemerkt. So konnte ich oft meine wasserscheuen Verfolger am anderen Ufer des hiesigen Mühlenbaches abschütteln.
Ein weiterer Vorteil war, daß ich durch meine regelmässige Flucht vor dem gewaltbereiten Mob natürlich auch den Schulbus verpaßte und die sechs Kilomter bergauf zu Fuß nach Hause ging, was meiner Kondition sicherlich nur zugute kommen konnte.
Selbstverständlich blieb den lieben Schulschlägern noch reichlich Gelegenheit, mir in den unbeaufsichtigten Momenten im Klassenzimmer eine kräftige Kopfnuss zu geben. Oder sie versuchten im Schulbus, mitunter erfolgreich, wenn eine enge Kurve die ganze Aufmerksamkeit des Fahrers forderte, mir einen kräftigen Tritt vor das Schienenbein oder einen Schlag in die Magengrube zu verpassen. Am demütigsten war es allerdings, wenn sie mich mehreren Leuten festhielten, mich dann samt Tornister auf den Kopf stellten und diesen öffneten. Der herauspurzelnde Inhalt wurde in Fußballmanier in der Gegend verteilt und das eingepackte Frühstücksbrot zum Pfannkuchen transformiert . Mit hochrotem Kopf mußte ich dann unter Jubel- und Schmährufen der Schülerschaft mein Zeug wieder in die Tonne kramen.
Beliebt war es bei meinen Peinigern auch, den Viktualiengehalt meines Tornisters zu prüfen und wenn zufällig eine Banane darin enthalten war, berherzt auf den Ranzen zu springen. Das war nicht nur eine demütigende Schweinerei, sondern auch sehr schmerzhaft, denn manches Mal hatte ich den Tornister dabei noch auf dem Rücken. Meiner Mutter, die oft mit ganz anderen Dingen beschäftigt war, wollte ich auf keinen Fall auch noch mit meinen "Integrationsschwierigkeiten" belasten und erfand irgendwelche Geschichten von meinem eigenen Mißgeschick. Mama schimpfte zwar etwas, weil sie die Bananenbrei aus dem Tornister entfernen mußte und auch, weil neue Hefte ohne Bananenschmadder fällig waren, aber damit hatte es sich. Ich habe übrigens noch heute drei große Atlanten mit Bananenaroma aus dieser Zeit. Meine Beschwerden bei den Lehrern wurden meistens damit abgetan, das ich mit meinen weinerlichen Attitüden die Schülerschaft zu so einem Verhalten geradezu herausforden würde. Einige Lehrkräfte waren davon sogar so genervt, daß sie mich mit ein paar zusätzlichen Hausarbeiten bedachten. Der erzieherische Gedanke dabei gab ihnen Recht. Danach habe ich niemals wieder einen Lehrer auf meine Probleme angesprochen.
Nach weiteren zwei Jahren, unsere Bleibe fing heftigst an zu schimmeln, zogen Mama, meine Schwester und ich erneut um. Wieder nur ein paar Kilometer weiter weg. Ich durfte meine bisherige Schule auch weiterhin besuchen. Diesmal tat sich meine Mutter mit einer befreundeten Alleinerziehenden zusammen, die eine pupertierende Tochter mit in die WG brachte. Meine Mutter kannte ihre Mitbewohnerin noch aus Schulzeiten. Der anfänglichen Euphorie wich die Erkenntnis, das die Freundin eine Radikalfeministin war. Einer ihrer Antworten auf meine kindlich gestellten Fragen, wie etwa die, "was mich zum Mann macht", war: "Mein lieber Sixteen Tons, bevor du ein Mann wirst, werde du doch erst einmal ein Mensch."
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Unsere neue WG sah über etwa zwei Jahre mal mehr, mal weniger glücklichen Zeiten entgegen und der Kontakt zu meinem Vater verfestigte sich etwas, er war in einer neuen Beziehung und hatte auch am Wochenende mehr Zeit für uns. Meine Schwester siedelte aus ihrer Betreuungseinrichtung um in unsere WG und begann eine Ausbildung in einer "beschützenden Werkstatt". Abgesehen davon, daß Mamas Freundin eine echte Männerhasserin war ("Männer sind alles Ratten!"), war es eigentlich eine ganz gute Zeit.
Ich lernte einen Haufen interessante Männer kennen, die meine Mama kennen lernten und für ihre Freundin gerade gut genug waren, handwerkliche Tätigkeiten in unserem Haus durchzuführen. Meistens wurden sie dann für ihre redlichen Bemühungen dermaßen getadelt, daß sie nicht wieder kamen.
Jedenfalls hatten wir ein großes Haus, ein Auto, eine Menge Platz und einen grossen Garten zum Spielen und Toben, nette Nachbarn und sogar einen Köter.
Neben meinem Hobby, dem Lesen, in dem ich in Fantasiewelten abtauchen konnte und in denen prügelnde Mitschüler nicht vorkamen, widmete ich mich auch immer mehr dem Zeichnen. Wahrscheinlich, weil ich zu der Zeit grösstenteils nur Comics las.
Hier entwickelte ich mit der Zeit große Fertigkeiten und durch Zufall entdeckte ich, daß den Leuten meine gezeichneten Geschichten gefielen.
So wurde ich bereits im zarten Alter von 11 Jahren unternehmerisch tätig und gründete eine Art Schülerzeitschrift. Mit der schaffte ich es sogar in die lokale Presse, was mir und der auf mittlerweile drei Personen angewachsenen Redaktion eine grössere Auflage bescherte.
Nebenbei fing an Taekwondo zu betreiben, damit ich endlich fähig wurde, mich gegen die zunehmenden Attacken des Schulhofproletariats
zu wehren. Allerdings überschätzte ich meine Fähigkeiten, als ich kurz nach Beginn des Trainings mit einer grösseren Gruppe gewaltbereiter Mitschüler konfrontiert war und bezog dermaßen Prügel, daß ich ein paar Tage das Bett hüten mußte. Konsequenzen für die Angreifer hatte das nicht, es gelang ihnen sogar tatsächlich, sich als Opfer darzustellen und plötzlich war ich für das Kollegium meiner Schule der ewige Querulant. Das resultierte vermutlich daraus, weil ich die höchste Belegungsquote im Sanitätsraum der Schule für mich beanspruchen konnte.
Also änderte ich meine Strategie dahingehend, daß ich ein paar bereitwillige Schläger der höheren Schuljahrgänge zu meinem Schutz anheuerte und diese aus den Erlösen meiner Unternehmung bezahlte. Das funktionierte dann einige Zeit recht gut und ich hatte endlich mal wieder eine schöne Periode körperlicher und psychischer Unversehrtheit.
Nach zwei Jahren zerstritten sich Mama und ihre Freundin und es gab einen Rosenkrieg á la Femme. Als erstes ließ die Männerhasserin ohne Notwendigkeit den Köter einschläfern, was uns sehr schmerzte, war er doch für uns wie ein vollwertiges Familienmitglied.
Es folgten noch einige andere wirklich hässliche und destruktive Aktionen, die ich hier nicht alle wiedergeben will, aber schliesslich waren wir gezwungen, die Flucht anzutreten und zogen wieder einmal ein paar Mülltonnen weiter.
In der neuen Wohnung mußten wir ungelogen bei Null anfangen, das Mobiliar meines Kinderzimmers bestand aus einer Matratze und meinem Kassettenrekorder, in Mamas Schlafzimmer sah es auch nicht besser aus. Die Küche bestand aus einem Fonduetopf. Der Rest ging zuvor im Auftrag der Männerhasserin in den Sperrmüll. Meine Schwester mußte Mama dann notgedrungen wieder für einige Zeit in einer Einrichtung für behinderte Kinder und Jugendliche unterbringen.
"Du Mama. Wenn Papa tot ist kauf ich mir meinen eigenen Ponyhof!" - CosmosDirect Lebensversicherung, 2007
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Hier muß ich auch mal wieder Staub wischen. Der letzte Post hat ja schon fast Geburtstag.
Während Jürgen von der Lippe mit seinem Song "Guten Morgen, liebe Sorgen" in die Charts einstieg, krempelten wir in der neuen Wohnung die Ärmel hoch und fingen wieder von vorne an. Nach ein paar Monaten war es auch wieder wohnlich, meine Schwester wieder eingezogen, jeder ein eigenes Zimmer. In der Schule lief es bei mir immer schlechter, ich bekam den Anschluß einfach nicht, trotz Nachhilfe. Häufig hatte ich grippale Infekte, mal mehr oder weniger heftig und hatte so auch noch entsprechende Fehlzeiten. Das Pensum wurde uneinholbar und unerreichbar und Dauerfrust machte sich breit. Meine Mutter war überfordert und konnte nicht helfen. Ich kam irgendwann nur noch zum Essen oder zum Schlafen nach Hause, weil meine Mutter und ich uns sonst gegenseitig an die Gurgel gegangen wären. In der Schule war ich weiterhin der Außenseiter und die paar Freunde, die blieben, waren eigentlich nicht gut für mich. So wechselte ich konsequent die Schulform weiter nach unten, um nicht sitzen bleiben zu müssen.
Aber auch an der neuen Schule blieb alles wie gehabt. Ich eckte auf dem Schulhof, genauso wie mit dem Kollegium, oft an und die Noten blieben miserabel, bis ich wieder einmal nicht versetzt wurde. Zwischenzeitlich wollte ich auch von zuhause abhauen und versteckte mich einen Tag lang. Während schon Polizei und Feuerwehr mit Großaufgebot in der Dämmerung nach mir suchten, telefonierte ich mit meinem Vater, in der Hoffnung, das er mich aufnehmen würde. Aber er ließ mich abblitzen und empfahl mir, wieder zu meiner Mutter zurückzugehen (damit der Ärger nicht noch grösser wird). Auf dem Rückweg wurde ich schon von einer Polizeistreife eingesammelt und war ein paar Tage lang das Ortsgespräch, weil auch die Zeitung darüber berichtete.
Trotzalledem wurde das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir immer schlechter und das zu meinem Vater immer besser und ich bekam in der Zeit von ihm viele wertvolle Ratschläge und Anregungen für mein weiteres Leben. Während mein alter Herr mit seiner Next in bescheidenem Wohlstand lebte und die sich dafür auch krumm legten, saß ich mit meiner Mutter in ihrer damals destruktiven Art auf dem Ast, den sie selber mit großem Elan absägte.
Schliesslich wurden meine Stiefmutter und mein Vater sich doch einig, mich aufzunehmen und ich blieb zu Beginn der Sommerferien einfach dort. Meine Mutter war natürlich dagegen, das Ganze ging (mal wieder) vor Gericht. Ich wurde vom Jugendamt im Beisein meines Vaters und meiner Stiefmutter befragt und nach Vorlage des Berichts vom JA wurde vom Gericht beschlossen, das ich bei meinem Vater bleiben durfte. Meine Mutter bekam als Auflage 6 Monate Kontaktverbot, damit ich "zur Ruhe" kommen konnte.
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Und wieder ist ein Jahr herum. Man staunt.
Das erste Jahr bei meinem Vater war schwer für mich. Wir verstanden uns zwar ganz gut, aber er und seine neue Frau gaben sich auch recht streng mit mir. Das war zugegebenermaßen wohl auch notwendig, denn schulisch war es schon 10 nach Zwölf geworden. Nach 6 Monaten wollte ich wieder zurück zu meiner Mutter, weil ich mit Auflagen, Regeln und der "liebevollen" Strenge der Beiden nicht klar kam. Ich hatte zwischenzeitlich zwar ein paar neue Freunde gefunden, aber in etwa doppelt bis dreimal soviele Leute, die mir gerne das Leben schwer machen wollten. Es wurde dann ein Jugendamtsfuzzi einbestellt und der hat mir dann erst mal erklärt, daß hin und her nicht drin wäre und ich aus der Nummer jetzt nicht mehr raus könnte.
Naja, irgendwie habe ich mich dann doch mit den Gegebenheiten arrangiert. Schulisch fing es auch wieder an zu laufen und dann liessen mein Vater und meine Stiefmutter die Zügel auch etwas lockerer. Ich trieb mich ansonsten häufiger mit Gleichaltrigen herum, anstatt mich Zuhause mit meinem Vater und meiner Stiefmutter zu fetzen. Wir düsten mit unseren Mofas durch die Gegend, gingen am Wochenende auf Parties, was man eben so als Jugendlicher macht. Mit den Mädels lief in der Zeit bei mir aber so gut wie nichts. Ich war im Verhältnis zu den Altersgenossen immer noch anderthalb Köpfe kleiner und wurde von den Damen daher kaum wahr und erst recht nicht ernst genommen (Meinen letzten Wachstumsschub hatte ich mit Mitte Zwanzig!).
Schliesslich machte ich die mittlere Reife, dann höhere Handelsschule und mein Fachabitur. Danach begann ich meine kaufmännische Berufsausbildung, im Anschluß sollte ein betriebswirtschaftliches Studium folgen. In dieser Phase, in den frühen Neunzigern, begann mein Vater sein Geschäft, Versicherungsgewerbe, in den neuen Bundesländern aufzubauen. Das lief so gut, daß er in wenigen Wochen 2 Milllionen D-Mark Umsatz machte. Für ihn war aber Umsatz immer schon gleich Gewinn gewesen. Mit seinen Zahlen lieh er sich dann von den Banken noch ein paar hunderttausend Mark dazu, um zu investieren. Allerdings konnten die Leute wegen des Lohngefälles Ost/West die hohen Beiträge der Versicherungen gar nicht bezahlen und 60% seiner Aufträge gingen später in Storno. Das Finanzamt wollte natürlich auch Geld. Mein Vater war aber immer noch flüssig und der plötzliche, wenn auch sehr kurzfristige Reichtum, stieg ihm zu Kopf. So bestellte er beispielsweise eine ganze Flotte VW-Golf für seine Angestellten. Er residierte fast nur noch in der künftigen Bundeshauptstadt in den besten Häusern am Platze und brachte das geliehene Geld mit Parties, Hektkolitern Alkohol und vermutlich auch im Rotlichtmilieu durch. Er kümmerte sich so gut wie gar nicht mehr um seine Geschäfte. Das hatte zur Folge, daß seine Angestellten auch noch gerichtlich erfolgreich Lohnfortzahlungen durchsetzen konnten, obwohl gar nichts mehr zu tun war.
Hektisch und fassungslos betrieb meine Stiefmutter gleichzeitig Schadensbegrenzung, soweit das noch irgendwie möglich war. Mir fiel dann die ermüdende Aufgabe zu, für meine Stiefmutter seelsorgerisch tätig zu werden.
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Letztlich kam mein Vater dann wieder zurück aus Mecklenburg-Vorpommern. Nicht freiwillig, aber zwischenzeitlich hatte meine Stiefmutter es geschafft, ihn (mit Ankündigung) finanziell trocken zu legen und Kreditkarten sperren zu lassen.
Vorsichtshalber verbrachte meine Stiefmutter mit mir auch noch ein paar Tage in einem Ferienhaus, nachdem sie seine Mittel zu seinem eigenen und auch unserem Besten drastisch kürzte. Er war aber trotzdem bester Stimmung, als wir wieder heim kehrten. Schliesslich war es ihm gerade noch gelungen, 5.000 Mark mit einer eigentlich gesperrten Kundenkarte in einem Bekleidungshaus auszugeben.
In wenigen Monaten hatte er eine stolze Schuldensumme von 350.000 D-Mark eingefahren und keinerlei Gegenwerte vorzuweisen, wenn man von der eben erwähnten Bekleidung absah.
Da meine Stiefmutter auch gute Kontakte in die Vorstandsetagen der geldgebenden Banken hatte, durfte mein Vater seine privaten Lebensversicherungen an die Bank abtreten und die Darlehen wurden ohne Kündigung eingefroren. Wäre er offziell zahlungsunfähig geworden, hätte er als Versicherungs- und Finanzvermittler keinen müden Pfennig mehr verdient und die Gläubiger hätten auch keinen gesehen.
Den gewaltigen Schuldenberg vor Augen, hatte mein Vater immer weniger Antrieb, überhaupt wieder Geld zu verdienen. Die Erlöse aus den Bestandsprovisionen wurden regelmässig in Weinbrand, Likör und Bier umgesetzt. Neue Verträge gab es nur noch selten. Dafür machte sich seine Frau nebenberuflich selbstständig in einem Strukturvertrieb für Modeschmuck. Das sogar zeitweise äußerst erfolgreich. Allerdings arbeitete sie dann insgesamt teilweise 14-18 Stunden am Tag. Ohne ihren beruflichen Einsatz wären ihr Haus, Kreditzinsen für seine Schulden, etc. nicht mehr bezahlbar gewesen. Nach ihrer Aussage ging ihr gutes Gehalt als Chefsekrekrätrin im Bankenvorstand komplett für die fixen Kosten drauf und von dem Erlös ihres Nebengewerbes lebten wir. Jetzt fühlte sich mein Vater noch mehr unter Druck, weil ihn seine Frau beruflich längst abgehängt hatte. Wenn auch zu einem irrsinnigen Preis auf Kosten ihrer Gesundheit. Natürlich forderte sie ihn auch immer wieder auf, seinen Teil beizutragen. Erfolglos.
Mittlerweile konnte ich ihn als Erziehungsberechtigten auch nicht mehr ernst nehmen. Zeitweise, wenn er einen in der Mütze hatte, dann lachte er meine Stiefmutter in ihrer Gegenwart sogar noch aus. Sie wäre ja selber schuld, so blöd zu sein und ihn noch mit durchzufüttern.
Aber so f..t wie sie wäre, würde sie eben auch keinen anderen mehr abbekommen. Meine Stiefmutter hört Anspielungen auf ihre Figur überhaupt nicht gerne und ich hoffe, sie wird das hier niemals lesen. Vermutlich war es ihr damals nicht anders möglich, als ihren Frust buchstäblich herunterzuschlucken. Bei ihrem Arbeitspensum brauchte sie auch nun einmal einiges an Kalorien.
Zwischenzeitlich habe ich meine Stiefmutter mal gefragt, warum sie denn diesen Spaßvogel nicht einfach vor die Tür setzt.
Da meinte sie, wenn sie das tun würde, dann würde er sich in die Gosse saufen und sie müsste dann noch für ihn, nachdem er endgültig ein Pflegefall geworden wäre, für ihn aufkommen. In dem Fall wäre ihr der jetzige Zustand lieber.
Das letzte bisschen Respekt vor meinem Vater ging abhanden, als er später auch noch versuchte, meine erste feste Freundin ins Bett zu bekommen. Gegenüber meiner Stiefmutter hat er das natürlich abgestritten. Ab diesem Zeitpunkt haben ich mich mit meinem Vater nur noch gestritten, wenn wir uns sahen. Besonders schlimm fand ich es, daß die Alkoholkrankheit meines Vaters totgeschwiegen werden musste, obwohl es wirklich jeder um uns herum mitbekam.
Nach Abschluß meiner kaufmännischen Ausbildung wurde ich in Deutschlands Norden zum Vertriebsinnendienst versetzt und erstmals hatte ich wirklich das Gefühl von uneingeschränkter Freiheit. Endlich war es vorbei, daß mich die ganze Straße über die Alkoholexzesse meines Vaters ansprach. Ich hatte eine nette kleine 40qm Bude im Norden Hamburgs, und kam ganz gut mit den Nachbarn ins Gespräch. Häufiger wurde ich von einer jungen Mutti zum Essen eingeladen, ihre Lebensgefährte saß daneben, liess sich von vorne bis hinten bedienen. Ich fand ihn trotzdem amüsant. Ein Hüne von einem Kerl und er hatte eine sehr athletische Figur. Dafür aber eine hohe Falsettstimme à la Antony Hegarty, die überhaupt nicht zu seiner imposanten Statur paßte. Wenn er außer Haus war, leerte sie flaschenweise Kornbrand und ich machte mir Gedanken über ihre Tochter im Kleinkindalter.
Als sich die beiden eines Tages mit großem Hallo in ihrer Wohnung fetzten, flüchtete sie in meine Wohnung. Von meinem Flur aus forderte Sie per Telefon einen Polizeieinsatz an, während ich mir ausmalte, daß der Hüne die Wohnungstür aus Speerholz mit Leichtigkeit zermalmte und mich auf dem Boden zertrat. Dann rückte ein Polizistenpärchen aus, er ging zu dem Hünen in ins Wohnzimmer und sie zu meiner Nachbarin in meiner Wohnung. Ich wurde von der Polizistin dann aus meiner eigenen Wohnung hinauskomplimentiert (man habe etwas zu besprechen) und ehe ich mich versah, stand ich im Treppenhaus und die Zentralbeleuchtung wurde abgeschaltet und so stand ich da eine ganze Weile im Dunkeln. Schliesslich gab es dann noch eine polizeiliche Familienzusammenführung und am nächsten Tag waren meine Nachbarin und der Hühne wieder ein Herz und eine Seele. Für mich war das ein weiteres Indiz, von Heirat und Familie abzusehen.
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