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OLG Dresden 24 UF 342/09: Kein Mindestunterhalt, wenn Einkommen nicht reell erzielbar
#1
Beschluss vom 21.10.2009

Der Beklagte ist als Vater zweier minderjähriger Töchter verpflichtet, jede ihm zumutbare Anstrengung zu unternehmen, um seinen Kindern den Mindestunterhalt zahlen zu können. Dass der Beklagte diese ihm zumutbaren Anstrengungen nicht übernommen hat, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Ob und inwieweit er sich tatsächlich beworben hat, bleibt im Dunkeln. Voraussetzung für eine Verurteilung zur Zahlung von 100 % des Kindesunterhalts ist jedoch weiterhin die Überzeugung, dass es dem Unterhaltspflichtigen möglich wäre, bei Einsatz aller seiner Fähigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, um den Unterhalt zu zahlen. Das vom Beklagten erzielbare Einkommen hat das Familiengericht zutreffend mit 1.000,00 EUR angenommen.

Der Senat sieht nicht, dass es dem Beklagten möglich sein wird oder in der streitigen Zeit seit dem 10.09.2007 möglich gewesen wäre, ein höheres Einkommen zu erzielen ...

http://openjur.de/u/31679-24_uf_342-09.html

Er wurde daher zu monatlich je 50 EUR Kindesunterhalt verurteilt.
Habe die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst.
Habe den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst,
und habe die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.
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#2
Naja, der Vater ist langjährig arbeitslos, früher nur Hilfsarbeiterjobs, unqualifiziert, hat nicht einmal einen Führerschein. Selbst die 100 EUR Unterhalt sind utopisch, denn sie basieren auf fiktivem Einkommen. Im Grund geht es für ihn nur darum, wie schnell die Schulden anwachsen und für die Anwälte um den höheren Streitwert. Und das alles kann dem "Pflichtigen" herzlich egal sein, er ist eh dauerhaft ruiniert.
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#3
Wenn er wieder einen Job hat, käme Insolvenz (s. BAG-Urteil), vielleicht sogar Verwirkung (s. AG Sondershausen) in Frage.
.
Habe die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst.
Habe den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst,
und habe die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.
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#4
Eine fiktive Gehaltserhöhung von 22 1/2% würde, allgemein angewendet, einige Ungerechtigkeiten in D ausräumen - z.B. bei den ach so sehr benachteiligten Frauen.
Auf diese abwegige Idee kommt natürlich niemand, damit der Ex nicht am Ende noch einen Anspruch auf AU geltend machen kann.

Hat er im Verlauf des Verfahrens eine anteilige Betreuung seiner Kinder angeboten oder ist er hierfür nicht geeignet, weil er als gelernter Feinmechaniker einfach nicht mit Menschen umgehen kann?

Zitat:Die Vielzahl der von den Klägerinnen vorgelegten Stellenangebote widerspricht dem nicht.
Ich kann mir gut vorstellen, wie Mutti mit den beiden 9- und 12-jährigen Töchtern am Küchentisch die Käseblätter zerschnippelt um denen zu verdeutlichen was für ein mieser Loser deren Erzeuger doch sei ...
Zudem hatte Mutti vor Prozessbeginn gewiss auch das Interview mit RAin Mosel, in der brigitte gelesen und frohen Mutes ihre Helferschar zusammengetrommelt.

Im Übrigen gilt im Gegenzug auch für die unterhaltsberechtigten Damen: Wenn diese nichts sind, dann brauchen die auch nichts mehr werden und kassieren, Leistungsfähigkeit vorausgesetzt, bis zu lebenslänglich.
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#5
OLG Celle, Urteil vom 14.08.2009, Az. 21 UF 67/09

Insolventem Kindesunterhaltspflichtigen ohne Erwerbschancen können trotz Erwerbsobliegenheit keine fiktiven Einkünfte zugerechnet werden
http://www.jurion.de/login/login.jsp?goT...d=1-349059
Habe die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst.
Habe den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst,
und habe die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.
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#6
(19-01-2010, 15:00)borni schrieb: OLG Celle, Urteil vom 14.08.2009, Az. 21 UF 67/09

Insolventem Kindesunterhaltspflichtigen ohne Erwerbschancen können trotz Erwerbsobliegenheit keine fiktiven Einkünfte zugerechnet werden
http://www.jurion.de/login/login.jsp?goT...d=1-349059

Find ich aber mächtig gut, ziehe ich mir später ganz rein, danke fürs reinstellen. Sieht ganz nach meiner Kategorie aus. Tongue

Bis später
Der Köter
---------------------------
Bingo !
Der Weg ist das Ziel
(und wer vom Weg abkommt lernt die Gegend kennen)
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#7
Resignation von Richtern ist selten zu lesen :-) Wahrscheinlich haben die Richter einfach keine Lust gehabt, auch noch Staatskosten für sinnlose Vollstreckungen zu produzieren, denn "Dies gilt insbesondere im Fall bestehender Insolvenz und eines laufenden Strafverfahrens, das die Verhängung einer Haftstrafe erwarten lässt."

Mit dem Wort "Haftstrafe" können sogar Richter etwas anfangen und dass ein Insolventer ohne Chancen auf dem Arbeitsmarkt, der bald im Gefängnis sitzt etwas zahlen würde, naja, um das zu glauben muss man schon *sehr* sonniges Gemüt haben, sonniger als alles was im trüben Celle scheint.
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#8
Zu dem Urteil des OLG Dresden gibt ein OLG-Richter einige Hinweise für die Praxis:

"Insoweit bietet der Beschluss des OLG Dresden gute Anhaltspunkte für eine den individuellen Verhältnissen gerecht werdende Beurteilung. Neben dem erlernten Beruf hat die weitere Erwerbsbiographie besondere Bedeutung. Wer jahrelang nur noch einfache Hilfsarbeiten verrichtet hat, wird nicht mit einer Anstellung im früheren Ausbildungsberuf rechnen können.
In diesem Zusammenhang sind die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit ebenso aufschlussreich wie die aufgrund fehlender Fahrerlaubnis stark eingeschränkte Stellenauswahl. Der jeweils erzielbare Stundenlohn bietet eine verlässliche Basis für die Bemessung eines fiktiven Einkommens. Ein Unterhaltsschuldner sollte anhand der Tariflöhne konkret darlegen, welche Vergütung er zu erwarten hätte und welches Nettoeinkommen er hieraus erzielen könnte. Für ungelernte Arbeitskräfte werden verbreitet die auch vom OLG Dresden herangezogenen Stundenlöhne zwischen 7,50 € und 8,00 € gezahlt. Aktuelle Informationen finden sich im Tarif-Archiv der Hans-Böckler-Stiftung (www.boeckler.de)."

http://www.juris.de/jportal/portal/t/mje...s.Maximize (der Link wird nur etwa 4 Wochen zur Verfügung stehen)
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#9
Ähnliche Rechnungen hat ja das OLG Köln und andere schon mal vorgelegt. Bei 8 EUR Stundenlohn kommt man auf rund 1400 EUR brutto pro Monat, das macht ca. 1030 EUR netto. Bei 7,50 EUR sind es rund 990 EUR. Selbst wenn man nur einem einzigen Kind unterhaltspflichtig ist, kann man damit nicht einmal die Hälfte des Mindestunterhalts bezahlen. Und dabei sind noch nicht einmal 5% berufliche Aufwendungen eingerechnet.

Mangelfall, Mangelfall in jedem Stall :-)

Die Gerichte umgehen das trotzdem locker. Juris deutet es ja schon an: Beweispflicht liegt beim Pflichtigen. Und was ein Beweis ist, entscheidet das Gericht alleine. Die Hans Böckler Stiftung braucht es nicht zu interessieren, der Richter kann auch das bekannte Geschwallere vom Einzelfall ablassen und "konkrete" Nachweise vom Pflichtigen. Da man Nichtexistentes nicht beweisen kann, bleibt den gutversorgten Beamtenrichtern noch genug Raum, um ein "Mindestunterhalt!" in den Gerichtssaal zu donnern.
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#10
OLG Hamm 13 UF 83/09 vom 14.08.2009

Unterhaltspflichtiger mit einem Einkommen von nicht mehr als 900 € monatlich ist gegenüber seinen minderjährigen Kindern nicht leistungsfähig

Für den Beklagten kann nur ein Erwerbseinkommen angesetzt werden, das für ihn angesichts seiner Ausbildungs- und Erwerbsbiographie realistisch ist. Es ist nicht realistisch, für den Beklagten auch bei unterstellten zureichenden Erwerbsbemühungen ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 900,- € anzunehmen.
Der Umstand, dass der Beklagte seit August 2008 mit seiner Lebensgefährtin zusammen lebt, rechtfertigt keine Herabsetzung des Selbstbehalts.

http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/...90814.html
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und habe die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.
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#11
Wie großzügig, einem schwerkranken Arbeitsunfähigen ohne Ausbildung, der nur Sozialgeld hat kein fiktives Einkommen anzurechnen. Immerhin ist es für die Justiz möglich, denn das Amtsgericht Münster hat ihn zu Unterhalt verurteilt.
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#12
Die Krankheit hat hier überhaupt keine Rolle gespielt, denn es heißt:

Selbst wenn man den Beklagten in gesundheitlicher Hinsicht für uneingeschränkt erwerbsfähig halten würde und wenn man für ihn wegen Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit als Unterhaltspflichtiger fiktiv ein Einkommen aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit ansetzen würde, ist der Beklagte unter Berücksichtigung des ihm zustehenden notwendigen Selbstbehalts von 900,- € monatlich nicht leistungsfähig.
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#13
Die Erwerbsunfähigkeit war nicht verfahrensentscheidend, stimmt, aber wurde in der Begründung trotzdem relativ ausführlich thematisiert, bis hin zu einem persönlichen Eindruck der Richter vom Vater. Das Gericht wollte auch die Felder des Falls beleuchten, die nicht entscheidend waren, weil bereits andere schwere Gewichte die Waage zu einer Seite hin neigten.
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