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Vater werden ist nicht schwer, Vater sein...
#12
Letztlich kam mein Vater dann wieder zurück aus Mecklenburg-Vorpommern. Nicht freiwillig, aber zwischenzeitlich hatte meine Stiefmutter es geschafft, ihn (mit Ankündigung) finanziell trocken zu legen und Kreditkarten sperren zu lassen.
Vorsichtshalber verbrachte meine Stiefmutter mit mir auch noch ein paar Tage in einem Ferienhaus, nachdem sie seine Mittel zu seinem eigenen und auch unserem Besten drastisch kürzte. Er war aber trotzdem bester Stimmung, als wir wieder heim kehrten. Schliesslich war es ihm gerade noch gelungen, 5.000 Mark mit einer eigentlich gesperrten Kundenkarte in einem Bekleidungshaus auszugeben.
In wenigen Monaten hatte er eine stolze Schuldensumme von 350.000 D-Mark eingefahren und keinerlei Gegenwerte vorzuweisen, wenn man von der eben erwähnten Bekleidung absah.
Da meine Stiefmutter auch gute Kontakte in die Vorstandsetagen der geldgebenden Banken hatte, durfte mein Vater seine privaten Lebensversicherungen an die Bank abtreten und die Darlehen wurden ohne Kündigung eingefroren. Wäre er offziell zahlungsunfähig geworden, hätte er als Versicherungs- und Finanzvermittler keinen müden Pfennig mehr verdient und die Gläubiger hätten auch keinen gesehen.
Den gewaltigen Schuldenberg vor Augen, hatte mein Vater immer weniger Antrieb, überhaupt wieder Geld zu verdienen. Die Erlöse aus den Bestandsprovisionen wurden regelmässig in Weinbrand, Likör und Bier umgesetzt. Neue Verträge gab es nur noch selten. Dafür machte sich seine Frau nebenberuflich selbstständig in einem Strukturvertrieb für Modeschmuck. Das sogar zeitweise äußerst erfolgreich. Allerdings arbeitete sie dann insgesamt teilweise 14-18 Stunden am Tag. Ohne ihren beruflichen Einsatz wären ihr Haus, Kreditzinsen für seine Schulden, etc. nicht mehr bezahlbar gewesen. Nach ihrer Aussage ging ihr gutes Gehalt als Chefsekrekrätrin im Bankenvorstand komplett für die fixen Kosten drauf und von dem Erlös ihres Nebengewerbes lebten wir. Jetzt fühlte sich mein Vater noch mehr unter Druck, weil ihn seine Frau beruflich längst abgehängt hatte. Wenn auch zu einem irrsinnigen Preis auf Kosten ihrer Gesundheit. Natürlich forderte sie ihn auch immer wieder auf, seinen Teil beizutragen. Erfolglos.
Mittlerweile konnte ich ihn als Erziehungsberechtigten auch nicht mehr ernst nehmen. Zeitweise, wenn er einen in der Mütze hatte, dann lachte er meine Stiefmutter in ihrer Gegenwart sogar noch aus. Sie wäre ja selber schuld, so blöd zu sein und ihn noch mit durchzufüttern.
Aber so f..t wie sie wäre, würde sie eben auch keinen anderen mehr abbekommen. Meine Stiefmutter hört Anspielungen auf ihre Figur überhaupt nicht gerne und ich hoffe, sie wird das hier niemals lesen. Vermutlich war es ihr damals nicht anders möglich, als ihren Frust buchstäblich herunterzuschlucken. Bei ihrem Arbeitspensum brauchte sie auch nun einmal einiges an Kalorien.

Zwischenzeitlich habe ich meine Stiefmutter mal gefragt, warum sie denn diesen Spaßvogel nicht einfach vor die Tür setzt.
Da meinte sie, wenn sie das tun würde, dann würde er sich in die Gosse saufen und sie müsste dann noch für ihn, nachdem er endgültig ein Pflegefall geworden wäre, für ihn aufkommen. In dem Fall wäre ihr der jetzige Zustand lieber.
Das letzte bisschen Respekt vor meinem Vater ging abhanden, als er später auch noch versuchte, meine erste feste Freundin ins Bett zu bekommen. Gegenüber meiner Stiefmutter hat er das natürlich abgestritten. Ab diesem Zeitpunkt haben ich mich mit meinem Vater nur noch gestritten, wenn wir uns sahen. Besonders schlimm fand ich es, daß die Alkoholkrankheit meines Vaters totgeschwiegen werden musste, obwohl es wirklich jeder um uns herum mitbekam.
Nach Abschluß meiner kaufmännischen Ausbildung wurde ich in Deutschlands Norden zum Vertriebsinnendienst versetzt und erstmals hatte ich wirklich das Gefühl von uneingeschränkter Freiheit. Endlich war es vorbei, daß mich die ganze Straße über die Alkoholexzesse meines Vaters ansprach. Ich hatte eine nette kleine 40qm Bude im Norden Hamburgs,  und kam ganz gut mit den Nachbarn ins Gespräch. Häufiger wurde ich von einer jungen Mutti zum Essen eingeladen, ihre Lebensgefährte saß daneben, liess sich von vorne bis hinten bedienen. Ich fand ihn trotzdem amüsant. Ein Hüne von einem Kerl und er hatte eine sehr athletische Figur. Dafür aber eine hohe Falsettstimme à la Antony Hegarty, die überhaupt nicht zu seiner imposanten Statur paßte. Wenn er außer Haus war, leerte sie flaschenweise Kornbrand und ich machte mir Gedanken über ihre Tochter im Kleinkindalter.
Als sich die beiden eines Tages mit großem Hallo in ihrer Wohnung fetzten, flüchtete sie in meine Wohnung. Von meinem Flur aus forderte Sie per Telefon einen Polizeieinsatz an, während ich mir ausmalte, daß der Hüne die Wohnungstür aus Speerholz mit Leichtigkeit zermalmte und mich auf dem Boden zertrat. Dann rückte ein Polizistenpärchen aus, er ging zu dem Hünen in ins Wohnzimmer und sie zu meiner Nachbarin in meiner Wohnung. Ich wurde von der Polizistin dann aus meiner eigenen Wohnung hinauskomplimentiert (man habe etwas zu besprechen) und ehe ich mich versah, stand ich im Treppenhaus und die Zentralbeleuchtung wurde abgeschaltet und so stand ich da eine ganze Weile im Dunkeln. Schliesslich gab es dann noch eine polizeiliche Familienzusammenführung und am nächsten Tag waren meine Nachbarin und der Hühne wieder ein Herz und eine Seele. Für mich war das ein weiteres Indiz, von Heirat und Familie abzusehen.
"Du Mama. Wenn Papa tot ist kauf ich mir meinen eigenen Ponyhof!" - CosmosDirect Lebensversicherung, 2007

Quelle: http://de.wikiquote.org/wiki/Vater
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RE: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein... - von Sixteen Tons - 17-07-2017, 23:30

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