16-10-2010, 09:51
Die Ehe meiner Mutter war nach kurzer Zeit gescheitert.
Wenngleich sie sich nach eigener Aussage nichts hat zu Schulden kommen lassen, ließ sie sich als - damals suchte man noch eine/n Schuldige/n - schuldig am Scheitern der Ehe eintragen, um diese Angelegenheit so schnell wie nur möglich zu beenden.
Wer schuldig war, übernahm die Kosten der Scheidung.
Nach einiger Zeit standen für mich zwei weitere einschneidende Veränderungen an.
Mutti lernte, diesmal außerhalb meiner Reichweite, einen Mann kennen, der sie schwängerte und ich sollte auf´ s Gymnasium.
Meine Zeugnisse, meine soziale Herkunft, mein mittlerweile respektables Aggressionspotential, mein Aufmerksamkeitsdefizit sowie meine psychische Instabilität sprachen nicht unbedingt für einen solchen Weg, jedoch waren sich meine Lehrerinnen einig.
Auf dem Gym zeichnete sich mein Abstieg schnell ab.
Da standen nun immer strenge Herren in Anzügen und irgendwie ziemlich hoch vor mir, wo eben noch leger - schick gekleidete, milde Frauen an mir verzweifelten.
Mein Kunstlehrer war zunächst noch anders drauf und so wundert es kaum, dass mir dieses Fach einige Freude bereitete.
Der Rest war über seine Vermittler des Stoffs ebenso ablehnenswert wie das eigene Zuhause.
Mutti verkloppte mich zwar nun seltener, jedoch wuchsen meine Verpflichtungen im häuslichen Bereich.
Das kleine Würmchen zu belustigen war insoweit manchmal okay, weil ich meine kleinen neckischen Spielchen treiben konnte, jedoch kostete das Schieben einer Karre, zum damals noch recht neu etablierten Discounter, einige Überwindung.
Für einen, in der frühen Pubertätsphase sich befindenden Jungen, reichlich uncool.
Mit jedem Elterngespräch und Schulzeugnis kam auch entweder eine Herabsetzung, eine an den Latz, oder die Drohung mich in ein Heim zu geben, da sie, die Mutti, nicht mehr die Kraft habe mit mir fertig zu werden.
All diese Dinge waren zwar im Moment der Tat schlimm, jedoch wusste ich mittlerweile, dass diese Situationen nur zu überstehen waren, dann hätte ich wieder meine Ruhe.
Ich weitete meine Abwehr über die Schädigungen durch körperliche Angriffe auf die Ebene der noch verletzbaren Seele aus, indem ich mich reu- und demütig gab.
Ich hatte allerdings keine Ahnung wie kompliziert die menschliche Seele ist und dass meine zu dem Zeitpunkt bereits ausgiebig angefressen war.
Nun denn! So plötzlich wie die strengen Herren in Anzügen vor mir standen so schnell waren diese auch wieder davon, nach zwei Jahren Unterstufe.
Das kleine Brüderchen machte indes mehr Freude, weil bereits eine interaktive Kommunikation nicht nur möglich war, sondern ich irgendwie mehr war, als der große Bruder.
Es ist nicht so, dass ich keine guten Freunde in all den Jahren hatte, jedoch war diese Erfahrung mit dem kleinen Balg, dessen Unvoreingenommenheit, dessen beschützenswertes zartes Wesen, mir mehr gab als Fußballspielen oder Schwimmen gehen, mittlerweile zur lieb gewonnenen Nebensache angewachsen.
Ich ging nun auch mal gerne mit dem Zwerg zum Discounter, hatte mittlerweile an meinem Fahrrad einen Kindersitzhalter installiert und nahm den begeisterten Zwerg häufig freiwillig mit. Wo ich mit ihm hinkam erntete ich Anerkennung, im Discounter, bei den Mädchen, bei Mutti und dem Rest der Familie. Soziales Engagement ist cool, so mein Fazit.
So haute ich einmal einem Nachbarsjungen was auf´ s Maul, als mein kleiner Bruder diesem als Zielscheibe für seine Schüsse aus der Erbsenpistole diente und eine Erbse ins Auge bekam. Das ging ganz schnell und wiederholte sich nicht.
Ansonsten war außerhäusliche Gewalt nicht so mein Thema.
Es gab die eine und andere übliche Rangelei. Die Blaue-Augen-Statistik wies 2:1 zu meinen Gunsten aus und war somit respektabel. Ich mischte mich eher dort schlichtend ein, wo vermeintlich Schwächere getriezt wurden.
Ein heftiger Tritt, von einem Mädchen, zwischen meine Beine, im Alter von zwölf Jahren jedoch, der blieb mir in schmerzhafter Erinnerung.
Diesen bekam ich einfach mal so, am langen Arm, spielerisch ringend.
In der Realschule lief´ s einigermaßen, jedoch waren Lehrer im Allgemeinen noch immer nicht so mein Ding. Denen gegenüber wurde ich zunehmend respektlos, was irgendwann, neben einem mehrtägigen Verweis zu einer erneuten Tracht Prügel von Mutti führte.
Im Anschluss wurde ich von meinen Großeltern abgeholt. Meine Platzwunde an der Stirn trug ich wie eine Auszeichnung auf dem langen Weg zwischen den Wohnungen.
Ich ließ es nicht zu, dass die Wunde bedeckt oder abgetupft wurde.
Nein, die Welt sollte wissen woher die kam und wohin ich mit ihr ging.
Nach sechs Wochen fragten mich meine Großeltern ob ich es noch mal versuchen wollte und ich willigte ein. Ich wollte weder denen zur Last fallen, noch meinen Bruder im Stich lassen und überhaupt sollte diese Geschichte wohl bei Mutti etwas bewirkt haben.
Nach einem weiteren halben Jahr jedoch war endgültig Schluss, Ende, Aus.
Nach einem jeden Einkauf erfolgte eine Abrechnung, mit Kassenbon, der mitunter auch mal vergessen wurde.
Diesmal lag er mit dem Wechselgeld auf dem Tisch.
Mutti beklagte eine Differenz um – keine Ahnung – irgendwas um fünfzig Pfennig.
Mit nun 15 Jahren war ich ihr über den Kopf gewachsen.
All die Jahre, in denen ich für uns manch Einkauf erledigte, wurde abgerechnet.
Selten fehlten einige Pfennige und nun soll ich sie betrügen wollen?
Nach einigen Minuten des gewaltfreien Hin und Her, erhob Mutti die Hand, um mir eine zu scheuern.
Ich packte ihr Handgelenk.
Sie hob die andere Hand, ich packte das andere Handgelenk.
Fünfzehn Jahre, und ich hielt Mutti nun an beiden Handgelenken fest.
Ich hatte keinen Bock mehr auf diese sinnlosen Schläge. Ich war mir sicher, dass diese Schläge auch unangemessen waren, war ich mir keiner Schuld bewusst und hatte ich schließlich kein Geld unterschlagen.
Eine kurze Ewigkeit standen wir uns so am langen Arm gegenüber, bis sie diese Ewigkeit mit einer Bewegung beendete, die mir vor drei Jahren üblen Schmerz zubereitete.
Noch während ihr Knie nach oben ging, ließ ich ihre Handgelenke los, drehte mich seitlich und schob sie mit einem schnell ausgefahrenen Arm über den Küchentisch.
Noch bevor sie sich aufrappeln konnte, war ich in meinem Zimmer verschwunden, eingeschlossen und somit in Sicherheit.
Ich hörte meine Mutter telefonieren und nutzte die Gelegenheit wieder die Bühne zu betreten.
Mutti telefonierte gerade mit der Polizei, um denen mitzuteilen, dass ihr Sohn sich anschicke sie umzubringen.
Hat man da noch Worte?
Kommentare und Diskussionsbeiträge bitte hier(!) schreiben!
Wenngleich sie sich nach eigener Aussage nichts hat zu Schulden kommen lassen, ließ sie sich als - damals suchte man noch eine/n Schuldige/n - schuldig am Scheitern der Ehe eintragen, um diese Angelegenheit so schnell wie nur möglich zu beenden.
Wer schuldig war, übernahm die Kosten der Scheidung.
Nach einiger Zeit standen für mich zwei weitere einschneidende Veränderungen an.
Mutti lernte, diesmal außerhalb meiner Reichweite, einen Mann kennen, der sie schwängerte und ich sollte auf´ s Gymnasium.
Meine Zeugnisse, meine soziale Herkunft, mein mittlerweile respektables Aggressionspotential, mein Aufmerksamkeitsdefizit sowie meine psychische Instabilität sprachen nicht unbedingt für einen solchen Weg, jedoch waren sich meine Lehrerinnen einig.
Auf dem Gym zeichnete sich mein Abstieg schnell ab.
Da standen nun immer strenge Herren in Anzügen und irgendwie ziemlich hoch vor mir, wo eben noch leger - schick gekleidete, milde Frauen an mir verzweifelten.
Mein Kunstlehrer war zunächst noch anders drauf und so wundert es kaum, dass mir dieses Fach einige Freude bereitete.
Der Rest war über seine Vermittler des Stoffs ebenso ablehnenswert wie das eigene Zuhause.
Mutti verkloppte mich zwar nun seltener, jedoch wuchsen meine Verpflichtungen im häuslichen Bereich.
Das kleine Würmchen zu belustigen war insoweit manchmal okay, weil ich meine kleinen neckischen Spielchen treiben konnte, jedoch kostete das Schieben einer Karre, zum damals noch recht neu etablierten Discounter, einige Überwindung.
Für einen, in der frühen Pubertätsphase sich befindenden Jungen, reichlich uncool.
Mit jedem Elterngespräch und Schulzeugnis kam auch entweder eine Herabsetzung, eine an den Latz, oder die Drohung mich in ein Heim zu geben, da sie, die Mutti, nicht mehr die Kraft habe mit mir fertig zu werden.
All diese Dinge waren zwar im Moment der Tat schlimm, jedoch wusste ich mittlerweile, dass diese Situationen nur zu überstehen waren, dann hätte ich wieder meine Ruhe.
Ich weitete meine Abwehr über die Schädigungen durch körperliche Angriffe auf die Ebene der noch verletzbaren Seele aus, indem ich mich reu- und demütig gab.
Ich hatte allerdings keine Ahnung wie kompliziert die menschliche Seele ist und dass meine zu dem Zeitpunkt bereits ausgiebig angefressen war.
Nun denn! So plötzlich wie die strengen Herren in Anzügen vor mir standen so schnell waren diese auch wieder davon, nach zwei Jahren Unterstufe.
Das kleine Brüderchen machte indes mehr Freude, weil bereits eine interaktive Kommunikation nicht nur möglich war, sondern ich irgendwie mehr war, als der große Bruder.
Es ist nicht so, dass ich keine guten Freunde in all den Jahren hatte, jedoch war diese Erfahrung mit dem kleinen Balg, dessen Unvoreingenommenheit, dessen beschützenswertes zartes Wesen, mir mehr gab als Fußballspielen oder Schwimmen gehen, mittlerweile zur lieb gewonnenen Nebensache angewachsen.
Ich ging nun auch mal gerne mit dem Zwerg zum Discounter, hatte mittlerweile an meinem Fahrrad einen Kindersitzhalter installiert und nahm den begeisterten Zwerg häufig freiwillig mit. Wo ich mit ihm hinkam erntete ich Anerkennung, im Discounter, bei den Mädchen, bei Mutti und dem Rest der Familie. Soziales Engagement ist cool, so mein Fazit.
So haute ich einmal einem Nachbarsjungen was auf´ s Maul, als mein kleiner Bruder diesem als Zielscheibe für seine Schüsse aus der Erbsenpistole diente und eine Erbse ins Auge bekam. Das ging ganz schnell und wiederholte sich nicht.
Ansonsten war außerhäusliche Gewalt nicht so mein Thema.
Es gab die eine und andere übliche Rangelei. Die Blaue-Augen-Statistik wies 2:1 zu meinen Gunsten aus und war somit respektabel. Ich mischte mich eher dort schlichtend ein, wo vermeintlich Schwächere getriezt wurden.
Ein heftiger Tritt, von einem Mädchen, zwischen meine Beine, im Alter von zwölf Jahren jedoch, der blieb mir in schmerzhafter Erinnerung.
Diesen bekam ich einfach mal so, am langen Arm, spielerisch ringend.
In der Realschule lief´ s einigermaßen, jedoch waren Lehrer im Allgemeinen noch immer nicht so mein Ding. Denen gegenüber wurde ich zunehmend respektlos, was irgendwann, neben einem mehrtägigen Verweis zu einer erneuten Tracht Prügel von Mutti führte.
Im Anschluss wurde ich von meinen Großeltern abgeholt. Meine Platzwunde an der Stirn trug ich wie eine Auszeichnung auf dem langen Weg zwischen den Wohnungen.
Ich ließ es nicht zu, dass die Wunde bedeckt oder abgetupft wurde.
Nein, die Welt sollte wissen woher die kam und wohin ich mit ihr ging.
Nach sechs Wochen fragten mich meine Großeltern ob ich es noch mal versuchen wollte und ich willigte ein. Ich wollte weder denen zur Last fallen, noch meinen Bruder im Stich lassen und überhaupt sollte diese Geschichte wohl bei Mutti etwas bewirkt haben.
Nach einem weiteren halben Jahr jedoch war endgültig Schluss, Ende, Aus.
Nach einem jeden Einkauf erfolgte eine Abrechnung, mit Kassenbon, der mitunter auch mal vergessen wurde.
Diesmal lag er mit dem Wechselgeld auf dem Tisch.
Mutti beklagte eine Differenz um – keine Ahnung – irgendwas um fünfzig Pfennig.
Mit nun 15 Jahren war ich ihr über den Kopf gewachsen.
All die Jahre, in denen ich für uns manch Einkauf erledigte, wurde abgerechnet.
Selten fehlten einige Pfennige und nun soll ich sie betrügen wollen?
Nach einigen Minuten des gewaltfreien Hin und Her, erhob Mutti die Hand, um mir eine zu scheuern.
Ich packte ihr Handgelenk.
Sie hob die andere Hand, ich packte das andere Handgelenk.
Fünfzehn Jahre, und ich hielt Mutti nun an beiden Handgelenken fest.
Ich hatte keinen Bock mehr auf diese sinnlosen Schläge. Ich war mir sicher, dass diese Schläge auch unangemessen waren, war ich mir keiner Schuld bewusst und hatte ich schließlich kein Geld unterschlagen.
Eine kurze Ewigkeit standen wir uns so am langen Arm gegenüber, bis sie diese Ewigkeit mit einer Bewegung beendete, die mir vor drei Jahren üblen Schmerz zubereitete.
Noch während ihr Knie nach oben ging, ließ ich ihre Handgelenke los, drehte mich seitlich und schob sie mit einem schnell ausgefahrenen Arm über den Küchentisch.
Noch bevor sie sich aufrappeln konnte, war ich in meinem Zimmer verschwunden, eingeschlossen und somit in Sicherheit.
Ich hörte meine Mutter telefonieren und nutzte die Gelegenheit wieder die Bühne zu betreten.
Mutti telefonierte gerade mit der Polizei, um denen mitzuteilen, dass ihr Sohn sich anschicke sie umzubringen.
Hat man da noch Worte?
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16.02.2012, BILD: "Das Halbwahre ist verderblicher als das Falsche." (Ernst Freiherr von Feuchtersleben)