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SGB II Beantragung
#12
@Dzombo: Also das Angestellte im öffentlichen Dienst gut verdienen, ist ein Märchen. Habe ich vorher auch immer gedacht. Bin damals ganz neu zur Arge gewechselt, weil seinerzeit ja Personal gesucht wurde. Wurde über die Agentur für Arbeit eingestellt. War zu dem Zeitpunkt gerade arbeitslos geworden, da vorherige Firma pleite gegangen ist. Hier meine Konditionen:

1.) Immer nur befristete Arbeitsverträge für 6 Monate (natürlich immer mit sachlichem Grund, um eine weitere Befristung zu ermöglichen). Aber absolut keine Planungssicherheit, da man so ca. bis 2 oder 3 Tage vor Ablauf des Vertrages vom Arbeitgeber immer noch keine Antwort erhalten hatte, ob der Vertrag denn nun verlängert wird oder nicht. Ergo musste ich mich trotz dieses Vertrages ständig weiter bewerben. Mein letzter Vertrag lief am 31.12.2006 aus, bis zum 27.12.2006 hatte ich noch keine Antwort, ob ich ab dem 01.01.2007 weiter beschäftigt werden kann. Hatte dann am 28.12.2006 ein Vorstellungsgespräch bei einer Krankenkasse (mein ursprünglich erlernter Beruf). Da ich von dort sofort eine Zusage mit Arbeitsvertrag erhalten habe, habe ich logischerweise dort zugeschlagen, da der Verdienst wesentlich besser war, wie bei der Arge. Womit wir beim nächsten Punkt wären.

2. Verdienst: ca. 1.640€ BRUTTO / ca. 1.100€ NETTO bei einer offiziellen 39-Stunden-Woche. Also das zählt für mich nicht wirklich zu den "Besserverdienenden". Wie gesagt, 39-Stunden-Woche war offiziell. Inoffiziell hatten wir locker eine 50-60-Stunden-Woche. Ich habe regelmäßig morgens um 6.00 Uhr angefangen, und abends gegen 18.00 Uhr Feierabend gemacht. Wobei die Stempeluhr erst alle Arbeitszeiten ab 06.30 Uhr gezählt hat, und nach 10 Stunden Arbeitszeit alle weiteren Stunden ersatzlos "gekappt" wurden, wg. Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeitsgrenzen. Das wir dann trotzdem noch länger da gesessen haben, hat niemanden interessiert. Kannst Dir ja ausrechnen, wieviele Stunden ich "für Lau" bei der Arge gesessen habe. Bezahlt wurden die Überstunden nicht, da sie ja nicht vom Chef angeordnet waren. Nur, wenn wir Samstags antanzen mussten, was auch regelmäßig vorkam, waren es "angeordnete Überstunden", die vergütet wurden.
Vielleicht fragst Du Dich jetzt, warum wurden so viele Überstunden gemacht? Bei Einführung von Hartz IV haben sich die Behörden mächtig vertan, wie viele Bedarfsgemeinschaften es geben wird. Die rechneten z.B. für unseren Bereich mit ca. 3.000 Bedarfsgemeinschaften. Dementsprechend wurde das Personal berechnet und eingestellt. Wir hatten im Endeffekt knapp 6.500 Bedarfsgemeinschaften, also mehr wie das Doppelte. Personal wurde aber keins aufgestockt. Wir mussten zusehen, wie wir die Antragsberge abgearbeitet bekamen. Dazu kam dann noch, dass das Programm, mit dem wir die Berechnung durchführen mussten, noch in den Kinderschuhen gesteckt hat, und wir häufig Systemausfälle hatten. Oder alles nur mit sog. "Übergangslösungen" ins System einpflegen mussten, und wenn die endgültige Version da war, wir alle Akten nochmals neu durchrechnen mussten.

3.) Die psychische Belastung, die dieser Job mit sich brachte. Hatte ich ja schon geschrieben. Ich fand, und finde teilweise immer noch, die Errechnung vollkommen ungerecht. Bzw. die ganze Gesetzgebung. Es kann nicht sein, als dieses "U-25"-Gesetz eingeführt wurde, sich die Mädchen mit 16 Jahren haben absichtlich schwängern lassen, um vom Staat eine eigene Wohnung finanziert zu bekommen. So Fälle hatte ich zu Hauf am Schalter. Und wenn diese Schulabbrecherinnen dann vor Dir sitzen, Dir erzählen, dass Sie absichtlich schwanger geworden sind, um daheim ausziehen zu können, um mit der Freundin Party machen zu können, und Du dann siehst, wieviel Kohle die dafür noch kassieren (konnten mit Regelsatz, KdU, Alleinerziehendenzuschlag, KG, Elterngeld und Unterhaltsvorschuss schon mal knapp 1.400€ werden, zusätzlich noch mal ca. 1.200€ "Einmalzahlungen" für Erstausstattung Wohnung und Kind) und die dann noch vor Dir sitzen, und sich beschweren, wie wenig das doch sei, und Du auf der anderen Seite nen Familienvater hast, der unverschuldet arbeitslos geworden ist, und der nicht viel mehr bekommt, fragst Du Dich schon, wo der Sinn des Ganzen liegt.
Ich habe da echt Fälle erlebt, da sind mir die Tränen in die Augen geschossen. Und ich konnte abends daheim dann auch nicht abschalten.

Dazu dann noch teilweise die Gewaltbereitschaft der Leistungsempfänger. Ich möchte hier wirklich nicht alle über einen Kamm scheren, nicht das ich falsch verstanden werde. Aber es hat mit der Gewaltbereitschaft gegenüber den Sachbearbeitern immer mehr zugenommen.
Wenn irgendwann regelmäßig die Polizei gerufen werden muss, weil die Büroeinrichtung durch die Flure geschmissen wird, die Leistungsempfänger bewaffnet vor Dir stehen, geht die Lust am Arbeiten in diesem Job verloren. Ich weiss, Du bist Polizist, vielleicht kannst Du mit so etwas besser umgehen. Ich habe da echt Probleme mit bekommen, und war nachher nur noch ein Nervenbündel.

Ich hoffe, Du kannst jetzt etwas besser nachvollziehen, warum ich das Thema "Arge" für mich nach zwei Jahren beendet habe. Verständnis musst Du keins dafür haben. Ich denke, jeder muss für sich selbst entscheiden, welche Art von Job einem Spaß macht, bzw. wie weit man sich für die Arbeit auch selbst aufgeben möchte.
Und wie gesagt, als "Quereinsteiger" bei der Arge war der Verdienst wirklich nicht übermäßig hoch. Nicht für die Anzahl der Arbeitsstunden. Oder findest Du 1.640€ BRUTTO / ca. 1.100€ NETTO für eine 50-60 Stunde-Woche "besserverdienend?" Und dann nie wissen, was ist in einem halben Jahr? Werde ich hier weiterbeschäftigt, oder muss ich mir doch wieder was anderes suchen?

Aber es war nicht nur das Geld, sonst hätte ich ja schon viel früher geschmissen. Es war ein Zusammenspiel aus all den o.g. Punkten.

Vielleicht konnte ich Dir meinen Entschluss näher bringen. Hoffe, Du siehst mich jetzt nicht in einem falschen Licht.

LG, Familienmensch. Heart
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SGB II Beantragung - von Nappo - 02-05-2012, 20:54
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