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OLG Koblenz vom 12.01.2010 zum Wechselmodell, weitere Urteile anderer Gerichte
#2
Beschluss des OLG Koblenz vom 12.01.2010, Az.: 11UF251/09

Leitsätze:
1. Ein Betreuungs-Wechselmodell setzt die Bereitschaft und Fähigkeit der Eltern voraus, miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren. Gegen den Willen eines Elternteils kann ein Betreuungs-Wechselmodell nicht familiengerichtlich angeordnet werden.
2. Ein Betreuungs-Wechselmodell ist mit dem Kindeswohl nicht vereinbar, wenn das Kind durch den ständigen Wechsel belastet wird und keine Stabilität erfahren kann.

Aus dem Urteil: Die Parteien hatten zunächst ein 50/50 Wechselmodell vereinbart. Die KM war dann der Meinung, dass sich diese Umgangsregelung nicht bewährt habe, die Kinder seien durch den permanenten Wechsel zwischen mütterlichem und väterlichem Haushalt stark belastet und zeigten Verhaltensauffälligkeiten. Sie strebte nun einen wochenweise abwechselnden Umgang des Antragsgegners von Donnerstag bis Montag und in der darauf folgenden Woche von Donnerstag bis Freitag an.

Der Vater dagegen wünschte ein einfacheres Wechselmodell in der Weise, dass er die Kinder Donnerstagnachmittag bis in der darauffolgenden Woche Donnerstagmorgen zu sich nehmen kann. In der zweiten Woche sollen sich die Kinder von Donnerstagnachmittag bis Donnerstagmorgen im mütterlichen Haushalt aufhalten. Der Vater war der Ansicht, dass der wöchentliche Wechsel dem Wohl der Kinder entspreche und es daher unabdingbar sei, dass sie zu gleichen Teilen Kontakt zu beiden Elternteilen haben.

Das Amtsgericht Mainz hatte das Umgangsrecht dann wie folgt geregelt: Der Antragsgegner habe das Recht, die Kinder jede 1., 2., und 4. Woche eines Monats in der Zeit von Donnerstagnachmittag bis Montagmorgen zum Zeitpunkt des Kindergartenbesuches zu sich zu nehmen. In der übrigen Zeit halten sich die Kinder im mütterlichen Haushalt auf. Im Übrigen habe der Kindesvater das Recht, die Kinder in den Schulferien zu sich zu nehmen und zwar während der gesamten Oster- und Herbstferien sowie der jeweils letzten Hälfte der Sommer- und Weihnachtsferien. Auf diese Weise solle dem guten emotionalen Bezug der Kinder zu dem Antragsgegner Rechnung getragen und den Kindern unter der Woche Aktivitäten und Kontakte am Wohnort der Mutter ermöglicht werden.

Dagegen hat sich dann die KM gewandt. Sie wollte eine Reduzierung des Umgangsrechts auf abwechselnd ein verlängertes Wochenende und sodann von Donnerstag auf Freitag bei hälftiger Teilung der Kindergartenferien erreichen. Begründung: Das bisher praktizierte Wechselmodell habe bei den Kindern Unsicherheiten ausgelöst. Diese würden dadurch verstärkt, dass die Kinder sich jeweils neu eingewöhnen müssten und nie das Gefühl hätten, zu Hause zu sein. Für das Wohl der Kinder sei es besser, einen deutlichen Aufenthaltsschwerpunkt im Haushalt eines Elternteils zu haben mit großzügigem Umgangskontakt zum anderen Elternteil. Sie, die Antragstellerin, praktiziere den vorgeschlagenen großzügigen Umgang mit dem Vater ihrer beiden Söhne seit über sechs Jahren. Das Amtsgericht habe die enge Bindung der Kinder zu ihren Halbbrüdern nicht berücksichtigt. Nach der Umgangsregelung in dem angegriffenen Beschluss seien kaum noch Freizeitaktivitäten mit den beiden Halbbrüdern möglich. Sie, die Antragstellerin, sei dadurch benachteiligt, dass sie nur noch ein gemeinsames Wochenende im Monat mit den Kindern habe. Die Ferienregelung sei nicht nachvollziehbar, da es im Kindergarten keine Oster- und Herbstferien gebe. Sie sei bis zur Trennung Hauptbezugsperson der beiden Kinder gewesen.

Der Vater hielt dagegen. Nach seiner Auffassung sind die Auffälligkeiten der Kinder auf die Trennungssituation zurückzuführen. Ein häufiger Umgang der Kinder mit ihm diene ihrer Stabilisierung. Die Kinder äußerten den Wunsch, mit ihm genauso viel Zeit zu verbringen wie mit der Antragstellerin. Das Wechselmodell entspreche dem Kindeswohl. Sein Umgangsrecht gehe dem Kontakt der Kinder zu ihren beiden Halbbrüdern vor. Das Interesse der Antragstellerin gehe dahin, von ihm Unterhalt verlangen zu können.

Der Senat hat mit Beschluss vom 12. Mai 2009 die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts ausgesetzt und im Wege der einstweiligen Anordnung angeordnet, dass die bisher von den Parteien einvernehmlich praktizierte Regelung des Umgangs (8:6) vorläufig beibehalten wird.


Diese vorläufige Entscheidung ist sicher nicht zu kritisieren, leider ging es dann aber weiter. Zunächst hat das Gericht ein "Sachverständigengutachten" eingeholt und die Kinder befragt. Der Vater hatte erfolglos die Sachverständige wegen Befangenheit abgelehnt.

In der genannten Entscheidung stellte das Gericht nun wörtlich fest: "Der Senat ist unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgetragenen Umstände und des Ergebnisses des eingeholten Sachverständigengutachtens der Auffassung, dass ein solches Wechselmodell mit dem Wohl der Kinder nicht vereinbar ist."

Dies obwohl das Gericht selbst folgendes ausführt: "Es ist anerkannt, dass mit dem regelmäßigen Wechsel des Kindes zwischen zwei Haushalten Vorteile für das Kind und für die Eltern verbunden sind. Die enge Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Kind und beiden Elternteilen wird aufrechterhalten und das Kind erlebt den Alltag mit beiden Eltern. Beide Elternteile bleiben in der Verantwortung für ihre Kinder und werden durch das Wechselmodell von der Mehrfachbelastung, die bei einem allein erziehenden Elternteil besteht, entlastet."

Diesen Vorteilen stellt das Gericht dann aber angebliche "erhebliche Nachteile" für das Kind gegenüber. Zitat: "Mit dem regelmäßigen Wechsel sind Belastungen für das Kind verbunden, die ein hohes Maß an Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft der Eltern (und auch der Kinder) erfordern. Im wissenschaftlichem Schrifttum und in der Rechtsprechung besteht daher Einigkeit darüber, dass das Wechselmodell nur dann eine Alternative sein kann, wenn die Eltern in der Lage sind, ihre Konflikte einzudämmen, sie beide hochmotiviert und an den Bedürfnissen des Kindes ausgerichtet sind, sie kontinuierlich kommunizieren und kooperieren können und wollen. Unverzichtbare Voraussetzung ist ein Konsens zur Durchführung der wechselseitigen Betreuung und ein gemeinsamer Kooperationswille. Die Initiative zu einem Wechselmodell kann nur von den Eltern selbst ergriffen werden."

Dieser Unsinn gipfelt dann in der Feststellung: "Gegen den Widerstand eines Elternteils kann das Wechselmodell nicht funktionieren."

Immerhin hat das Gericht dann dem Vater großzügige Umgangskontakte zusprechen wollen. Tatsächlich besteht dieser "großzügige Umgang" aus alle 14 Tage von Donnerstag nach der Schule bis Montag früh und alle 14 Tage Donnerstag nach der Schule bis Freitag früh. Wie großzügig von dem Gericht und dies obwohl zumindest ein Kind in seiner Anhörung gesagt hat, dass es alles so bleiben soll wie bisher. Das andere Kind hat sich gegenüber dem Gericht nicht geäußert, was ebenfalls negativ gegenüber dem Vater/Wechselmodell ausgelegt worden ist.
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OLG Koblenz vom 12.01.2010 zum Wechselmodell - von p__ - 19-08-2010, 12:31
AG Erfurt und AG Heidelberg zum Wechselmodell - von Nappo - 20-11-2014, 01:06

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