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BGH v. 19.06.2013: Unterhaltspflicht bei Hartz IV - fikt. Einkommen, Leistungsfähigk.
#1
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Juni 2013 – XII ZB 39/11

Ein Vater ist nach mehreren ausbildungsfremden Tätigkeiten arbeitslos geworden und bezieht Hartz-IV-Leistungen.
Zitat:Aufgrund seiner bisherigen Erwerbsvita seien für ihn Ganztagsstellen, bei denen auch nur 7, 30 € erzielt werden könnten, verschlossen. Der Antragsgegner sei beruflich gestrandet, aus welchen Gründen auch immer.

Eine Berücksichtigung fiktiver Einkünfte zur Erfüllung der Unterhaltspflicht hat der BGH daher verneint:
Zitat:Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus. Schließlich darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist (BVerfG FamRZ 2010, 793).

Die Leistungsfähigkeit des Vaters ist auch nicht aus einer möglichen Titulierung des Kindesunterhalts durch den Hartz-IV-Antrag herzuleiten.
Zitat:
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II in der bis 31. März 2011 geltenden Fassung (im Folgenden: § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II aF; nunmehr § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II) sind vom Einkommen eines Antragstellers der Grundsicherung für Arbeitsuchende Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag abzusetzen.
Daraus ist von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung die Folgerung gezogen worden, dass den Unterhaltspflichtigen, der leistungsberechtigt für die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist, die unterhaltsrechtliche Obliegenheit treffe, eine Nebentätigkeit auszuüben und zugleich einen Titel errichten zu lassen, damit ihm das diesbezügliche Einkommen zur Unterhaltszahlung verbleibe (OLG Brandenburg, OLG Schleswig, KG Berlin).

Dem folgt der Senat nicht. Vielmehr kann durch die Titulierung des Unterhalts und den dadurch ermöglichten Abzug nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II aF (§ 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II) die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht erhöht werden.

Von der Einsetzbarkeit teilweise anrechnungsfreien Einkommens unterscheidet sich die vorliegende Fragestellung dadurch, dass der Unterhalt schon bei der Ermittlung der Sozialleistungsbedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen Berücksichtigung findet. Insoweit muss also zunächst geklärt werden, welches Einkommen dem Unterhaltspflichtigen nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zur Verfügung steht. Zur Vermeidung eines Zirkelschlusses kann dies nur ohne Berücksichtigung einer wegen des Unterhalts erhöhten Sozialleistung durchgeführt werden.
http://lexetius.com/2013,2508
.
Habe die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst.
Habe den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst,
und habe die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.
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#2
Täusche ich mich da, oder ist dieser Beschluss/Urteil einfach die Verneinung einer Pflicht, sich den Unterhalt nach einer erzwungenen Titulierung von der Arbeitsagentur zu holen, um ihn an das Kind weiterzureichen?
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#3
(29-07-2013, 22:49)p schrieb: Täusche ich mich da, oder ist dieser Beschluss/Urteil einfach die Verneinung einer Pflicht, sich den Unterhalt nach einer erzwungenen Titulierung von der Arbeitsagentur zu holen, um ihn an das Kind weiterzureichen?

Nein. Das ist keine Täuschung. Die 1. Instanz hat den Pflichtigen
zu dem KU verdonnert, weil er im ALG-Bezug eine Nebentätigkeit ausüben
könnte. Jedenfalls habe ich das so herausgelesen.

Das heißt aber nicht, das bei dem Verhartzen nicht noch etwas zu holen wäre,
wenn er noch nicht in die totale Grundsicherung gefallen ist.
Auch das habe ich gelesen.
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#4
Auch sehr interessant:

Zitat: Der "unterhaltsrechtlichen Bedarfsdeckung" komme der Vorrang gegenüber öffentlichrechtlichen Regelungen dieser Art zu. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II (aF) erhöhe die Leistungsfähigkeit nicht und dürfe dem Unterhaltspflichtigen auch nicht die Möglichkeit einer Abänderungsklage verschließen.
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#5
Das alles ist im Grunde nichts Neues.

Eigentlich wird nur gesagt, das der Unterhalt nicht aus
dem Sozialtrog kommen darf, wenn beim dem Unterhaltspflichtigen
nichts zu holen ist. Vielleicht wäre das Urteil
bei einem kleinen, süßen Baby anders ausgefallen, aber
die Klägerin war volljährig und kann schon selber im Discounter
die Regale auffüllen.

Nebenbei wird bestätigt, was schon bekannt war.
Fiktives Einkommen nur dann, wenn es auch real
erzielbar ist. Das wird bei körperbehinderten Pflichtigen und
Leuten mit katastrophaler Erwerbsbiographie sicher
schwieriger auszuteilen sein.

Leute, die nur ihr Licht unter den Scheffel stellen, weht natürlich
ein eiskalter Wind entgegen.
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#6
(04-11-2013, 21:02)raid schrieb: Nun, dann hatte ich ja absolut Recht, dass man als Aufstocker nicht einfach munter drauf los titulieren darf sondern das alles schon noch in einem Verhältnis liegen muss.

Also wenn du titulierst und sich dann deine Einkünfte schmälern oder aber auch
zur Unterhalt verurteilt wurdest , dann erstmalig beim JC vorsprichst, kannst du
den titulierten Betrag aufstocken.

Wenn du schon im Leistungsbezug bist, solltest du nicht einen Betrag
titulieren lassen. Dann lass dich lieber dazu verurteilen.

Wirst du im Leistungsbezug zu einem höheren (oder auch niedrigerem)
Zahlbetrag verurteilt, dann kannst du den auch nach §11b SGB II absetzen.

Schliesslich hat sich ja der Richter von deiner Leistungsfähigkeit überzeugt.
Es spielt dann keine Rolle, ob du durch den neuen Unterhaltstitel immer noch
in den Schoß des Jobcenters fällst.

Wenn das JC dann der Meinung ist, das der Titel angreifbar wäre, dann
kann es dich ja rechtlich vertreten und versuchen, den Titel vor dem
OLG wieder zu kippen. Eine Verpflichtung zur Selbsthilfe gibt es nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung aus dem Sozialrecht hier nicht.
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#7
(05-12-2013, 10:47)raid schrieb: Also das o. g. Urteil vom BGH scheint in Bezug auf die Absetzung von Unterhalt nach SGB II keinerlei Relevanz zu haben.

Warum auch? Nur, weil es die Rechtsanwältin in ihrer Antwort an
dich nicht benannt hat? Bist du arbeitslos? Wurdest du unterhaltsrechlich aufgefordert, höhere Absetzbeträge in Anspruch zu nehmen? Die Anwältin weiß anscheinend gar nicht viel über deine Erwerbsmöglichkeiten, da sie doch erklärte, das sie mit den vorliegenden Informationen die Erfolgssaussichten für eine
Zuwehrsetzung gegen eine höhere Titulierung einschätzen könne.
"Du Mama. Wenn Papa tot ist kauf ich mir meinen eigenen Ponyhof!" - CosmosDirect Lebensversicherung, 2007

Quelle: http://de.wikiquote.org/wiki/Vater
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#8
(05-12-2013, 11:19)raid schrieb: Der BGH hat nur gesagt, dass Familiengerichte bei ihrer Unterhaltsfestsetzung nicht munter Fiktion betreiben dürfen, wenn der Unterhaltsschuldner bereits Sozialhilfe erhält.

Nein. Der BGH hat gesagt, das fiktives Einkommen nur dann
angerechnet werden kann, wenn der Pflichtige auch tatsächlich
in der Lage wäre, solches real zu erwirtschaften. Weiter hat der
BGH ausgeschlossen, allein auf der Möglichkeit der Absetzbarkeit
die Unterhaltspflicht auszuweiten. Diese Argumentation bringt "dein" Jugendamt ja gar nicht. Es gibt ja noch die "Alternative", das dir plötzlich dein Traumjob mit 5000 Euro netto/Monat zufällt oder
das Abgrasen von Raststattparkplätzen ertragreiche Leergutfunde zutage bringt.
Die Unterhaltsberechnung muß also zunächst von dem ausgehen, was dem Pflichtigen an Einkommen tatsächlich zur Verfügung steht. Dabei ist auch die Heranziehung von fiktivem Einkommen grundsätzlich möglich. Das Urteil würde dann eine Rolle spielen, wenn das Jugendamt dir fiktives Einkommen unterstellt, dich ggf. noch auf die Absetzmöglichkeit im SGBII hinweist und du dich gegen eine höhere Titulierung wehren würdest. Dann müsstest du wohl, wie dort vorgetragen, auch darlegen, warum dir die Erzielung höherer Einkünfte nicht möglich ist.

Sozialrechtlich spielt es in der Tat erst einmal keine Rolle.
"Du Mama. Wenn Papa tot ist kauf ich mir meinen eigenen Ponyhof!" - CosmosDirect Lebensversicherung, 2007

Quelle: http://de.wikiquote.org/wiki/Vater
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#9
Und dafür fahre ich ...500 Km... nach Berlin? Die Beratungshilfe hätte
der Anwalt ja laut seiner Webseite schon ganz gerne noch. Ob sich ein
Sozialgericht in Berlin für einen solchen Antrag zuständig fühlt, oder
das hiesige Gericht für die Beratung durch einen in Berlin zugelassenen Anwalt? Wenn der seine Fahrkosten zum hiesigen Sozialgericht abrechnet, bekommt der von mir mehr wieder als ich vom JC. Die
Fahrtkosten werden immer nur von Kanzlei für den hiesigen Gerichtsbezirk bezahlt, hat das Gericht seinen Sitz woanders, muß man die Differenz selber tragen.

Ich will dein Angebot nicht mies machen, aber für mich leider
uninteressant.
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Quelle: http://de.wikiquote.org/wiki/Vater
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