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Hallo zusammen,
kennt sich jemand mit der Strafverfolgung "über die Grenze" aus? Alle Teilnehmer sind Deutsche, die Strafsache ist deutsch, der Vater lebt in CH.
Der Vater hat ein Schreiben bekommen, wegen dem Strafverfahren, mit der Einladung zur Vernehmenung. Dabei würde eine "Eintretensverfügung" vorgelegt und der Vater hat ihr mehr oder weniger zugestimmt. Vermutlich hätte man das verweigern sollen, aber der Vater war ohne Anwalt da. Es sieht so aus, dass Schweizer Polizei nach dieser Verfügung alles machen kann was die deutsche machen könnte: Durchsuchungen, Inhaftierungen und evtl. Auslieferungen. Also nicht nur höflich vernehmen und das Gesagte an die deutsche Behörden übermitteln.
Kennt sich jemand mit dieser Lage aus? Paar Tipps vielleicht?
Ich erzähle mehr Details, falls euch etwas fehlt. Fragt einfach ?
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Die Abkommen Schweiz-Deutschland für Strafrecht, Zivilrecht und Verwaltungsrecht findest du unter https://www.rhf.admin.ch/rhf/de/home/rec...index.html
Da siehst du dass auf den Feldern Beweiserhebung und Zustellung ziemlich viel möglich ist. Der Bereich "Beweiserhebung" ist vermutlich das, worum es sich bei deiner Sache dreht. Unter den Grundlagen sind die Abkommen und ihre Möglichkeiten direkt verlinkt.
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Die Zustimmung zur Eintretungsverfügung ist unwiderruflich.
Je nachdem kann das aber auch nach Aussen hin positiv wirken=Staatsanwaltschaft in D guten Willen zeigen etc.
Staatsanwalt CH kann ggf. bei der Aktentriage etwas "grosszügiger" sein.
Solange aber nicht klar ist um was es hier überhaupt geht, ist munteres Rätselraten angesagt.
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11-04-2020, 21:51
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11-04-2020, 21:52 von MLCer.)
(11-04-2020, 20:49)Alberto schrieb: Solange aber nicht klar ist um was es hier überhaupt geht, ist munteres Rätselraten angesagt.
Um was es hier geht? Ist nicht schwer zu raten - 170er
Aus deinem Text folgt, dass die Schweizer Staatsanwaltschaft hier weitgehend selbstständig agiert? Also nicht als verlängerter Arm der Deutschen? Zum Beispiel kann die Durchsuchung anordnen, ohne das die Deutschen davon reden.
Mein Eindruck war, dass es so ist.
Kann man etwas gewinnen, wenn man die Unterschiede in Sachen UH-Pflichtsverletzung zwischen CH und DE ausspielt? Oder gibt es keine?
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11-04-2020, 22:27
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 11-04-2020, 22:32 von Alberto.)
Schweizer Recht ist strenger, aber das zählt hier ohnehin nicht. Als einzige Beschwerdeinstanz bleibt dir das Bundestrafgericht.
Aussichtslos ist da noch untertrieben. Grundsätzlich stehen der Stawa alle verfügbaren Zwangsmassnahmen zur Verfügung, welche diese selbstständig ausüben können. Du hast Dir ein ziemlich bescheidenes Land ausgesucht, Rechte von Beschuldigten zählen hier garnix. Die werden das übliche machen, verbotene Fishing Expedition nach Unterlagen, Hausdurchsuchung und
Editionsverfügungen bei Banken und Treuhändern. Wahrscheinlich hast Du ne GmbH am Laufen, mit Strohmann GF nach Aussen. Perfekt. Der wird bei Strafandrohung nach Art. 292 zur Auskunft verpflichtet und ab die Lutzi.
Sofern das Verfahren noch nicht im Gang ist, Aussage verweigern. Nix unerschreiben und die Wohnung aufräumen. Und vielleicht schon das Flugticket buchen. Aber das weisst Du ja sowieso schon.
Achso: Und wenn Du verhaftet wirst, dann lass die die deutsche Botschaft anrufen und verlange diesen deutschen Anwalt aus Bern namens Lücke als Strafverteidiger.
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Danke, Alberto für die Tipps. Verfahren ist doch schon im Gange, jedenfalls nach dieser Eintretungsverfügung, denke ich.
Eine GmbH habe ich nicht, aber Einkommen. Bisher habe ich nichts ausgesagt, da ich die Akte nicht gesehen habe.
Ja, mit dem Abfliegen hatte ich sowieso vor, unabhängig von der Geschichte. Die Frage ist, wie lange sich hier alles ziehen kann. 6 Monate vielleicht? Hast Du Tipps, wie man auf die Zeit spielen kann?
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Die Unterschiede in den Voraussetzungen für §170 zwischen DE und CH sind erheblich. In DE muss der Lebensbedarf des Beziehers gefährdet sein, während es in der Schweiz ausreicht, dass der Unterhaltspflichtige die "Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte" ( CH-STGB §217). Die Schweizer Formulierung ist schwammig und willkürlich, dass man bereits verurteilt werden kann, wenn versehentlich einen Zahlendreher in die Überweisung einbaut. Im Grunde geht's den Schweizern aber immer ums Geld. MaW. wenn die Sache keine Vorgeschichte hat, man zahlt und signalisiert, dass die Probleme nie wieder auftauchen, hat man gute Chancen.
Trotzdem empfiehlt es sich die Schweiz zu verlassen, wenn die Situation so weit eskaliert ist. Damit ist man schonmal aus dem direkten Zugriff der Schweizer Behörden. Damit ist aber das Verfahren nicht gestoppt, denn in CH kann man in Abwesenheit verurteilt werden. Und dadurch, dass man nicht da ist, kann der Staatsanwalt unwidersprochen irgendwelche Märchen vortragen, was dann so enden kann: " Auf vermeintlich freiem Fuss".
Das nächste Problem sind dann die Staatsverträge. Wenn man in der Schweiz verurteilt wird, landet das irgendwann im Deutschen Strafregister ( Fragen zum Bundeszentralregister , § 54 Abs. 1 BZRG). Dem kann man allerdings mit Hilfe eines Deutschen Anwalts vorbeugen, wenn man die Voraussetzungen für die Eintragung bestreitet, weil zB. die Tat in Deutschland nie zur Verurteilung geführt hätte. Und dabei kann einem in Bezug auf die Unterhaltspflichtverletzung der zuerst beschriebene Unterschied zwischen dem Deutschen STGB §170 und dem Schweizer STGB §217 behilflich sein. Ergebnis ist dann, dass man zwar in der Schweiz als verurteilt gilt, aber das in Deutschland und damit in der eigenen Zukunft keine Rolle mehr spielt.
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12-04-2020, 09:00
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12-04-2020, 09:02 von Alberto.)
Alles was Petrus schreibt, kann ich bestätigen. Laufende Strafverfahren sind übrigens auch bei einem Kantonswechsel innerhalb der Schweiz anzugeben, obwohl das gegen das Freizügigskeitsabkommen mit der EU verstösst.
Natürlich wird die Staatsanwaltschaft bei der Aktenedition überprüfen, ob auch noch andere Sachverhalte vorliegen die sich in der Schweiz verfolgen lassen. In Frage kommt da das gesamte Unternehmensstrafrecht wie aber auch Offizialdelikte wie Urkundenfälschung oder Steuerbetrug/Hinterziehung auf Seiten des Beschuldigten. Dritte werden übrigens via Art 292 StGB mittels Editionsverfügung zur Herausgabe der Unterlagen gezwungen, ausser da liegen verwandtschaftliche Verhältnisse vor.
Was aber auch keinProblem darstellt,- weil man einfach mal ne Fishing Expedition startet und sich die Unterlagen auf anderen, verschlungenen Wegen besorgt.
Aussage eines leitenden Staatsanwaltes in der Schweiz: "Das Wort Beschuldigter existiert in meinem Wortschatz nicht, dass sind Alles Täter und Ihre Aufgabe ist es ( gerichtet an die anwesenden Rechtsanwälte und Juristen ) diese Täter der Strafverfolgung zuzuführen" Im Saal hat niemand protestiert, womit das Verhältnis zwischen Schweizer Rechtsanwälten und der Staatsanwaltschaft hinreichend beschrieben werden kann.
Wer solche "Verteidiger" als Anwalt hat, braucht in der Schweiz keinen Gegner mehr.
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Hm.. Es wird immer spannender. Ich bin davon ausgegangen, dass die Schweizer mich nur vernehmen und das wars. Dann ist mir bewusst geworden, dass sie voll "ermitteln" können...
Sehe ich es richtig, dass auch schweizer Strafgericht jetzt zuständig ist? Worst case, in welchem Land wird am Ende geurteilt?
Und nach welchem Recht? Unterschiede in den Paragraphen sind schon beachtlich. Im 170er wird von "Lebensunterhalt gefährdet", "Hilfe der Dritten" gelabert - spielt zwar vor Gericht keine Rolle, aber immerhin. Die schweizer Formulierung sieht eher nach einem harten zivilrechtlichen Betreiben aus.
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Die Schweizer Formulierung findet sich im Strafrecht unter Vernachlässigung von Unterhaltspflichten.
https://www.gesetze.ch/sr/311.0/311.0_021.htm
Da ist nichts mit Zivilrecht.
Zuständig ist jedoch die Staatsanwaltschaft in Deutschland, die Schweizer leisten "nur" Rechtshilfe.
Alle weiteren Fragen kann Dir ein Anwalt in der Schweiz beantworten. Da du mit Deiner Zustimmung zum vereinfachten Verfahren einen ziemlichen Bock geschossen hast, wirst Du den auch sehr benötigen. Wenn Du viel Glück hast, haben die Pappnasen von der Behörde einiges falsch gemacht, so dass man Deine eigentlich unwiederrufbare Zustimmung aus der Welt schaffen kann. Das ist aber lediglich stochern im Nebel.
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Zuständig für die Strafverfolgung ist das Land in dem die Tat begangen wurde. Da Du Dich in der Schweiz aufhältst und das Kind in Deutschland ist, sind irgendwie beide Länder betroffen - das gibt den Behörden jeden Spielraum, den sie brauchen. Wenn Du sicher gehen willst, flieg in ein Drittland. Dann sind die Schweizer nicht mehr interessiert und in Deutschland wird das Verfahren gestoppt, bis sie Dich wieder haben. Allerdings dürfte das in der jetzigen Corona-Situation schwierig werden.
Sei Dir einfach bewusst, dass in der Schweiz tatsächlich eine Gefängnisstrafe drohen könnte. Wenn Du nicht ausreisen kannst und das abwenden willst, wäre eine Möglichkeit, einen größeren Teilbetrag sofort zu überweisen und dann mit dem Versprechen in Zukunft zu zahlen, auf Milde zu hoffen. Grundsätzlich hat niemand etwas davon, wenn ein so genannter Unterhaltsschuldner im Knast sitzt und dann gar nicht mehr zahlen kann.
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