27-06-2023, 21:29
Kennst Du einen Anwalt für Verfassungsrecht, der sich auch mit dem Unterhaltsrecht auskennt? Wer?
Ich benötige eine Einschätzung von so einem Anwalt, ob das Unterhaltsrecht in folgenden Punkten als verfassungswidrig eingeschätzt werden kann:
1. Ermittlung der Unterhaltshöhe
2. Verteilung der Unterhaltslast
3. Quantifizierung der Betreuung
*** 1. Ermittlung der Unterhaltshöhe *************************************************************
Es gibt kein Gesetz, das bestimmt, wie der Barunterhalt zu ermitteln ist. Eine Pauschalisierung der Barunterhaltsermittlung nach der Düsseldorfer Tabelle, wie es zur Zeit gängige Praxis in Jugendämtern und bei Sozialgerichten ist, erlaubt das Gesetz nicht explizit.
Üblicherweise sollen und müssen Gerichte in einem Fall mangelnder oder mangelhafter Gesetzgebung ausgleichend regulieren. Allerdings müssen diese regulatorischen Ausgleiche besonders sorgfältig im Interesse aller Beteiligten abgewogen werden, weil ja die demokratisch-parlamentarische Legitimierung fehlt. Auf keinen Fall dürfen die regulatorischen Ausgleiche verfassungswidrig erfolgen. Insbesondere muss die gerichtliche Regulierung sorgfältig gegen Alternativen abgewogen werden. Im Falle der pauschalisierten Barunterhaltsbestimmung passiert das aber gar nicht, weil punktgenaue Abrechnungen, die relativ einfach möglich sind (siehe weiter unten) und auch bedarfsorientierte Korrekturanforderungen in Gerichtsverfahren von Unterhaltszahlern von Sozialgerichten kategorisch ausgeschlossen werden. Verfassungsrechtliche Argumente scheinen bei der Pauschalisierung nach der Düsseldorfer Tabelle keine Rolle zu spielen.
Bei dem Thema "Ermittlung der Höhe des Barunterhalts" ist das BGH selbst parteiisch, weil es um jeden Preis den Pauschalisierungsgrundsatz verteidigt, was immer den benachteiligt, zu dessen Ungunsten die Differenz aus pauschalisierter Barunterhaltsermittlung und realen Kinderkosten schwingt.
Der § 1610 BGB legt in (1) fest, dass das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung bestimmt wird. Die Lebensstellung beeinflussen verschiedene Faktoren:
1. das zur Verfügung stehende Einkommen als limitierender Faktor
2. das familiere Wertegerüst, daß maßgeblich und substanziell die tatsächlichen Geldausgaben beeinflußt (z.B. Sparsamkeit VS Großzügigkeit, Gängelung VS Selbstverantwortung, modisch VS praktisch, Statusdenken VS Authentizität...)
3. Kostenspareffekte (z.B. voll abbezahltes Wohneigentum)
4. äußere Einflüsse (z.B. großzügige Verwandte oder Bekannte, das soziale Millieu, in dem die Familie einbettet ist inkl der Verwandtschaft)
Die Pauschalisierung des Barunterhaltes anhand der Düsseldorfer Tabelle bildet aber gar nicht all die genanten Faktoren ab. Sie fokussiert einzig und allein auf die Abbildung des Faktors 1. Insofern ist die Methodik von vorn herein nicht zielführend im Sinne der Gesetzesanwendung.
Ferner führt die Pauschalisierung des Barunterhalts anhand der Düsseldorfer Tabelle dazu, dass das OLG Düsseldorf bestimmt, wieviel Geld Eltern für ihre Kinder ausgeben müssen. Eltern, die ihre Kinder zur Sparsamkeit und Selbstverantwortung erziehen wollten, werden nun gezwungen, genau das nicht mehr zu tun. Das stellt einen unverhältnismäßig starken Eingriff in die Erziehungshoheit der Eltern (§6 (2) GG) über ihre Kinder dar, der lediglich dazu dient, die Barunterhaltsberechnung für Sozialgerichte und Jugendämter zu vereinfachen. Der Eingriff ist damit weder verhältnismäßig, noch zweckgebunden.
Es gibt keinerlei Mechanismen, die so wirken, daß Geldmittel, die wegen der Pauschalisierung des Barunterhaltes zuviel gezahlt werden, zum Unterhaltszahler zurückfließen.
Je nachdem in welcher Richtung der pauschal errechnete Barunterhaltsbetrag von den realen Kinderkosten abweicht, verstößt das Ergebnis entsprechend gegen geltendes Recht:
Stimmt der pauschal errechnete Betrag mit den realen Kinderkosten nicht exakt überein (was äussert wahrscheinlich ist), verletzt die Pauschalisierung den § 1610 BGB Maß des Unterhalts.
Ist der pauschal errechnete Betrag größer als die realen Kinderkosten, verletzt er in der Verfügung über den Zuviel-Betrag darüber hinaus das Eigentumsrecht und das Selbstbestimmungsrecht des Unterhaltszahlers, weil dem Unterhaltszahler zweckfern Mittel entwendet werden.
Pauschalisierung ist prinzipiell ein valides Mittel, um Ausgleichszahlungen zu ermöglichen. Allerdings muß das Pauschalisierungsmodell so beschaffen sein, daß keine substantielle Ungleichbehandlung erfolgt, die gegen den GG §3 (1) verstößt. Ferner muss es möglich sein, Probleme im Pauschalisierungsmodell, die zu Verstössen gegen GG §3 (1) führen, mit rechtsstaatlichen Mitteln einer Lösung zuzuführen. Die Pauschalisierung nach der Düsseldorfer Tabelle läßt aber beides nicht zu, weil sie vom BGH als oberster richterlicher Instanz veröffentlicht wird, der BGH auf die Omnipotenz der Düsseldorfer Tabelle beharrt und diese Instanz jede Korrektur des Pauschalisierungsmodells mit rechtsstaatlichen Mitteln verhindert. Die Regeln des BGH sind nun so, dass Unterhaltszahler unter keinen Umständen jemals einer Beweislast nachkommen könnten. Alle Möglichkeiten, überhaupt nur die Probleme des Pauschalisierungsmodells zu identifizieren, sind damit im Keim erstickt.
Die pauschale Barunterhaltsberechnung widerspricht demokratischen Grundsätzen, weil der demokratische Aushandlungsprozess und die Transparenz in der Bestimmung, Ermittlung, Definition und Ausgestaltung derselben nach der Düsseldorfer Tabelle fehlen.
Wie bereits erwähnt, ist eine punktgenauere Barunterhaltsermittlung nach folgendem Muster relativ einfach möglich:
- personengenau zuordenbare Kosten (z.B. Vereinsgebühren, Tickets, personenspezifische Einrichtung) können präzise abgerechnet werden
- regelmäßige personengenau zuordenbare Kinderkosten (z.B. Vereinsgebühren) können sogar präzise monatlich/Jährlich umgelegt werden
- unregelmäßige personengenau zuordenbare Kosten sind bei Kindern eher selten
- nicht personengenau zuordenbare Kinderkosten wie Verbrauchsgüter und Nahrungsmittel können durch pauschalisierte Teilung durch Anzahl der Personen im Haushalt ermittelt werden (als Nachweis reichen übliche Rechnungen)
- in Standardhaushalten laufen dafür im Jahr 50-200 Rechnungen auf, was in der Abrechnung sehr wohl handhabbar ist
- es erfolgt eine zentral festgelegte monatliche Abschlagszahlung mit jährlichem Rechnungsreview und entsprechender Ausgleichszahlung
- die Berechnung der Abschlagszahlung des Folgejahres erfolgt auf Grundlage der tatsächlichen Kinderkosten des Vorjahres
Es wäre durchaus möglich, den Unterhalt generell pauschalisiert durchzuführen und die punktgenaue Barunterhaltsermittlung nur dann durchzuführen, wenn der Barunterhaltszahler das beantragt, also in Streitfällen. Aber auch das wird durch BGH und Sozialgerichte nicht zugelassen.
*** 2. Verteilung der Unterhaltslast *************************************************************
Verhütung- und Schwangerschaftsabbruch reduzieren ungewollte Geburten. In der Regel kann deshalb davon ausgegangen werden, daß Geburten in Deutschland gewollt sind. Aus der generellen Erkenntnis, dass freie Wahlmöglichkeit eher zu opportunitätsgetriebenen Entscheidungen führt, kann ferner davon ausgegangen werden, daß Menschen nur Kinder bekommen, wenn Sie mehr Vorteile als Nachteile durch das Kinderhaben erwarten. In der Regel wird die Abwägung von Vor- und Nachteilen auch mittelbar, also auf den Zeitraum der Minderjährigkeit, ausgerichtet sein. Jedenfalls gibt es in Deutschland keinen kausalen Zusammenhang zwischen Kinderkriegen und nachgelagerten Erwägungen wie z.B. 'Kinderhaben als Altersvorsorge'.
Der §1606 BGB wiegt aber ausschließlich die Nachteile des Kinderhabens gegeneinander ab und ignoriert die Vorteile. Das führt im Separationsmodell mit doppelverdienenden Trennungseltern zu folgender verfassungswidrigen Ungleichbehandlung:
Der Erziehungs- und Pflegeaufwand ist in den ersten 18 Lebensjahren nicht gleich. Es ist eben nicht so, daß zum 18. Geburtstag bei einem Menschen Selbständigkeit einsetzt und am Tag zuvor 100% Pflege- und Erziehungsaufwand notwendig sind. Ganz im Gegensatz dazu ist der Betreuungsaufwand für Neugeborene am allergrößten. Praktisch besteht direkt nach der Geburt ein Rund-um-die-Uhr-Betreuungsbedarf. Die Eingliederung in den Kindergarten, in die Grundschule, in die erweiterte Schule reduzieren jeweils den häuslichen Pflege- und Erziehungsaufwand drastisch und schrittweise. Graduelle Entwicklungsschritte eines Minderjährigen hin zu mehr Selbstständigkeit reduzieren den Erziehungs- und Pflegeaufwand kontinuierlich. Diese Effekte überlagern sich. Mit steigender Selbstständigkeit des Minderjährigen sinkt der Erziehungs-und Pflegeaufwand für selbigen. Wenn über die gesamte Minderjährigkeit betrachtet die Vorteile des Kinderhabens für die Eltern größer sind als die Nachteile und innerhalb der Nachteile der Aufwand für Erziehung und Pflege immer weiter abnimmt, während der Barunterhaltsaufwand eher zunehmen, muß es einen Zeitpunkt geben, an dem der betreuende Elternteil bessergestellt ist und immer weiter bessergestellt wird als der unterhaltszahlende Elternteil. Diese substantielle Ungleichbehandlung widerspricht dem GG §3 (1). Wenn beide Eltern eigenes Eikommen haben, sorgt die Regelung dafür, daß sich der Lebensstandard des Unterhaltszahlers nach der Trennung verschlechtert und der Lebensstandard des alleinerziehenden Elternteils verbessert, und zwar jeweils substantiell und nachhaltig.
Bereits in der Grundschule sind Minderjährige selbständig genug, weitgehend in Schule und OGS betreut zu werden. Mit dem Eintritt in die erweiterte Schule geht die Gesellschaft von weitgehender Selbständigkeit aus, sodaß dann zum Beispiel OGS-Agebote minimal sind. Spätestens dann ist der Pflege- und Erziehungsaufwand für Jugendliche minimal. Alleinerziehende können ohne Weiteres in dieser Lebensphase der Kinder vollbeschäftigt arbeiten und auch eigenen Hobbies nachgehen. Während der Barunterhaltszahler dann die gesamten Kosten trägt, genießt der alleinerziehende Elternteil die Vorteile des Kinderhabens, während der Betreungs- und Erziehungsaufwand ein wesentlich kleinerer Nachteil ist als das Tragen aller Kinderkosten über den Barunterhalt.
Das an sich wäre kein Problem, wenn im Rahmen des bestehenden Unterhaltsrechtes der unterhaltszahlende Elternteil gleichwertige Handlungsalternativen hätte, um sich die gleichen Vorteile verschaffen zu können. Das ist aber nicht der Fall.
Jugendämter und Politiker argumentieren oft pro Wechselmodell als gleichwertige Alternative. In der Praxis können Minderjährige und der betreuende Elternteil gegen den Wunsch des Unterhaltszahlers das Wechselmodell wirkungsvoll verhindern. In keinem Fall ist die Alternative gleichwertig, weil das Wechselmodell für alle Beteiligten und insbesondere für die Minderjährigen großen Stress bedeutet und für die Trennungseltern die Benachteiligung gegenüber anderen Eltern bedeutet, weil zwei große Wohnungen unterhalten werden müssen, was umso schwerer wiegt, desto mehr Kinder wechselbetreut werden sollen. Die regelmäßige Anforderung von Jugendämtern und Sozialgerichten sind ja genau ein Gleichtakt des Wechsels für Geschwister. Darüber hinaus beraubt das Wechselmodell die Trennungseltern um ihr Recht auf freie Wohnungswahl, weil sie praktisch in einem Lock an den Ort der Trennung geknebelt werden. Das wiegt sehr schwer, weil die Schulpflicht beide Elternteile dazu zwingt, in unmittelbarer Nähe zur Schule zu wohnen. Schon eine leichte räumliche Trennung, bei der z.B. der eine Elternteil in Düsseldorf wohnt und der andere in einem Vorort von Düsseldorf, behindert das Wechselmodell substantiell. Jetzt könnte man behaupten, daß ungetrennte Eltern in gleicher Art und Weise in Ihrem Recht auf freie Wohnortwahl eingeschränkt sind. Dem ist aber nicht so. Bei ungetrennten Eltern kann eine Konsensuale Basis vorausgesetzt werden, bei der ein Wohnortswechsel gemeinsam und konstruktiv vereinbahrt wird. Eltern trennen sich oft aber genau, weil eine konsuale Basis nicht mehr existiert.
Eine Alternative wäre, daß der/die Unterhaltszahlerin mit dem/der Alleinerziehenden tauscht und zum/zur Betreuer:in wird. Das geht immer dann, wenn der/die Alleinerziehende UND der/die Minderjährige dem Tausch zustimmt, was regelmäßig nicht der Fall ist.
Sobald es um mehr als eine(n) Minderjährige(n) geht, könnten die Kinder theoretisch auch aufgeteilt werden. In der Praxis unterstützen Jugendämter und Sozialgerichte aber Alleinerziehende darin, eine Aufteilung zu verhindern, indem Sie darauf verweisen, daß Geschwisterkinder nicht auseinandergerissen werden sollen und auch jedes Kind für sich nicht aus seinem Umfeld gerissen werden soll. Der Wunsch des Unterhaltszahlers wird in der Regel abgewehrt.
Weil Minderjährige nicht teilbar sind und Sozialgerichte und Jugendämter so agieren wie sie es tun, hat der Unterhaltszahler also in der Regel keine Opt-Out-Möglichkeit aus seinem Unterzahlerdasein hin zu einem betreuenden, voll von den Vorteilen des Kinderhabens profitierenden Elterndaseins.
Jetzt könnte man so argumentieren, daß der unterhaltszahlende Elternteil zu Besuchszeiten von den Vorteilen des Kinderhabens profitiert. Das stimmt oberflächlich. Allerdings muß hier die Verhältnismäßigkeit betrachtet werden. Die soziale Bindung zum besuchten Elternteil verblasst eher schnell nach der Trennung, während die soziale Bindung zum alleinerziehenden Elternteil erstarkt. Das Nutznießen der Vorteile des Kinderhabens hängt aber stark von der Intensität der sozialen Bindung ab.
Gäbe es eine gangbare Alternative, wenn das Unterhaltsrecht angepaßt werden könnte bzw. würde?
Ja. Zumindest könnte das Problem mit einfachen Mitteln zumindest abgemildert werden. Die beschriebenen Zusammenhänge rund um die gleichbleibenden Vorteile und den abnehmenden Pflege- und Erziehungsaufwand könnte so Rechnung getragen werden, daß ab einem bestimmten Alter des/der Minderjährigen, z.B. ab 9 Jahre, der/die Alleinerziehende den Barunterhalt selbst trägt. Dem könnte die Argumentation entgegengesetzt werden, dass beide Elternteile sich mit der Geburt analog eines Vertrages verpflichtet haben, gemeinsam zur Entwicklung der/des Minderjährigen beizutragen. In diesem Sinne wäre dennoch ab diesem bestimmten Alter des/der Minderjährigen, z.B. ab 9 Jahre, eine einkommensanteilige Aufteilung der Barunterhaltslast, unabhängig davon, bei wem die Kinder leben und unabhängig von der Betreuung, eher fair im Sinne des GG §3 (1) als die aktuelle Gesetzesanwendung.
*** 3. Quantifizierung der Betreuung *************************************************************
Im §1606 BGB (3) heißt es: "... Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes."
In der Praxis findet die Betreuung, Pflege und Erziehung eines Minderjährigen durch einen Elternteil immer dann statt, wenn:
1. der/die Minderjährige in direkter Interaktion mit dem Erwachsenen steht oder der Erwachsene die direkte Interaktion vorbereitet UND
2. der Elternteil unterstützend oder auf die Entwicklung des Minderjährigen beeinflussend auf eine Weise auf den Minderjährigen einwirkt, wie der Elternteil es nicht bei Menschen tun würde, die nicht ihre/seine Kinder sind.
Wenn Minderjährige Trennungselternteile besuchen, bei denen sie nicht wohnen, führt das regelmäßig zu Betreuung des/der Minderjährigen durch genau diesen Trennungselternteil in dem genannten Sinne. Die Anwendung des §1606 BGB (3) bedeutet deshalb, daß der besuchte Trennungselternteil zumindest im Rahmen der Besuche seine Unterhaltspflicht erfüllt und deshalb seine Barunterhaltspflicht anteilig reduziert werden muß. Um die Betreuung anteilig mit dem quantifizierbaren Barunterhalt verrechnen zu können, muß auch die Betreuung quantifiziert werden.
Wie Betreuung quantifiziert werden soll, ist im Gesetz nicht festgelegt. Den Eltern ist es auch nicht erlaubt, für sich festzulegen, wie Betreuung quantifiziert wird.
Üblicherweise sollen und müssen Gerichte in einem Fall mangelnder oder mangelhafter Gesetzgebung ausgleichend regulieren. Allerdings müssen diese regulatorischen Ausgleiche besonders sorgfältig im Interesse aller Beteiligten abgewogen werden, weil ja die demokratisch parlamentarische Legitimierung fehlt. Insbesondere muss die gerichtliche Regulierung sorgfältig gegen Alternativen abgewogen werden und verfassungswahrend sein.
Der BGH versucht eine Quantifizierung aber nicht einmal. Stattdessen wird einfach nach der Devise verfahren, daß Betreuung nur dort stattfindet, wo der/die Minderjährige lebt. Wannimmer Barunterhaltszahler vor Sozialgerichten versuchen, über die Darlegung Ihrer Betreuungsanstrengung das Barunterhaltsmaß zu reduzieren, verlieren sie ihre Prozesse. Jugendämter handeln entsprechend.
Der §1606 BGB (3) wird also so angewendet, als würde dort stehen: "... Der Elternteil, bei dem ein minderjähriges Kind lebt, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes." (wobei 'betreut' gegen 'bei dem lebt' ausgetauscht wurde). Angenommen, der §1606 BGB (3) würde tatsächlich diese Bedeutung haben, bedeutete dies, daß die Quantität und Qualität der Pflege und Erziehung gar nicht mehr relevant ist. Der Satz "... Der Elternteil, bei dem ein minderjähriges Kind lebt, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen." hat exakt die gleiche Auswirkung. Allein die Frage, wo das Kind lebt, privilegiert einen Elternteil über den anderen. Die Pflege und Erziehung durch den Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, werden als nicht relevant definiert. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, zahlt keinen Barunterhalt, der andere Elternteil zahlt alles (inklusive der Wohnkosten), viele 1000 Eur. In dieser sehr engen Auslegung des §1606 BGB (3) gibt es keinen trifftigen Grund für die Ungleichbehandlung beider Elternteile. Jedenfalls ist allein der Lebensmittelpunkt des Kindes kein hinreichender Grund für eine so massive Ungleichbehandlung beider Elternteile. Mit anderen Worten: Diese Auslegung ist verfassungswidrig gegenüber dem $3 (1) GG, weil ein Elternteil praktisch willkürlich nur deshalb bessergestellt wird, weil ein gemeinsames Kind dort lebt. Die Auslegung ist auch verfassungswidrig gegenüber §6 (1) GG, weil diese Art der unterschiedlichen Behandlung der Elternteile dazu führt, daß diese nicht mehr auf Augenhöhe agieren, was das Familienwohl arg gefährdet. Auch ein Gesetz mit dem Wortlaut wäre verfassungswidrig in diesem Sinne. Das BGH und Familiengerichte handeln in jedem Verfahren, in dem Barunterhaltszahler nicht mit ihrem Betreuungsaufwand reduzieren können, verfassungswidrig.
Eine erweiterte Betrachtung dessen, ob $3 (1) GG verletzt ist, weil das Kriterium, wo das Kind lebt, darüber entscheidet, welcher Elternteil alleinig den Barunterhalt zahlt, führt zu einer Vorteils-/Nachteilsabwiegung des Kinderhabens. Unter *2 wurde schon ausführlich dargelegt, wie diese in höheren Kindesaltern zu einer Ungeleichbehandlung nach $3 (1) GG für den Barunterhaltszahler führt, was hier nicht noch einmal wiederholt werden soll. Wichtig ist hier noch einmal das Verständnis: Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, kann praktisch immer - ausgenommen bei sonst straffälligen Verhalten - verhindern, daß der Barunterhaltszahler in den Genuß des Privilegs der Barunterhaltsfreistellung kommt.
<...gekürzt wegen Zeichenbeschränkung...>
Ich benötige eine Einschätzung von so einem Anwalt, ob das Unterhaltsrecht in folgenden Punkten als verfassungswidrig eingeschätzt werden kann:
1. Ermittlung der Unterhaltshöhe
2. Verteilung der Unterhaltslast
3. Quantifizierung der Betreuung
*** 1. Ermittlung der Unterhaltshöhe *************************************************************
Es gibt kein Gesetz, das bestimmt, wie der Barunterhalt zu ermitteln ist. Eine Pauschalisierung der Barunterhaltsermittlung nach der Düsseldorfer Tabelle, wie es zur Zeit gängige Praxis in Jugendämtern und bei Sozialgerichten ist, erlaubt das Gesetz nicht explizit.
Üblicherweise sollen und müssen Gerichte in einem Fall mangelnder oder mangelhafter Gesetzgebung ausgleichend regulieren. Allerdings müssen diese regulatorischen Ausgleiche besonders sorgfältig im Interesse aller Beteiligten abgewogen werden, weil ja die demokratisch-parlamentarische Legitimierung fehlt. Auf keinen Fall dürfen die regulatorischen Ausgleiche verfassungswidrig erfolgen. Insbesondere muss die gerichtliche Regulierung sorgfältig gegen Alternativen abgewogen werden. Im Falle der pauschalisierten Barunterhaltsbestimmung passiert das aber gar nicht, weil punktgenaue Abrechnungen, die relativ einfach möglich sind (siehe weiter unten) und auch bedarfsorientierte Korrekturanforderungen in Gerichtsverfahren von Unterhaltszahlern von Sozialgerichten kategorisch ausgeschlossen werden. Verfassungsrechtliche Argumente scheinen bei der Pauschalisierung nach der Düsseldorfer Tabelle keine Rolle zu spielen.
Bei dem Thema "Ermittlung der Höhe des Barunterhalts" ist das BGH selbst parteiisch, weil es um jeden Preis den Pauschalisierungsgrundsatz verteidigt, was immer den benachteiligt, zu dessen Ungunsten die Differenz aus pauschalisierter Barunterhaltsermittlung und realen Kinderkosten schwingt.
Der § 1610 BGB legt in (1) fest, dass das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung bestimmt wird. Die Lebensstellung beeinflussen verschiedene Faktoren:
1. das zur Verfügung stehende Einkommen als limitierender Faktor
2. das familiere Wertegerüst, daß maßgeblich und substanziell die tatsächlichen Geldausgaben beeinflußt (z.B. Sparsamkeit VS Großzügigkeit, Gängelung VS Selbstverantwortung, modisch VS praktisch, Statusdenken VS Authentizität...)
3. Kostenspareffekte (z.B. voll abbezahltes Wohneigentum)
4. äußere Einflüsse (z.B. großzügige Verwandte oder Bekannte, das soziale Millieu, in dem die Familie einbettet ist inkl der Verwandtschaft)
Die Pauschalisierung des Barunterhaltes anhand der Düsseldorfer Tabelle bildet aber gar nicht all die genanten Faktoren ab. Sie fokussiert einzig und allein auf die Abbildung des Faktors 1. Insofern ist die Methodik von vorn herein nicht zielführend im Sinne der Gesetzesanwendung.
Ferner führt die Pauschalisierung des Barunterhalts anhand der Düsseldorfer Tabelle dazu, dass das OLG Düsseldorf bestimmt, wieviel Geld Eltern für ihre Kinder ausgeben müssen. Eltern, die ihre Kinder zur Sparsamkeit und Selbstverantwortung erziehen wollten, werden nun gezwungen, genau das nicht mehr zu tun. Das stellt einen unverhältnismäßig starken Eingriff in die Erziehungshoheit der Eltern (§6 (2) GG) über ihre Kinder dar, der lediglich dazu dient, die Barunterhaltsberechnung für Sozialgerichte und Jugendämter zu vereinfachen. Der Eingriff ist damit weder verhältnismäßig, noch zweckgebunden.
Es gibt keinerlei Mechanismen, die so wirken, daß Geldmittel, die wegen der Pauschalisierung des Barunterhaltes zuviel gezahlt werden, zum Unterhaltszahler zurückfließen.
Je nachdem in welcher Richtung der pauschal errechnete Barunterhaltsbetrag von den realen Kinderkosten abweicht, verstößt das Ergebnis entsprechend gegen geltendes Recht:
Stimmt der pauschal errechnete Betrag mit den realen Kinderkosten nicht exakt überein (was äussert wahrscheinlich ist), verletzt die Pauschalisierung den § 1610 BGB Maß des Unterhalts.
Ist der pauschal errechnete Betrag größer als die realen Kinderkosten, verletzt er in der Verfügung über den Zuviel-Betrag darüber hinaus das Eigentumsrecht und das Selbstbestimmungsrecht des Unterhaltszahlers, weil dem Unterhaltszahler zweckfern Mittel entwendet werden.
Pauschalisierung ist prinzipiell ein valides Mittel, um Ausgleichszahlungen zu ermöglichen. Allerdings muß das Pauschalisierungsmodell so beschaffen sein, daß keine substantielle Ungleichbehandlung erfolgt, die gegen den GG §3 (1) verstößt. Ferner muss es möglich sein, Probleme im Pauschalisierungsmodell, die zu Verstössen gegen GG §3 (1) führen, mit rechtsstaatlichen Mitteln einer Lösung zuzuführen. Die Pauschalisierung nach der Düsseldorfer Tabelle läßt aber beides nicht zu, weil sie vom BGH als oberster richterlicher Instanz veröffentlicht wird, der BGH auf die Omnipotenz der Düsseldorfer Tabelle beharrt und diese Instanz jede Korrektur des Pauschalisierungsmodells mit rechtsstaatlichen Mitteln verhindert. Die Regeln des BGH sind nun so, dass Unterhaltszahler unter keinen Umständen jemals einer Beweislast nachkommen könnten. Alle Möglichkeiten, überhaupt nur die Probleme des Pauschalisierungsmodells zu identifizieren, sind damit im Keim erstickt.
Die pauschale Barunterhaltsberechnung widerspricht demokratischen Grundsätzen, weil der demokratische Aushandlungsprozess und die Transparenz in der Bestimmung, Ermittlung, Definition und Ausgestaltung derselben nach der Düsseldorfer Tabelle fehlen.
Wie bereits erwähnt, ist eine punktgenauere Barunterhaltsermittlung nach folgendem Muster relativ einfach möglich:
- personengenau zuordenbare Kosten (z.B. Vereinsgebühren, Tickets, personenspezifische Einrichtung) können präzise abgerechnet werden
- regelmäßige personengenau zuordenbare Kinderkosten (z.B. Vereinsgebühren) können sogar präzise monatlich/Jährlich umgelegt werden
- unregelmäßige personengenau zuordenbare Kosten sind bei Kindern eher selten
- nicht personengenau zuordenbare Kinderkosten wie Verbrauchsgüter und Nahrungsmittel können durch pauschalisierte Teilung durch Anzahl der Personen im Haushalt ermittelt werden (als Nachweis reichen übliche Rechnungen)
- in Standardhaushalten laufen dafür im Jahr 50-200 Rechnungen auf, was in der Abrechnung sehr wohl handhabbar ist
- es erfolgt eine zentral festgelegte monatliche Abschlagszahlung mit jährlichem Rechnungsreview und entsprechender Ausgleichszahlung
- die Berechnung der Abschlagszahlung des Folgejahres erfolgt auf Grundlage der tatsächlichen Kinderkosten des Vorjahres
Es wäre durchaus möglich, den Unterhalt generell pauschalisiert durchzuführen und die punktgenaue Barunterhaltsermittlung nur dann durchzuführen, wenn der Barunterhaltszahler das beantragt, also in Streitfällen. Aber auch das wird durch BGH und Sozialgerichte nicht zugelassen.
*** 2. Verteilung der Unterhaltslast *************************************************************
Verhütung- und Schwangerschaftsabbruch reduzieren ungewollte Geburten. In der Regel kann deshalb davon ausgegangen werden, daß Geburten in Deutschland gewollt sind. Aus der generellen Erkenntnis, dass freie Wahlmöglichkeit eher zu opportunitätsgetriebenen Entscheidungen führt, kann ferner davon ausgegangen werden, daß Menschen nur Kinder bekommen, wenn Sie mehr Vorteile als Nachteile durch das Kinderhaben erwarten. In der Regel wird die Abwägung von Vor- und Nachteilen auch mittelbar, also auf den Zeitraum der Minderjährigkeit, ausgerichtet sein. Jedenfalls gibt es in Deutschland keinen kausalen Zusammenhang zwischen Kinderkriegen und nachgelagerten Erwägungen wie z.B. 'Kinderhaben als Altersvorsorge'.
Der §1606 BGB wiegt aber ausschließlich die Nachteile des Kinderhabens gegeneinander ab und ignoriert die Vorteile. Das führt im Separationsmodell mit doppelverdienenden Trennungseltern zu folgender verfassungswidrigen Ungleichbehandlung:
Der Erziehungs- und Pflegeaufwand ist in den ersten 18 Lebensjahren nicht gleich. Es ist eben nicht so, daß zum 18. Geburtstag bei einem Menschen Selbständigkeit einsetzt und am Tag zuvor 100% Pflege- und Erziehungsaufwand notwendig sind. Ganz im Gegensatz dazu ist der Betreuungsaufwand für Neugeborene am allergrößten. Praktisch besteht direkt nach der Geburt ein Rund-um-die-Uhr-Betreuungsbedarf. Die Eingliederung in den Kindergarten, in die Grundschule, in die erweiterte Schule reduzieren jeweils den häuslichen Pflege- und Erziehungsaufwand drastisch und schrittweise. Graduelle Entwicklungsschritte eines Minderjährigen hin zu mehr Selbstständigkeit reduzieren den Erziehungs- und Pflegeaufwand kontinuierlich. Diese Effekte überlagern sich. Mit steigender Selbstständigkeit des Minderjährigen sinkt der Erziehungs-und Pflegeaufwand für selbigen. Wenn über die gesamte Minderjährigkeit betrachtet die Vorteile des Kinderhabens für die Eltern größer sind als die Nachteile und innerhalb der Nachteile der Aufwand für Erziehung und Pflege immer weiter abnimmt, während der Barunterhaltsaufwand eher zunehmen, muß es einen Zeitpunkt geben, an dem der betreuende Elternteil bessergestellt ist und immer weiter bessergestellt wird als der unterhaltszahlende Elternteil. Diese substantielle Ungleichbehandlung widerspricht dem GG §3 (1). Wenn beide Eltern eigenes Eikommen haben, sorgt die Regelung dafür, daß sich der Lebensstandard des Unterhaltszahlers nach der Trennung verschlechtert und der Lebensstandard des alleinerziehenden Elternteils verbessert, und zwar jeweils substantiell und nachhaltig.
Bereits in der Grundschule sind Minderjährige selbständig genug, weitgehend in Schule und OGS betreut zu werden. Mit dem Eintritt in die erweiterte Schule geht die Gesellschaft von weitgehender Selbständigkeit aus, sodaß dann zum Beispiel OGS-Agebote minimal sind. Spätestens dann ist der Pflege- und Erziehungsaufwand für Jugendliche minimal. Alleinerziehende können ohne Weiteres in dieser Lebensphase der Kinder vollbeschäftigt arbeiten und auch eigenen Hobbies nachgehen. Während der Barunterhaltszahler dann die gesamten Kosten trägt, genießt der alleinerziehende Elternteil die Vorteile des Kinderhabens, während der Betreungs- und Erziehungsaufwand ein wesentlich kleinerer Nachteil ist als das Tragen aller Kinderkosten über den Barunterhalt.
Das an sich wäre kein Problem, wenn im Rahmen des bestehenden Unterhaltsrechtes der unterhaltszahlende Elternteil gleichwertige Handlungsalternativen hätte, um sich die gleichen Vorteile verschaffen zu können. Das ist aber nicht der Fall.
Jugendämter und Politiker argumentieren oft pro Wechselmodell als gleichwertige Alternative. In der Praxis können Minderjährige und der betreuende Elternteil gegen den Wunsch des Unterhaltszahlers das Wechselmodell wirkungsvoll verhindern. In keinem Fall ist die Alternative gleichwertig, weil das Wechselmodell für alle Beteiligten und insbesondere für die Minderjährigen großen Stress bedeutet und für die Trennungseltern die Benachteiligung gegenüber anderen Eltern bedeutet, weil zwei große Wohnungen unterhalten werden müssen, was umso schwerer wiegt, desto mehr Kinder wechselbetreut werden sollen. Die regelmäßige Anforderung von Jugendämtern und Sozialgerichten sind ja genau ein Gleichtakt des Wechsels für Geschwister. Darüber hinaus beraubt das Wechselmodell die Trennungseltern um ihr Recht auf freie Wohnungswahl, weil sie praktisch in einem Lock an den Ort der Trennung geknebelt werden. Das wiegt sehr schwer, weil die Schulpflicht beide Elternteile dazu zwingt, in unmittelbarer Nähe zur Schule zu wohnen. Schon eine leichte räumliche Trennung, bei der z.B. der eine Elternteil in Düsseldorf wohnt und der andere in einem Vorort von Düsseldorf, behindert das Wechselmodell substantiell. Jetzt könnte man behaupten, daß ungetrennte Eltern in gleicher Art und Weise in Ihrem Recht auf freie Wohnortwahl eingeschränkt sind. Dem ist aber nicht so. Bei ungetrennten Eltern kann eine Konsensuale Basis vorausgesetzt werden, bei der ein Wohnortswechsel gemeinsam und konstruktiv vereinbahrt wird. Eltern trennen sich oft aber genau, weil eine konsuale Basis nicht mehr existiert.
Eine Alternative wäre, daß der/die Unterhaltszahlerin mit dem/der Alleinerziehenden tauscht und zum/zur Betreuer:in wird. Das geht immer dann, wenn der/die Alleinerziehende UND der/die Minderjährige dem Tausch zustimmt, was regelmäßig nicht der Fall ist.
Sobald es um mehr als eine(n) Minderjährige(n) geht, könnten die Kinder theoretisch auch aufgeteilt werden. In der Praxis unterstützen Jugendämter und Sozialgerichte aber Alleinerziehende darin, eine Aufteilung zu verhindern, indem Sie darauf verweisen, daß Geschwisterkinder nicht auseinandergerissen werden sollen und auch jedes Kind für sich nicht aus seinem Umfeld gerissen werden soll. Der Wunsch des Unterhaltszahlers wird in der Regel abgewehrt.
Weil Minderjährige nicht teilbar sind und Sozialgerichte und Jugendämter so agieren wie sie es tun, hat der Unterhaltszahler also in der Regel keine Opt-Out-Möglichkeit aus seinem Unterzahlerdasein hin zu einem betreuenden, voll von den Vorteilen des Kinderhabens profitierenden Elterndaseins.
Jetzt könnte man so argumentieren, daß der unterhaltszahlende Elternteil zu Besuchszeiten von den Vorteilen des Kinderhabens profitiert. Das stimmt oberflächlich. Allerdings muß hier die Verhältnismäßigkeit betrachtet werden. Die soziale Bindung zum besuchten Elternteil verblasst eher schnell nach der Trennung, während die soziale Bindung zum alleinerziehenden Elternteil erstarkt. Das Nutznießen der Vorteile des Kinderhabens hängt aber stark von der Intensität der sozialen Bindung ab.
Gäbe es eine gangbare Alternative, wenn das Unterhaltsrecht angepaßt werden könnte bzw. würde?
Ja. Zumindest könnte das Problem mit einfachen Mitteln zumindest abgemildert werden. Die beschriebenen Zusammenhänge rund um die gleichbleibenden Vorteile und den abnehmenden Pflege- und Erziehungsaufwand könnte so Rechnung getragen werden, daß ab einem bestimmten Alter des/der Minderjährigen, z.B. ab 9 Jahre, der/die Alleinerziehende den Barunterhalt selbst trägt. Dem könnte die Argumentation entgegengesetzt werden, dass beide Elternteile sich mit der Geburt analog eines Vertrages verpflichtet haben, gemeinsam zur Entwicklung der/des Minderjährigen beizutragen. In diesem Sinne wäre dennoch ab diesem bestimmten Alter des/der Minderjährigen, z.B. ab 9 Jahre, eine einkommensanteilige Aufteilung der Barunterhaltslast, unabhängig davon, bei wem die Kinder leben und unabhängig von der Betreuung, eher fair im Sinne des GG §3 (1) als die aktuelle Gesetzesanwendung.
*** 3. Quantifizierung der Betreuung *************************************************************
Im §1606 BGB (3) heißt es: "... Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes."
In der Praxis findet die Betreuung, Pflege und Erziehung eines Minderjährigen durch einen Elternteil immer dann statt, wenn:
1. der/die Minderjährige in direkter Interaktion mit dem Erwachsenen steht oder der Erwachsene die direkte Interaktion vorbereitet UND
2. der Elternteil unterstützend oder auf die Entwicklung des Minderjährigen beeinflussend auf eine Weise auf den Minderjährigen einwirkt, wie der Elternteil es nicht bei Menschen tun würde, die nicht ihre/seine Kinder sind.
Wenn Minderjährige Trennungselternteile besuchen, bei denen sie nicht wohnen, führt das regelmäßig zu Betreuung des/der Minderjährigen durch genau diesen Trennungselternteil in dem genannten Sinne. Die Anwendung des §1606 BGB (3) bedeutet deshalb, daß der besuchte Trennungselternteil zumindest im Rahmen der Besuche seine Unterhaltspflicht erfüllt und deshalb seine Barunterhaltspflicht anteilig reduziert werden muß. Um die Betreuung anteilig mit dem quantifizierbaren Barunterhalt verrechnen zu können, muß auch die Betreuung quantifiziert werden.
Wie Betreuung quantifiziert werden soll, ist im Gesetz nicht festgelegt. Den Eltern ist es auch nicht erlaubt, für sich festzulegen, wie Betreuung quantifiziert wird.
Üblicherweise sollen und müssen Gerichte in einem Fall mangelnder oder mangelhafter Gesetzgebung ausgleichend regulieren. Allerdings müssen diese regulatorischen Ausgleiche besonders sorgfältig im Interesse aller Beteiligten abgewogen werden, weil ja die demokratisch parlamentarische Legitimierung fehlt. Insbesondere muss die gerichtliche Regulierung sorgfältig gegen Alternativen abgewogen werden und verfassungswahrend sein.
Der BGH versucht eine Quantifizierung aber nicht einmal. Stattdessen wird einfach nach der Devise verfahren, daß Betreuung nur dort stattfindet, wo der/die Minderjährige lebt. Wannimmer Barunterhaltszahler vor Sozialgerichten versuchen, über die Darlegung Ihrer Betreuungsanstrengung das Barunterhaltsmaß zu reduzieren, verlieren sie ihre Prozesse. Jugendämter handeln entsprechend.
Der §1606 BGB (3) wird also so angewendet, als würde dort stehen: "... Der Elternteil, bei dem ein minderjähriges Kind lebt, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes." (wobei 'betreut' gegen 'bei dem lebt' ausgetauscht wurde). Angenommen, der §1606 BGB (3) würde tatsächlich diese Bedeutung haben, bedeutete dies, daß die Quantität und Qualität der Pflege und Erziehung gar nicht mehr relevant ist. Der Satz "... Der Elternteil, bei dem ein minderjähriges Kind lebt, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen." hat exakt die gleiche Auswirkung. Allein die Frage, wo das Kind lebt, privilegiert einen Elternteil über den anderen. Die Pflege und Erziehung durch den Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, werden als nicht relevant definiert. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, zahlt keinen Barunterhalt, der andere Elternteil zahlt alles (inklusive der Wohnkosten), viele 1000 Eur. In dieser sehr engen Auslegung des §1606 BGB (3) gibt es keinen trifftigen Grund für die Ungleichbehandlung beider Elternteile. Jedenfalls ist allein der Lebensmittelpunkt des Kindes kein hinreichender Grund für eine so massive Ungleichbehandlung beider Elternteile. Mit anderen Worten: Diese Auslegung ist verfassungswidrig gegenüber dem $3 (1) GG, weil ein Elternteil praktisch willkürlich nur deshalb bessergestellt wird, weil ein gemeinsames Kind dort lebt. Die Auslegung ist auch verfassungswidrig gegenüber §6 (1) GG, weil diese Art der unterschiedlichen Behandlung der Elternteile dazu führt, daß diese nicht mehr auf Augenhöhe agieren, was das Familienwohl arg gefährdet. Auch ein Gesetz mit dem Wortlaut wäre verfassungswidrig in diesem Sinne. Das BGH und Familiengerichte handeln in jedem Verfahren, in dem Barunterhaltszahler nicht mit ihrem Betreuungsaufwand reduzieren können, verfassungswidrig.
Eine erweiterte Betrachtung dessen, ob $3 (1) GG verletzt ist, weil das Kriterium, wo das Kind lebt, darüber entscheidet, welcher Elternteil alleinig den Barunterhalt zahlt, führt zu einer Vorteils-/Nachteilsabwiegung des Kinderhabens. Unter *2 wurde schon ausführlich dargelegt, wie diese in höheren Kindesaltern zu einer Ungeleichbehandlung nach $3 (1) GG für den Barunterhaltszahler führt, was hier nicht noch einmal wiederholt werden soll. Wichtig ist hier noch einmal das Verständnis: Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, kann praktisch immer - ausgenommen bei sonst straffälligen Verhalten - verhindern, daß der Barunterhaltszahler in den Genuß des Privilegs der Barunterhaltsfreistellung kommt.
<...gekürzt wegen Zeichenbeschränkung...>