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BGH XII ZR 170/05: Selbstbehaltsherabsetzung bei neuer Partnerschaft
#1
BGH vom 9.1.2008, Aktenzeichen XII ZR 170/05

Zwei Kinder (eins fast volljährig und verdient schon eigenes Geld), Vater (mit Sprachschwierigkeiten), Mutter. Kinder bei der Mutter, Vater ist Leiharbeiter mit dünnem Einkommen, wird gekündigt (wegen schlechter Auftragslage), arbeitslos, liegt im Bereich des Selbstbehalts. Ausserdem zahlt er noch Kredite ab und Geld an die Unterhaltsvorschusskasse. Vaters neue Lebensgefährtin hat auch zwei Kinder und sie verdient 1200 bis 1400 EUR netto, also auch kein Krösus.

Die Mutter klagt den Vater wie so oft in Grund und Boden, da muss doch noch Geld rauszuholen sein. Es kommt wie erwartet. Amtsgericht Bruchsal will vollen Unterhalt von ihm (247 EUR) plus über 3000 EUR rückständigen Unterhalt. Vater geht zum OLG, die verurteilen ihn zu 137.- und ab Juli 2005 110.- EUR - nach wie vor nach fiktivem Einkommen aus fiktiver Nebentätigkeit "trotz seiner schwierigen Vermittelbarkeit". Aber immerhin nicht durch weitere Selbstbehaltsherabsetzung, weil er mit einer Lebensgefährtin zusammenlebt. Die Begründung dazu steht im Urteil, sie ist lesenswert.

Der BGH ist natürlich ganz anderer Ansicht, denn er ist allein dem Unterhaltsmaximierungsprinzip verpflichtet. Er haut auf alle Knöpfe: Er kombiniert fiktive Erwerbstätigkeit mit dem niedrigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen. Absurd, aber was ist schon Logik für ein deutsches Gericht? Dann werden werden Urteile aufgeführt, die gegen eine Selbstbehaltsreduktion wegen Zusammenleben mit einem neuen Partner sind, und dann welche, die dafür sind. Was der BGH natürlich bevorzugt. Die Kosten des Pflichtigen seien einfach niedriger und deshalb unbedingt durch die Ex abzukassieren, der neue Partner würde ja gar nichts für den Pflichtigen-Lebensbedarf ausgeben müssen. Nach diesem Schema könnte man freilich auch den Unterhalt heraufsetzen, wenn es bei Aldi gerade billige Krautsköpfe im Sonderangebot gibt, schliesslich spart der Pflichtige was und er ist gehalten "sparsam zu wirtschaften", wie in den Urteilen steht.

Ein Zuckerle gibts auch, vermutlich weil die hohen Richter spüren, dass bei ihren vielfältigen Selbstbehaltsherabsetzungen und fiktiven Einkommensvorstellungen der sowieso immer schon am Hungertuch nagende Vater alles hinwerfen muss. Man könne überlegen, im auch eine "massvolle" Erhöhung des Selbstbehalt angedeihen zu lassen, weil die Umgangskosten hoch sind. Wie generös, Frau Hahne! Erst ausrauben, dann 'nen Zehner für das Fahrgeld nach Hause lassen, wie ungeheuer gnädig! In schlechten Filmen gibt es einen beschönigenden Ausdruck dafür: Gentleman-Ganoven. Hier natürlich Gentlewomen-Ganoven.

Fazit: Die Tendenz, Zusammenleben zweier liebender Menschen weniger empfindlich zu bestrafen, um einer Ex mehr Geld in die Kasse zu schaufeln, ist durch den BGH gestoppt worden. Jeder Pflichtige sollte neue Partnerschaften in Abrede stellen, nicht offiziell mit jemand zusammenwohnen, sonst kommt die Fünferbande Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz, Dose und kassiert ab.

http://www.iww.de/index.cfm?pid=1307&opv=080541


Gerade in den letzten zwei Jahren wurden diese Selbstbehaltskürzungen aber von immer mehr OLGs abgelehnt. Der BGH bringt selber einige davon in der Urteilsbegründung. Das ist ebenfalls BGH-Strategie. Auf diese Weise werden die Urteile regelrecht zerstört, man kann nicht mehr sagen, dass sie sich auf modifizierte Sachverhalte gründen und deshalb weiter Normierungscharakter haben.

Der BGH richtet nicht nur enormen Flurschaden an zugunsten eines sehr kurzsichtigen Unterhaltsmaximierungsprinzips, er schadet in seiner grenzenlosen Dummheit und Kurzsichtigkeit sogar vielen Unterhaltsberechtigten. Denn jeder Pflichtige, der mit einer neuen Freundin zusammenwohnt die nicht genug verdient, kann die Unterstützung an sie von der Steuer absetzen. Damit erhöht sich sein Nettoeinkommen, was auch wieder höheren Unterhalt zur Folge hat. Der Staat spart trotzdem, nämlich Sozialleistungen an die neue Freundin. Es müsste im Interesse eines jeden denkenden Menschen liegen, dass die Menschen zusammen wohnen, von Klimaschützern bis Unterhaltskassiererinnen. Leider gehört der BGH nicht zur Kategorie der "denkenden Menschen", sondern zu den "urteilenden Juristinnen".

Natürlich wird der Vater nach den drei Verfahren nun einfach sagen, dass er sich wieder getrennt hat. Das Zuckerle der angerechneten höheren Umgangskosten mitgenommen, den Nachteil der neuen Partnerschaft liegen gelassen. Ab zum Einwohnermeldeamt und wieder bei den Eltern/Freunden angemeldet oder so ähnlich. Die drei Urteile durch drei Instanzen, 20 beschäftigte hochbezahlte Richter samt Justizmaschinerie, endlos viel Papier werden zerblasen wie Fürze im Wind durch eine einzige Unterschrift im Einwohnermeldeamt. Prost, BGH.
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