19-10-2009, 11:35
Von der Mutter sexuell missbraucht
Ein ehemaliger Zuhälter bricht sein Schweigen
Bis Anfang der 90er Jahre ist Andreas Marquardt ein gefürchteter Zuhälter in Berlin. Erst als er im Gefängnis landet, beginnt er mit Hilfe eines Therapeuten, seine eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Mit erschütternden Schilderungen über den sexuellen Missbrauch durch seine Mutter geht Marquardt schließlich auch an die Öffentlichkeit - und bricht damit ein Tabu.
Wo immer er auftauchte, herrschte Angst. Ein falsches Wort, ein falscher Blick und Andreas Marquardt fackelte nicht lange, wie er selbst zugibt: "Das, was ich mit den Menschen gemacht habe, war schon äußerst brutal. Für mich war ein Menschenleben nichts wert. Überhaupt nichts. Ich habe keine Skrupel gehabt, jemand zu schlagen, zu treten und umzubringen. Das war in meinem Kopf. Ich hatte Allmachtsphantasien."
Als Zuhälter führte Andreas ein ausschweifendes Leben.
Der Zuhälter Marquardt ist besonders Frauen gegenüber brutal und skrupellos. Er habe die Frauen erniedrigen und benutzen wollen, so sagt er. Er hätte keine Gefühle mehr für Frauen gehabt, sie seien für ihn der letzte Dreck gewesen. Marquardts Revier ist nicht nur die Berliner Halbwelt, in mehreren Städten gehen elf Frauen für ihn anschaffen. Er hält sie kurz, zahlt Unterkunft und Essen, kassiert ansonsten alles selbst.
Mitte der 90er zeigt ihn eine Prostituierte an: Schwere Körperverletzung, Zuhälterei, Menschenhandel, Waffenbesitz. Marquardt bekommt acht Jahre und trifft im Gefängnis auf seine Verteidigerin. Er erinnert sich: "Der erste Mensch war meine Anwältin, die zu mir damals gesagt hat: Herr Marquardt, sie sind doch gar nicht so hart wie sie tun. Was ist mit Ihnen passiert? Was ist Ihnen Böses widerfahren? Und ich habe einen Bruchteil überlegt, fand das ganz rührend, wie sie zu mir war - und ich habe angefangen zu weinen."
Andreas wagte den Schritt in die Öffentlichkeit.
Die Erkenntnis
Im Gefängnis vertraut sich der gefürchtete Schläger zum ersten Mal einem Therapeuten an. Marquard lüftet sein Geheimnis: "Etwa im Alter von sieben Jahren fing meine Mutter an, an mir rumzufummeln, mich an bestimmten Stellen zu streicheln, zu küssen. Bis zum Alter von 14 Jahren musste ich mit meiner Mutter sämtliche sexuellen Sachen machen, die es überhaupt gibt, drei bis vier Mal die Woche und das über Jahre."
Andreas Marquardt stellt sich seiner Kindheit, bricht immer wieder zusammen. Seit acht Jahren wird er von Jürgen Lemke betreut, einem der renommiertesten Therapeuten auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs. Eine Mutter, die ihren Sohn systematisch missbraucht? Lemke von der Beratungsstelle "Kind im Zentrum" (KiZ) Berlin hatte zunächst Zweifel: "Ich habe sehr wohl getestet, ob da Widersprüchliches kommt. Doch mir war ziemlich schnell klar, hier liegt ein ganz realer schwerer Missbrauch durch eine Mutter vor." Einen derart drastischen und dauerhaften Missbrauch kannte er bislang nur von männlichen Tätern. Auch Lemke musste umdenken, skeptische Kollegen überzeugen.
Frauen als Täterinnen
"Tauwetter" in Berlin ist eine der wenigen Beratungsstellen für Männer, die als Junge missbraucht wurden. Von den 1200 männlichen Opfern, die allein seit 1995 dort Unterstützung suchten, wurden laut "Tauwetter" -Statistik ein Drittel durch Frauen missbraucht. Thomas Schlingmann ist einer der Initiatoren von "Tauwetter" und weiß, wovon er spricht: "Ich würde mir wünschen, dass wir dieses falsche Bild, das wir darüber haben, wozu Frauen in der Lage sind, endlich mal korrigieren. Frauen sind als Menschen zu jeder Sache in der Lage, zu der ein Mann in der Lage ist. Und wenn sie keinen Penis haben, dann nehmen sie Hilfsmittel."
Umfassende Forschungsdaten über Täterinnen fehlen. Bis zu 20 Prozent aller Missbrauchsfälle, schätzen Experten, werden von Frauen begangen, oft unter dem Deckmantel der Hygiene, Fürsorge oder Aufklärung. Es sind keineswegs nur Mütter, wie bei Andreas Marquardt, die missbrauchen. Jungen und Mädchen werden genauso Opfer von Großmüttern, Tanten, Babysitterinnen oder Erzieherinnen.
Die Wut wächst
Andreas sucht ein Ventil für seine zunehmende Aggression, trainiert wie besessen Judo und Karate. Er sammelt Gürtel und Titel. Doch zuhause, wo der Vater längst weg ist, schläft "Karate-Andy" noch immer im Bett seiner Mutter. Marquardt erinnert sich: "Sie war wirklich sehr raffiniert, sehr einfallsreich, sehr einfühlsam. Ich sollte besser werden als mein Papa, als Liebhaber, nicht so ein Versager. was Frauen angeht. Und sie würde mich da so hinführen, dass ich schöne Frauen kriege und perfekt bin in der Bewegung. Und das habe ich natürlich erst einmal geglaubt."
Die Mutter starb kurz nach der Aussprache.
Vor sieben Jahren stellt Andreas Marquardt seine Mutter zur Rede. Dort, wo alles passiert ist. Wochenlang bereitet er mit seinem Therapeuten die Begegnung bis ins kleinste Detail vor. Marquardt, damals 46, konfrontiert seine Mutter, befreit sich von seinen Schuldgefühlen. Die Mutter bittet ihren Sohn um Verzeihung. Drei Wochen später stirbt sie. Marquard lässt sie anonym begraben, schwört sich, auf sein verschwiegenes Schicksal aufmerksam zu machen.
Mit dem Tabu brechen
Denn noch immer wird der sexuelle Missbrauch durch Frauen verharmlost. Thomas Schlingmann von "Tauwetter" erklärt: "Es geistern immer noch Vorurteile herum, dass einem Jungen so etwas nicht passiert - und Fragen wie: 'Warum hast du dich nicht gewehrt? Du hast es doch gewollt.' Und wir haben den ganz breiten Mythos des Wunsches eines Jungen, von einer Frau in die Sexualität eingeführt zu werden."
Während Andreas hinter Gittern sitzt, hält seine Lebensgefährtin sein Fitness- und Karatestudio am Laufen. Auch Marion ging damals für Andreas anschaffen. Obwohl sie seine dunklen Seiten kennt, glaubt sie immer an eine Zukunft mit ihrem einstigen Zuhälter und ist sich sicher: "Dass durch den Missbrauch eigentlich ganz viel an seinem Vertrauen zu anderen Menschen kaputtgegangen ist, dass er da ganz viel nachzuholen hat."
Eigene Kinder hat sich Marquardt nie zugetraut, doch seine Neuköllner Karate-Kinder will er stark machen. Sie sollen zu kleinen Persönlichkeiten heranwachsen, die Respekt vor Erwachsenen haben - aber keine Angst. So hofft Marquardt, und er will weiter gegen eines der letzten Tabus ankämpfen. Geschwiegen habe er schließlich viel zu lange.
Andreas Marquardt
Härte: Mein Weg aus dem Teufelskreis der Gewalt
Ullstein Verlag
ISBN-13: 978-3548368986
ZDF Mona Lisa
Video zur Sendung
Ein ehemaliger Zuhälter bricht sein Schweigen
Bis Anfang der 90er Jahre ist Andreas Marquardt ein gefürchteter Zuhälter in Berlin. Erst als er im Gefängnis landet, beginnt er mit Hilfe eines Therapeuten, seine eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Mit erschütternden Schilderungen über den sexuellen Missbrauch durch seine Mutter geht Marquardt schließlich auch an die Öffentlichkeit - und bricht damit ein Tabu.
Wo immer er auftauchte, herrschte Angst. Ein falsches Wort, ein falscher Blick und Andreas Marquardt fackelte nicht lange, wie er selbst zugibt: "Das, was ich mit den Menschen gemacht habe, war schon äußerst brutal. Für mich war ein Menschenleben nichts wert. Überhaupt nichts. Ich habe keine Skrupel gehabt, jemand zu schlagen, zu treten und umzubringen. Das war in meinem Kopf. Ich hatte Allmachtsphantasien."
Als Zuhälter führte Andreas ein ausschweifendes Leben.
Der Zuhälter Marquardt ist besonders Frauen gegenüber brutal und skrupellos. Er habe die Frauen erniedrigen und benutzen wollen, so sagt er. Er hätte keine Gefühle mehr für Frauen gehabt, sie seien für ihn der letzte Dreck gewesen. Marquardts Revier ist nicht nur die Berliner Halbwelt, in mehreren Städten gehen elf Frauen für ihn anschaffen. Er hält sie kurz, zahlt Unterkunft und Essen, kassiert ansonsten alles selbst.
Mitte der 90er zeigt ihn eine Prostituierte an: Schwere Körperverletzung, Zuhälterei, Menschenhandel, Waffenbesitz. Marquardt bekommt acht Jahre und trifft im Gefängnis auf seine Verteidigerin. Er erinnert sich: "Der erste Mensch war meine Anwältin, die zu mir damals gesagt hat: Herr Marquardt, sie sind doch gar nicht so hart wie sie tun. Was ist mit Ihnen passiert? Was ist Ihnen Böses widerfahren? Und ich habe einen Bruchteil überlegt, fand das ganz rührend, wie sie zu mir war - und ich habe angefangen zu weinen."
Andreas wagte den Schritt in die Öffentlichkeit.
Die Erkenntnis
Im Gefängnis vertraut sich der gefürchtete Schläger zum ersten Mal einem Therapeuten an. Marquard lüftet sein Geheimnis: "Etwa im Alter von sieben Jahren fing meine Mutter an, an mir rumzufummeln, mich an bestimmten Stellen zu streicheln, zu küssen. Bis zum Alter von 14 Jahren musste ich mit meiner Mutter sämtliche sexuellen Sachen machen, die es überhaupt gibt, drei bis vier Mal die Woche und das über Jahre."
Andreas Marquardt stellt sich seiner Kindheit, bricht immer wieder zusammen. Seit acht Jahren wird er von Jürgen Lemke betreut, einem der renommiertesten Therapeuten auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs. Eine Mutter, die ihren Sohn systematisch missbraucht? Lemke von der Beratungsstelle "Kind im Zentrum" (KiZ) Berlin hatte zunächst Zweifel: "Ich habe sehr wohl getestet, ob da Widersprüchliches kommt. Doch mir war ziemlich schnell klar, hier liegt ein ganz realer schwerer Missbrauch durch eine Mutter vor." Einen derart drastischen und dauerhaften Missbrauch kannte er bislang nur von männlichen Tätern. Auch Lemke musste umdenken, skeptische Kollegen überzeugen.
Frauen als Täterinnen
"Tauwetter" in Berlin ist eine der wenigen Beratungsstellen für Männer, die als Junge missbraucht wurden. Von den 1200 männlichen Opfern, die allein seit 1995 dort Unterstützung suchten, wurden laut "Tauwetter" -Statistik ein Drittel durch Frauen missbraucht. Thomas Schlingmann ist einer der Initiatoren von "Tauwetter" und weiß, wovon er spricht: "Ich würde mir wünschen, dass wir dieses falsche Bild, das wir darüber haben, wozu Frauen in der Lage sind, endlich mal korrigieren. Frauen sind als Menschen zu jeder Sache in der Lage, zu der ein Mann in der Lage ist. Und wenn sie keinen Penis haben, dann nehmen sie Hilfsmittel."
Umfassende Forschungsdaten über Täterinnen fehlen. Bis zu 20 Prozent aller Missbrauchsfälle, schätzen Experten, werden von Frauen begangen, oft unter dem Deckmantel der Hygiene, Fürsorge oder Aufklärung. Es sind keineswegs nur Mütter, wie bei Andreas Marquardt, die missbrauchen. Jungen und Mädchen werden genauso Opfer von Großmüttern, Tanten, Babysitterinnen oder Erzieherinnen.
Die Wut wächst
Andreas sucht ein Ventil für seine zunehmende Aggression, trainiert wie besessen Judo und Karate. Er sammelt Gürtel und Titel. Doch zuhause, wo der Vater längst weg ist, schläft "Karate-Andy" noch immer im Bett seiner Mutter. Marquardt erinnert sich: "Sie war wirklich sehr raffiniert, sehr einfallsreich, sehr einfühlsam. Ich sollte besser werden als mein Papa, als Liebhaber, nicht so ein Versager. was Frauen angeht. Und sie würde mich da so hinführen, dass ich schöne Frauen kriege und perfekt bin in der Bewegung. Und das habe ich natürlich erst einmal geglaubt."
Die Mutter starb kurz nach der Aussprache.
Vor sieben Jahren stellt Andreas Marquardt seine Mutter zur Rede. Dort, wo alles passiert ist. Wochenlang bereitet er mit seinem Therapeuten die Begegnung bis ins kleinste Detail vor. Marquardt, damals 46, konfrontiert seine Mutter, befreit sich von seinen Schuldgefühlen. Die Mutter bittet ihren Sohn um Verzeihung. Drei Wochen später stirbt sie. Marquard lässt sie anonym begraben, schwört sich, auf sein verschwiegenes Schicksal aufmerksam zu machen.
Mit dem Tabu brechen
Denn noch immer wird der sexuelle Missbrauch durch Frauen verharmlost. Thomas Schlingmann von "Tauwetter" erklärt: "Es geistern immer noch Vorurteile herum, dass einem Jungen so etwas nicht passiert - und Fragen wie: 'Warum hast du dich nicht gewehrt? Du hast es doch gewollt.' Und wir haben den ganz breiten Mythos des Wunsches eines Jungen, von einer Frau in die Sexualität eingeführt zu werden."
Während Andreas hinter Gittern sitzt, hält seine Lebensgefährtin sein Fitness- und Karatestudio am Laufen. Auch Marion ging damals für Andreas anschaffen. Obwohl sie seine dunklen Seiten kennt, glaubt sie immer an eine Zukunft mit ihrem einstigen Zuhälter und ist sich sicher: "Dass durch den Missbrauch eigentlich ganz viel an seinem Vertrauen zu anderen Menschen kaputtgegangen ist, dass er da ganz viel nachzuholen hat."
Eigene Kinder hat sich Marquardt nie zugetraut, doch seine Neuköllner Karate-Kinder will er stark machen. Sie sollen zu kleinen Persönlichkeiten heranwachsen, die Respekt vor Erwachsenen haben - aber keine Angst. So hofft Marquardt, und er will weiter gegen eines der letzten Tabus ankämpfen. Geschwiegen habe er schließlich viel zu lange.
Andreas Marquardt
Härte: Mein Weg aus dem Teufelskreis der Gewalt
Ullstein Verlag
ISBN-13: 978-3548368986
ZDF Mona Lisa
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. . . . ./'/. /. . /. . / /¯\ Femifaschostaat und
. . . . .\. . . . . . . ..'. ./ Kinderklaumafia .
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