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OLG Hamm: 5 UF 145/09: Neun Jahre Ehe, Unterhaltsverpflichtung bis zum Tod
#1
Wir schreiben das Jahr 2010! Zweieinhalb Jahre nach der Unterhaltsrechtsreform.

Leitsätze: Feststellung einer fehlenden realen Chance auf eine vollschichtige Erwerbstätigkeit als Verkäuferin für eine sogenannte Berufsrückkehrerin unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie der persönlichen Voraussetzungen wie Alter, Gesundheitszustand, Ausbildungs- und Erwerbsbiographie trotz unzureichend dargelegter Erwerbsbemühungen.


Hier wird echt alles gezogen! Gilt natürlich nur für Mütter, die (sogar) nicht mehr für die Erziehung eines Kindes zu sorgen haben.

Wahnsinn!
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/...00303.html

Die Revision wird tatsächlich zugelassen. Huh

Wegen unzureichender Erwerbsbemühungen kann der Beklagten nur dann ein fiktives Einkommen aus einer angemessenen
vollschichtigen Erwerbstätigkeit zugerechnet werden, wenn neben den fehlenden subjektiven Erwerbsbemühungen auch
objektiv die Voraussetzungen vorliegen, dass die Beklagte bei ausreichenden Erwerbsbemühungen eine entsprechende Erwerbstätigkeit gefunden hätte, was von den persönlichen Voraussetzungen der
Beklagten wie Alter, Ausbildung, Berufserfahrung und Gesundheitszustand, pp. sowie den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt abhängig ist


Für das Bestehen einer realen Beschäftigungschance ist nicht erst auf den Beginn des streitbefangenen Zeitraums ab Januar 2009 abzustellen. Ausgangspunkt muss vielmehr schon die im Zuge der Kindesbetreuung einsetzende Erwerbsobliegenheit und die Chance einer darauf aufbauenden, sukzessiven Aufstockung zu einer vollschichtigen
Erwerbstätigkeit sein



(5) Auf diesem Arbeitsmarkt hat die Beklagte als sogenannter Berufsrückkehrer unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Voraussetzungen keine reale Chance auf eine vollschichtige Erwerbstätigkeit als Verkäuferin.


Erst im Jahre 2006 konnten die Vollzeitbeschäftigungen bis ins Jahr 2008 hinein wieder zulegen.
Ab 2009 ist in Folge der Wirtschaftskrise wiederum ein Rückgang der Vollzeitstellen zu verzeichnen. Entsprechend diesem Arbeitsplatzangebot haben sich auch die Arbeitslosenzahlen entwickelt.


...etc

Mein Fazit: Keine Kinder mit VerkäuferInnen zeugen!
Oder überhaupt....Big Grin
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#2
Ich habe da mal wieder eine Verständnisfrage, zu Rdn 74:
Zitat:Ein berufsbedingter Aufwand, wie ihn das Familiengericht in pauschaler Höhe ohne konkreten Nachweis angesetzt hat, ist nicht anzuerkennen. Entgegen den Urteilsgründen des Familiengerichts sehen die Hammer Leitlinien einen pauschalen Abzug nicht vor. Dies entspricht auch nicht der Rechtsprechung des Senats.
... im Verhältnis zu Rdn 84:
Zitat:Dieses Einkommen ist um einen berufsbedingten Aufwand in fiktiver Höhe von pauschal 5% zu bereinigen (vgl. BGH 03.12.2008 - XII ZR 182/06 - Rz 39, FamRZ 2009, 314 [317]), so dass ein Einkommen i.H.v. monatlich 380,00 € verbleibt.
Wie ist das möglich?

Der ganze Rest überrascht mich null, seit ich ihrerzeit das Putzfrau-Urteil vernommen habe.
Zudem hat sich etabliert, dass in jedem Fall ehebedingte Nachteile vorliegen, wenn eine Frau wegen der Betreuung mindestens eines Kindes nicht binnen 8 Wochen nach Geburt wieder am angestammten Arbeitsplatz erscheint.
Dann wird das "Was-wäre-wenn-Spielchen" gespielt.
Man(n) soll sogar froh sein, wenn man dieser Verkäuferin nicht im Falle der Kinderlosigkeit die Vorstandsebene von Karstadt andichtet.
Als Mutter jedenfalls hat sie keine Chancen und ist immer am untersten Ende der Nahrungskette anzusiedeln, soviel steht fest.
Die Arbeitsmarktlage ist wohl noch recht neu, in den Begründungsgliedern schmucker Unterhaltskettchen, kommt zumindest nicht überraschend.
Neu ist mir der verminderte Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/14, bei Bezug von Krankengeld. War das schon immer so?
Und warum gibt es aufseiten der "Berechtigten" einen unverminderten Erwerbstätigenbonus i.H.v. 1/7 für eine fiktive - also nicht ausgeübte - Tätigkeit?

Zitat:Mein Fazit: Keine Kinder mit VerkäuferInnen zeugen!
Oder überhaupt....Big Grin
Einem solchen Schurkenstaat ist umgehend und gepflegt die Kerseite zu zeigen, sobald Mann sich die Rosinen, in Form einer guten Ausbildung, gepickt hat.

off topic:
Irgendwo stand heute in einem Printmedium, dass die Deutschen bei den Patentanmeldungen zurückfallen.
Ein guter Anfang vom Ende, wie ich finde!
16.02.2012, BILD: "Das Halbwahre ist verderblicher als das Falsche." (Ernst Freiherr von Feuchtersleben)
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#3
(29-03-2010, 21:51)Bluter schrieb: Wie ist das möglich?

@p schrieb hier sehr zutreffend:
http://www.trennungsfaq.com/forum/showth...p?tid=2139

Das Spiel ist doch seit Anbeginn immer dasselbe: Die Gesetzgeberin definiert keine anwendbaren Gesetze, sondern eine Rechts-Wolke (Behauptung: Der Einzelfall zähle) und spielt den Gerichten auf diese Weise den Ball zu. Die Gerichte nutzen das, um ein systemimmanenten Unterhaltsmaximierungsprinzip zu fahren. Was ganz im Sinne der Gesetzgeberin ist, spart es doch ein paar Euro Sozialleistungen und unangenehme Arbeitsaufforderungen an faule Exen.

Ich habe den Eindruck, es ist nach dem 1.1.2008 noch schlimmer geworden, als es vor der Reform war. Bei der damaligen 0/8/15 Regelung gab es zumindest einen kleinen Hauch an Rechtssicherheit.
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#4
Nochmal eine Bestätigung zum Thema.

BGH XII ZR 7/09 vom 04.08.2010.

Zum anderen hat das Berufungsgericht das in § 1578 b BGB zum Ausdruck kommende Regel-/Ausnahmeverhältnis verkannt.
Die Herabsetzung oder Befristung ist nach § 1578 b Abs. 1, Abs. 2 BGB vom Familiengericht auszusprechen, wenn ein zeitlich oder der Höhe nach unbeschränkter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Aus § 1578 b BGB ergibt sich, dass die Herabsetzung wie auch die Befristung des Unterhalts nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt.


Daraus auch noch recht interessant für die etwas älteren Herrschaften, die sich über Heiratsabsichten gedanken machen.

Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass der Antragsteller nur für einen geringen Teil der Ehezeit Rentenanwartschaften erworben hat. Er war bereits seit August 1996 (Alters-)Rentner, während die Ehezeit im Sinne des Versorgungsausgleichs vom 1. März 1995 bis zum 30. September 2007 dauerte. Damit ist deutlich, dass durch den Versorgungsausgleich die von der Antragsgegnerin aufgrund der ehelichen Rollenverteilung erlittene Einbuße bei ihrer Altersvorsorge nicht vollständig, sondern nur zu einem geringen Teil ausgeglichen worden ist und der Antragsgegnerin darüber hinaus erhebliche ehebedingte Nachteile verblieben sind.


http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...os=0&anz=1

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#5
Ich markiere mal die wichtigen Stichworte:

"In die Billigkeitsbetrachtung sind also auch vom Gesetz nicht ausdrücklich aufgeführte Einzelfallumstände für oder gegen eine Herabsetzung oder Befristung einzubeziehen. Zum anderen hat das Berufungsgericht das in § 1578 b BGB zum Ausdruck kommende Regel-/Ausnahmeverhältnis verkannt. Die Herabsetzung oder Befristung ist nach § 1578 b Abs. 1, Abs. 2 BGB vom Familiengericht auszusprechen, wenn ein zeitlich oder der Höhe nach unbeschränkter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Aus § 1578 b BGB ergibt sich, dass die Herabsetzung wie auch die Befristung des Unterhalts nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt."

BGH XII ZR 7/09 vom 04.08.2010, Seite 11

Wer immer noch nicht glaubt, dass Unterhaltsansprüche wie Kaugummi beliebig ausgeweitet werden können, der darf sich vom Bundesgerichtshof belehren lassen, wie mit Billigkeits- und Einzelfallbetrachtungen nahezu jeder Unterhaltsanspruch begründet werden kann.
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#6
(28-09-2010, 02:00)Mus Lim schrieb: "Aus § 1578 b BGB ergibt sich, dass die Herabsetzung wie auch die Befristung des Unterhalts nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt."

BGH XII ZR 7/09 vom 04.08.2010

Mir geht langsam nur noch die Hutschnur hoch, was diesen beschissenen Staat und vor allem seine Richterbande angeht, die man in den Knast stecken sollte!!

Ganz toll, wie da der BGH hier zum Thema Regel & Ausnahme vor sich hinphilosophiert. Mit fatalen Folgen, wie wir alle wissen.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie schon Monate vor Inkrafttreten der Unterhaltsreform 2008 auf den Seiten des Ministeriums der Scheinzypresse frohlockt wurde, dass nach der Reform lebenslanger Unterhalt nur noch die Ausnahme und nicht die Regel sein sollte.

Das wurde unter dem damals ausgelobten Reformpunkt "gesteigerte Eigenverantwortung" immer wieder hervorgehoben.

Sehr interessant allerdings, dass man diese Dokumente heute nicht mehr auf der Seite findet (ich hab's jedenfalls nicht geschafft).

Und hier haben wir jetzt das durch den BGH manifestierte klare Gegenteil.

Ich bin echt fassungslos, wie sehr Politiker, Juristen und Richter meinen, wie man das Volk verarschen kann.

Und das schlimme ist, dass diese Verbrecherbande damit auch noch durch kommt... Angry

Manchmal würde ich mich echt freuen, wenn es wieder eine RAF geben würde, die sich diesmal mit Richtern beschäftigt... (ok, eine unqualifizierte Bemerkung aber ich habe seit langem einen riesigen Hals der nicht mehr kleiner werden will. Einen großen Dank an diesen Drecksstaat dafür....)

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