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Österreich: OGH Geschäftszahl 7Ob155/08g vom 11.09.2008
#1
OGH 7Ob155/08g vom 11.09.2008

Dieses Urteil hat Europäische Bedeutung hinsichtlich der Zuständigkeit der Gerichte mit Bezug auf die EuEheVO (Brüssel IIa).

Hintergrund: Eine Österreicherin heiratet einen Italiener in der Schweiz. Nach einigen Jahren trennen sie sich in der Schweiz wieder. Weil Österreich aber noch restriktiver gegenüber Männern ist, als es die Schweiz ohnehin schon ist, zieht die Österreicherin in ihr Heimatland um und reicht dort umgehend die Scheidung ein. Das angerufene Österreichische Gericht muss nun aufgrund der EuEheVO klären, ob es zuständig ist.

Um es vorweg zu nehmen - es hat sich für unzuständig erklärt, was schließlich vom Obersten Gerichtshof in Österreich mit dem zitierten Entscheid bestätigt wurde.

Hintergrund der Entscheidung ist die Ausschließlichkeit der EuEheVO bei der Klärung der Zuständigkeit und die Anknüpfbarkeit des Beklagten an einen Europäischen Staat - die Schweiz ist Drittland, genauso wie zB. die Türkei.

Nach EuEheVO Art.3 "Allgemeine Zuständigkeit" Abs 1 a) gibt es sechs Regeln, nach denen ein Gericht zuständig wäre - dabei wäre allenfalls die letzte für die Österreicherin anwendbar:
Zitat:Artikel 3
Allgemeine Zuständigkeit
(1) ... die Gerichte des Mitgliedstaats [sind] zuständig,
a) in dessen Hoheitsgebiet
...
- der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten
unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat
und
entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats
ist oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und
Irlands, dort sein „domicile“ hat;
Sie (also "er" im Text) könnte Österreichische Gerichte anrufen, wenn sie sich schon seit sechs Monaten dort aufhalten würde - eine Frist, die sie nicht eingehalten hat. Dabei ist aber auch entscheidend, dass der Italiener die Staatsangehörigkeit eines EU-Landes, nämlich Italien, hat. Er ist damit durch die Ausschließlichkeitsbestimmungen aus Art.6 geschützt:
Zitat:Artikel 6
Ausschließliche Zuständigkeit nach den Artikeln 3, 4
und 5

Gegen einen Ehegatten, der
a) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats hat oder
b) Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist oder im Fall des
Vereinigten Königreichs und Irlands sein „domicile“ im
Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat,

darf ein Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats
nur nach Maßgabe der Artikel 3, 4 und 5 geführt werden.
Das kann man wohl nur als Pech bezeichnen. Anders sehe die Lage aus, wenn ihr Ehegatte aus einem nicht EU Staat, wie Nigeria käme. Dann würden die Ausschließlichkeitsbestimmungen nicht gelten und damit Art.7 zur Anwendung kommen:
Zitat:Artikel 7
Restzuständigkeit
(1) Soweit sich aus den Artikeln 3, 4 und 5 keine Zuständigkeit
eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich
die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses
Staates.
...
Genauso sieht es auch das OGH Österreichs:
Zitat:Der Beklagte wäre also dann nicht durch Art 6 EuEheVO geschützt, wenn er weder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats wäre
noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hätte. Nur in diesem Fall wäre der Ehefrau -
mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die „Ausschließlichkeit der in den Art 3 bis 5 EuEheVO
festgelegten Zuständigkeiten, die die Zuständigkeitsvorschriften des nationalen Rechts verdrängen"- durch Art 7 EuEheVO die nationale
Restzuständigkeit nach § 76 Abs 2 Z 1 JN eröffnet
festgelegten Zuständigkeiten, die die Zuständigkeitsvorschriften des nationalen Rechts verdrängen"
...
Mit anderen Worten wäre die Frau in Österreich durchaus mit ihrem Scheidungsantrag erfolgreich gewesen, wenn ihr Gatte Nigerianer gewesen wäre, weil er dann eben nicht durch die EuEheVO geschützt gewesen wäre.
https://t.me/GenderFukc


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