13-01-2009, 16:41
BGH Beschluss Az XII ZB 53/06 vom 5.11.2008
Volltext http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...=0&Frame=2
Der BGH verhandelte über einen Versorgungsausgleich nach einer gescheiterten Ehe. Berufsoffizier und Lehrerin, gleichalt. Der Offizier wurde bereits pensioniert, offenbar ein Pilot. Ihm wurde laut Amts- und OLG-Urteil im Zuge des Versorgungsausgleichs ein Teil der Versorgung weggenommen. Zusätzliche Ansprüche kann er nicht mehr aufbauen. Würde er das durch eine zusätzliche sozialversicherungspflichtige Tätigkeit tun, würde ihm die Versorgung entsprechend gekürzt. Im Ergebnis führt der Versorgungsausgleich dazu, dass die Beiden mit 63 Jahren sehr unterschiedliche Ansprüche haben: Der Mann deutlich weniger, die Frau deutlich mehr. Der Mann begehrt, gemäss § 1587c Nr. 1 BGB, den Versorgungsausgleich nicht durchzuführen, weil durch die sehr unterschiedlichen Ergebnisse für den Pflichtigen und die Berechtigte der Pflichtige ungerecht belastet würde. Der BGH verweigert ihm das und nimmt zur "groben Unbilligkeit" in dem betreffenen Paragrafen Stellung:
Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Eine unbillige Härte liegt nur vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falls dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise; vielmehr muss sich die grobe Unbilligkeit wegen des Ausnahmecharakters von § 1587 c Nr. 1 BGB im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 107/04 - FamRZ 2007, 1964 und vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770).
Der Versorgungsausgleich soll nicht nur zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten für den Fall des Alters oder der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit beitragen bzw. eine unbefriedigende Altersversorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten verbessern. Die Inanspruchnahme desjenigen, der während der Ehezeit die werthöheren Versorgungsanwartschaften erworben hat, wird vielmehr durch die eheliche Lebensgemeinschaft gerechtfertigt, die (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist. Trennt sich das Versorgungsschicksal der beiden Ehegatten wegen des Scheiterns der Ehe, so bewirkt der güterrechtlich ausgestaltete Versorgungsausgleich, dass die in der Ehezeit erworbenen Anrechte gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherungen gleichmäßig aufgeteilt werden. Beide Ehegatten haben nach dem Wertausgleich - bezogen auf den ehezeitlichen Erwerb - gleich hohe Versorgungsrechte (Senatsbeschluss vom 24. Februar 1999 - XII ZB 47/96 - FamRZ 1999, 714, 715). Die gleichmäßige Teilhabe an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten ist grundsätzlich unabhängig davon, ob der Ausgleichsberechtigte zu seiner sozialen Absicherung auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs angewiesen ist. Ebensowenig ist es von entscheidender Bedeutung, ob die auszugleichenden Anrechte im Verhältnis zu dem Vermögen und den Einkommensverhältnissen des Ausgleichsberechtigten eine ins Gewicht fallende Größe darstellen (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238,1239).
Ein Härtegrund im Sinne des § 1587 c Nr. 1 BGB kann nach der Rechtsprechung des Senats zwar dann bestehen, wenn der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten für den Fall des Alters oder der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beiträgt, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde (Senatsbeschlüsse vom 25. April 2007 - XII ZB 206/06 - FamRZ 2007, 1084, 1086 und vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238, 1239). Allerdings liegen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Ausgleichsberechtigte gegenüber dem Ausgleichspflichtigen nach Durchführung des Versorgungsausgleichs - wie hier die Ehefrau - über eine höhere Versorgung verfügt. Von grober Unbilligkeit des Ausgleichsergebnisses kann erst ausgegangen werden, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich klar abzusehen ist, dass der Ausgleichsberechtigte über eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Altersversorgung verfügen wird oder bereits anderweitig abgesichert ist, während der Ausgleichspflichtige auf die von ihm ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluss vom 25. April 2007 - XII ZB 206/06 - FamRZ 2007, 1084, 1086 f. und Senatsbeschluss vom 23. Februar 2005 - XII ZB 198/01 - FamRZ 2005, 696, 699).
cc) Solche Umstände liegen hier nicht vor.
(...) Auch ist der Ehemann durch die mögliche Kürzung seiner Versorgungsbezüge grundsätzlich nicht daran gehindert, nach Beginn des Ruhestandes mit Vollendung des 53. Lebensjahres seine Altersversorgung durch eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zu verbessern, um nach Vollendung des 65. Lebensjahres die sich durch den Versorgungsausgleich auswirkende Lücke in seiner Beamtenversorgung (teilweise) auszugleichen.
Der BGH sagt also:
- da die Restbezüge des Mannes noch nicht so niedrig sind, dass der Staat einspringen muss, ist alles in Ordnung. Erst wenn der Staat zahlen müsste, wird es "grob unbillig". Gerechtigkeit nach Haushaltslage, ganz der schlechte alte BGH-Stil.
- ob ein Versorgungsausgleich überhaupt sinnvoll oder gar gerecht ist, spielt keine Rolle. Die Buchstaben sind wichtiger wie der Sinn dahinter. Die eigentlich Idee des Versorgungsausgleichs, nämlich ein Nachteilsausgleich interessiert nicht.
- Die Ehe ist wie eine Anstellung, bei der man Ansprüche samt Rente erwirbt und einpackt. Auszahlung nach Kündigung. Was man in dieser Anstellung tut, ist egal, Geld gibts immer.
- Der Mann wird -ebenfalls nach schlechtem alten BGH Stil- auf Unmögliches verwiesen, auf Fiktionen, damit sich das Ergebnis des ganzen Rechtsgebildes entsprechend hindrehen lässt.
In dem ganzen Fall schwingt die Angst der Gerichte mit, dass Zweifel an Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs entstehen, entsprechend eifrig wird getüncht. Der Versorgungsausgleich ist eines der 1977 ganz neu eingeführten grossen Monster des deutschen Familienrechts, das keine Gerechtigkeit, aber viele "Experten", noch mehr aufwendige Rechnungen und krasse Ungerechtigkeiten vollbracht hat. Das bisherige System ist seit Jahren nicht mehr verfassungskonform, der jüngste Reformanlauf findet eben jetzt statt. Ändern wird er aber nur etwas an den Berechnungsmethoden, am Inhalt wird nicht gekratzt.
Volltext http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...=0&Frame=2
Der BGH verhandelte über einen Versorgungsausgleich nach einer gescheiterten Ehe. Berufsoffizier und Lehrerin, gleichalt. Der Offizier wurde bereits pensioniert, offenbar ein Pilot. Ihm wurde laut Amts- und OLG-Urteil im Zuge des Versorgungsausgleichs ein Teil der Versorgung weggenommen. Zusätzliche Ansprüche kann er nicht mehr aufbauen. Würde er das durch eine zusätzliche sozialversicherungspflichtige Tätigkeit tun, würde ihm die Versorgung entsprechend gekürzt. Im Ergebnis führt der Versorgungsausgleich dazu, dass die Beiden mit 63 Jahren sehr unterschiedliche Ansprüche haben: Der Mann deutlich weniger, die Frau deutlich mehr. Der Mann begehrt, gemäss § 1587c Nr. 1 BGB, den Versorgungsausgleich nicht durchzuführen, weil durch die sehr unterschiedlichen Ergebnisse für den Pflichtigen und die Berechtigte der Pflichtige ungerecht belastet würde. Der BGH verweigert ihm das und nimmt zur "groben Unbilligkeit" in dem betreffenen Paragrafen Stellung:
Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre. Eine unbillige Härte liegt nur vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falls dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise; vielmehr muss sich die grobe Unbilligkeit wegen des Ausnahmecharakters von § 1587 c Nr. 1 BGB im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 107/04 - FamRZ 2007, 1964 und vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770).
Der Versorgungsausgleich soll nicht nur zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten für den Fall des Alters oder der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit beitragen bzw. eine unbefriedigende Altersversorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten verbessern. Die Inanspruchnahme desjenigen, der während der Ehezeit die werthöheren Versorgungsanwartschaften erworben hat, wird vielmehr durch die eheliche Lebensgemeinschaft gerechtfertigt, die (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist. Trennt sich das Versorgungsschicksal der beiden Ehegatten wegen des Scheiterns der Ehe, so bewirkt der güterrechtlich ausgestaltete Versorgungsausgleich, dass die in der Ehezeit erworbenen Anrechte gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherungen gleichmäßig aufgeteilt werden. Beide Ehegatten haben nach dem Wertausgleich - bezogen auf den ehezeitlichen Erwerb - gleich hohe Versorgungsrechte (Senatsbeschluss vom 24. Februar 1999 - XII ZB 47/96 - FamRZ 1999, 714, 715). Die gleichmäßige Teilhabe an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten ist grundsätzlich unabhängig davon, ob der Ausgleichsberechtigte zu seiner sozialen Absicherung auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs angewiesen ist. Ebensowenig ist es von entscheidender Bedeutung, ob die auszugleichenden Anrechte im Verhältnis zu dem Vermögen und den Einkommensverhältnissen des Ausgleichsberechtigten eine ins Gewicht fallende Größe darstellen (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238,1239).
Ein Härtegrund im Sinne des § 1587 c Nr. 1 BGB kann nach der Rechtsprechung des Senats zwar dann bestehen, wenn der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten für den Fall des Alters oder der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beiträgt, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde (Senatsbeschlüsse vom 25. April 2007 - XII ZB 206/06 - FamRZ 2007, 1084, 1086 und vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238, 1239). Allerdings liegen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Ausgleichsberechtigte gegenüber dem Ausgleichspflichtigen nach Durchführung des Versorgungsausgleichs - wie hier die Ehefrau - über eine höhere Versorgung verfügt. Von grober Unbilligkeit des Ausgleichsergebnisses kann erst ausgegangen werden, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich klar abzusehen ist, dass der Ausgleichsberechtigte über eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Altersversorgung verfügen wird oder bereits anderweitig abgesichert ist, während der Ausgleichspflichtige auf die von ihm ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluss vom 25. April 2007 - XII ZB 206/06 - FamRZ 2007, 1084, 1086 f. und Senatsbeschluss vom 23. Februar 2005 - XII ZB 198/01 - FamRZ 2005, 696, 699).
cc) Solche Umstände liegen hier nicht vor.
(...) Auch ist der Ehemann durch die mögliche Kürzung seiner Versorgungsbezüge grundsätzlich nicht daran gehindert, nach Beginn des Ruhestandes mit Vollendung des 53. Lebensjahres seine Altersversorgung durch eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zu verbessern, um nach Vollendung des 65. Lebensjahres die sich durch den Versorgungsausgleich auswirkende Lücke in seiner Beamtenversorgung (teilweise) auszugleichen.
Der BGH sagt also:
- da die Restbezüge des Mannes noch nicht so niedrig sind, dass der Staat einspringen muss, ist alles in Ordnung. Erst wenn der Staat zahlen müsste, wird es "grob unbillig". Gerechtigkeit nach Haushaltslage, ganz der schlechte alte BGH-Stil.
- ob ein Versorgungsausgleich überhaupt sinnvoll oder gar gerecht ist, spielt keine Rolle. Die Buchstaben sind wichtiger wie der Sinn dahinter. Die eigentlich Idee des Versorgungsausgleichs, nämlich ein Nachteilsausgleich interessiert nicht.
- Die Ehe ist wie eine Anstellung, bei der man Ansprüche samt Rente erwirbt und einpackt. Auszahlung nach Kündigung. Was man in dieser Anstellung tut, ist egal, Geld gibts immer.
- Der Mann wird -ebenfalls nach schlechtem alten BGH Stil- auf Unmögliches verwiesen, auf Fiktionen, damit sich das Ergebnis des ganzen Rechtsgebildes entsprechend hindrehen lässt.
In dem ganzen Fall schwingt die Angst der Gerichte mit, dass Zweifel an Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs entstehen, entsprechend eifrig wird getüncht. Der Versorgungsausgleich ist eines der 1977 ganz neu eingeführten grossen Monster des deutschen Familienrechts, das keine Gerechtigkeit, aber viele "Experten", noch mehr aufwendige Rechnungen und krasse Ungerechtigkeiten vollbracht hat. Das bisherige System ist seit Jahren nicht mehr verfassungskonform, der jüngste Reformanlauf findet eben jetzt statt. Ändern wird er aber nur etwas an den Berechnungsmethoden, am Inhalt wird nicht gekratzt.