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Landessozialgericht Niedersachsen L8SO 134/08 ER: ARGE muss Umgang zahlen
#1
Der klagende Vater hat es schon bei pappa.com im Forum veröffentlicht. Vier Jahre Streit und Klagen, nun ein Teilsieg im wichtigen Bereich. Er beantragte Erstattung der Umgangskosten und weiterer Kosten, die ihm aus der Anwesenheit seiner Kinder entstanden. Man hat ihn erst abgebügelt, wie üblich. Wichtige Passagen habe ich im Urteil hervorgehoben, die sagen eigentlich alles aus. Enthalten sind sehr viele wichtige Details für die Praxis, z.B. die Zuständigkeiten, Referenzentscheidungen, Argumentationslinien. Handwerklich sauberes Urteil.

LANDESSOZIALGERICHT NIEDERSACHSEN-BREMEN
L8SO 134/08 ER
S 32 SO 117/08 ER (Sozialgericht Braunschweig)

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit
1. xyz, (Kindesvater)
2. abc (Kind),
3. def (Kind),

Antragsteller zu 2. und 3.: vertreten durch xyz, ; Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,

Antragsteller und Beschwerdeführer,
gegen
Landkreis Peine, vertreten durch den Landrat - Fachdienst Soziales -, Burgstraße 1, 31224 Peine,

Antragsgegner und Beschwerdegegner, hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 7. November 2008 in Celle
durch die Richter Scheider - Vorsitzender -, Wimmer und Wessels beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsteller zu 2. und 3. wird der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 10. Juli 2008 geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung ver­pflichtet, den Antragstellern zu 2. und 3. vorläufig - unter dem Vorbe­halt der Rückforderung - vom 14. Juni 2008 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die ihnen durch die im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts erfolgten bzw. erfolgenden Besuchs­aufenthalte bei dem Antragsteller zu 1. entstandenen bzw. entstehen­den Lebenshaltungskosten (anteiliges Sozialgeld) und Fahrtkosten zu übernehmen, und zwar für die zurückliegende Zeit als Erstattung und für die zukünftige Besuchsaufenthalte als Vorschuss. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Antragstellers zu 1. wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die den Antragstellern zu 2. und 3. in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Antragstellers zu 1. sind nicht zu erstat­ten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

GRUNDE I.

Der in Peine lebende und vom Antragsgegner (der zugleich örtlicher Sozialhilfe­träger ist) Leistungen nach dem SGB II beziehende Antragsteller zu 1. sowie seine bei ihrer Mutter (seit 1999 vom Antragsteller zu 1. geschieden) in Hamburg lebenden Söhne J. und L. (Antragsteller zu 2. und 3., geboren am ... bzw. am ...; gemeinsames Sorgerecht der Eltern) begehren, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu ver­pflichten, die ihnen durch die Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Kos­ten zu übernehmen. Das dem Antragsteller zu 1. im Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 29. Februar 1999 eingeräumte Umgangsrecht gestattet ihm im Wesentlichen, seine Söhne an jedem ersten und dritten Freitag eines jeden Mo­nats bis zum darauf folgenden Sonntag zu sich zu holen. Der Beschluss sieht vor, dass der Antragsteller zu 1. seine Söhne bei der Mutter abholt und wieder zurück bringt. Nach dem Vorbringen des Antragstellers zu 1. halten sie sich ein­schließlich der Ferienzeiten im Jahresdurchschnitt 10 von 30 Tagen im Monat bei ihm auf.

Der Antragsteller zu 1. bezieht von dem Antragsgegner (- Fachdienst Arbeit-) Arbeitslosengeld II ohne Berücksichtigung der Antragsteller zu 2. und 3. und oh­ne Kosten des Umgangsrechts. Gegen die jeweiligen Bescheide hat der An­tragsteller zu 1. Widerspruch eingelegt bzw Klage erhoben. Ein Antrag auf Über­nahme der Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts wurde von dem An­tragsgegner -Fachgebiet Soziales - mit Bescheid vom 17. März 2008 abge­lehnt. Ein Überprüfungsantrag des Antragstellers zu 1. vom 31. Mai 2008 ist bis­her von dem Antragsgegner nicht beschieden worden.

Die Antragsteller haben am 14. Juni 2008 bei dem Sozialgericht Braunschweig um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und im einzelnen beantragt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
1. dem Antragsteller die notwendigen Lebenshaltungskosten für seine bei­den Kinder ab dem 14.06.2008 in Höhe von 1/3 der Regelleistung zu zah­len,
2. den Antragstellern die notwendigen Fahrtkosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts zu zahlen,
3. die Zustimmung zum Umzug in eine 3-Zimmer-Wohnung zu erteilen und
4. die Kosten für ein vollständiges Jugendzimmer zu übernehmen.


Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 10. Juli 2008 abgelehnt. Dagegen haben die Antragsteller am 31. Juli 2008 Beschwerde eingelegt.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig und hinsichtlich der Antragsteller zu 2. und 3. weitestgehend begründet, hinsichtlich des Antragstellers zu 1. un­begründet.

Der am 14. Juni 2008 gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zulässig.

Das grundsätzlich für den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG erforderliche streitige Rechtsverhältnis liegt hier vor. Der Antragstel­ler zu 1. hat gegenüber dem Antragsgegner eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er für sich und seine Kinder Leistungen begehrt („Fahrtkosten Umgangs­recht/Sorgerecht, anteiliges Sozialgeld"), bestandskräftige Bescheide liegen je­denfalls hinsichtlich der Zeit ab dem Antragseingang beim SG am 14. Juni 2008 nicht vor. Dabei ist hier unbeachtlich, ob der Antragsgegner im Rahmen seiner Zuständigkeit als örtlicher Sozialhilfeträger (§ 97 Abs 1 SGB XII iVm § 1 des Nie­dersächsischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII) oder als kommunaler Trä­ger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 6 SGB II iVm der Kommunalträ­ger-Zulassungsverordnung) betroffen ist, weil sowohl Bescheide des Fachdiens­tes Soziales als auch des Fachdienstes Arbeit ergangen sind. Damit kann hier offen bleiben, ob das im Sozialrecht geltende Meistbegünstigungsprinzip (vgl hierzu BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, juris, Rdnr 10) im­mer bei Leistungsbegehren gilt, für die Anspruchsgrundlagen im SGB II und im SGB XII in Betracht kommen oder dies - nur - bei den sog Optionskommunen gilt.

Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung bedurfte es deshalb auch keiner Beila­dung, weil der Antragsgegner als Rechtsträger ohnehin beteiligt ist und nach niedersächsischem Landesrecht Behörden nicht beteiligungsfähig sind (§ 70 SGG).

Die Antragsteller zu 2. und 3. haben einen Anordnungsanspruch darauf, den An­tragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG vorläufig zur Übernahme der ihnen durch die im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts erfolgten bzw. erfolgenden Besuchsaufenthalte bei dem An­tragsteller zu 1. entstandenen bzw. entstehenden Lebenshaltungs- und Fahrt­kosten zu verpflichten.

Die Antragsteller zu 2. und 3. haben einen Anspruch auf die von ihnen für die Zeiten ihrer Besuchsaufenthalte bei dem Antragsteller zu 1. begehrten anteiligen Regelleistungen (Sozialgeld) - allerdings nur in Höhe von 1/30 des Monatssat­zes pro nachgewiesenem Tag des Aufenthalts - gemäß § 20 Abs 2 iVm § 28 Abs 1 Satz 1, Satz 2, Satz 3 Nr 1, § 7 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Nr 4 und § 9 Abs 1, Abs 2 SGB II glaubhaft gemacht. Die Antragsteller zu 2. und 3. bilden - wie von der Antragsgegnerin auch angenommen wird - in der Zeit ihres Aufenthaltes bei dem Antragsteller zu 1. mit diesem eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006, - B 7b AS 14/06 R -, NZS 2007, 383, und juris, Rdnr 27, 28). Sie haben glaubhaft gemacht, während der Besuchsaufent­halte bei dem Antragsteller zu 1. hilfebedürftig zu sein. Der Antragsteller zu 1. kann ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen, weil er selbst hilfebedürftig ist und die ihm gewährten SGB II - Leistungen des Antragsgegners nur zur Siche­rung seines eigenen Lebensunterhalts ausreichen. Die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3., QWE, ist - wie eine google-Recherche des Senats ergeben hat - seit Januar 2003 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften der Universität Bremen. Es kann daher da­von ausgegangen werden, dass sie über ausreichendes Einkommen verfügt, welches sie neben dem den Antragstellern zu 2. und 3. gewährten Betreuungs­unterhalt (§ 1606 Abs 3 Satz 2 BGB) wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit des an sich barunterhaltspflichtigen Antragstellers zu 1. auch zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet (so genannte Ausfallhaftung, vgl Palandt, BGB, 66. Aufl 2007, § 1606 Rdnr 19). Ob entsprechende Unterhaltsansprüche der Antragstel­ler zu 2. und 3. bestehen, welche im Leistungsfall auf den Antragsgegner über­gehen, kann jedoch dahinstehen. Denn solche Ansprüche sind nicht - ihrer Hil­febedürftigkeit entgegenstehende - Einkommen der Antragsteller zu 2. und 3. im Sinne von § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Solches Einkommen läge nur vor, wenn sie tatsächlich Unterhaltszahlungen der Mutter für die Besuchsaufenthalte bei ihrem Vater erhalten. Die Antragsteller zu 2. und 3. haben jedoch glaubhaft ge­macht, dass dies nicht der Fall ist. Der Antragsteller zu 1. hat zur Begründung der Beschwerde vorgetragen, die Kindesmutter gebe ihnen für die Zeit ihres Be­suchsaufenthalts bei ihm weder Geld noch Wechselwäsche oder sonstige Ge­genstände mit. Die Antragsteller zu 2. und 3. selbst haben mit schriftlicher Erklä­rung vom 4. Oktober 2008 glaubhaft versichert, ihre Mutter gebe ihnen für die Aufenthalte bei ihrem Vater kein Geld mit. Diese Erklärungen sind vor dem Hin­tergrund, dass die Mutter an sich nur den von ihr erbrachten Betreuungsunterhalt (und nicht auch noch Barunterhalt) schuldet und der Antragsteller zu 1. als um­gangsberechtigter Elternteil grundsätzlich (Ausnahme - wie hier -: eigene Hilfe­bedürftigkeit) die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts zu tragen hat, plau­sibel.

Das Kindergeld ist nicht Einkommen der Antragsteller zu 2. und 3. Es wird an ihre Mutter ausgezahlt und ist den Antragstellern zu 2. und 3. auch nicht gemäß 11 Abs 1 Satz 3 SGB II als eigenes Einkommen zuzurechnen. Das Kindergeld für minderjährige Kinder, die - wie hier die Antragsteller zu 2. und 3. während der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Vater - nicht in einer Familien­haushaltsgemeinschaft mit der kindergeldberechtigten Person leben, ist Ein­kommen des bezugsberechtigten Elternteils und darf dem Kind nur angerechnet werden, soweit es an dieses durch einen gesonderten zweckorientierten Zuwen­dungsakt tatsächlich weitergegeben wird (vgl. Brühl in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2007, § 82 Rdnr 60 mwN). Die Mutter ist zwar grundsätzlich gehalten, aus dem an sie gezahlten Kindergeld den Antragstellern zu 2. und 3. Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen diese ihren Lebensunterhalt - zu denen etwa auch die Kos­ten der Fahrten zum umgangsberechtigten Antragsteller zu 1. sowie die Kosten der dortigen Besuchsaufenthalte gehören - bestreiten können. Insoweit ist je­doch - wie bereits ausgeführt - glaubhaft gemacht, dass die Mutter der An­tragsteller zu 2. und 3. ihnen tatsächlich die benötigten Mittel zur Ausübung des Umgangsrechts nicht zur Verfügung stellt.

Da den Antragstellern zu 2. und 3. die zur Ausübung des Umgangsrechts not­wendigen Mittel tatsächlich nicht zur Verfügung stehen - auf die Anspruchsbe­rechtigung kommt es nach dem Tatsächlichkeitsgrundsatz nicht an -, droht die Vereitelung des Umgangsrechts, und die Antragsgegnerin ist gehalten, das Feh­len der notwendigen „bereiten Mittel" durch Gewährung der begehrten anteiligen Regelleistungen zu ersetzen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2008 - L 20 AS 112/06 -, juris Rdnr 47).

Die Antragsteller zu 2. und 3. haben auch einen Anspruch gegen den Antrags­gegner auf Übernahme der zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten glaubhaft gemacht. Anspruchsgrundlage ist § 73 SGB XII (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006, a.a.O. juris Rn. 22 - 26). Der Antragsgegner ist entgegen seiner Auffassung insoweit gemäß §§ 97, 98 Abs. 1 SGB XII der sach­lich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger.

Das BSG hält eine Zuständigkeit des für den Aufenthalt der Kinder bei dem zur Ausübung des Umgangsrechts besuchten Elternteil zuständigen Trägers für denkbar (vgl. Urteil vom 7. November 2006, a.a.O., Rn. 26). Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Seinen tatsächlichen Auf­enthalt hat ein Hilfesuchender dort, wo ihn der Träger der Sozialhilfe in Person vorfindet. Der tatsächliche Aufenthalt ist mit dem gewöhnlichen Aufenthalt als dem auf Dauer begründeten örtlichen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen nicht notwendigerweise identisch. Entscheidend ist die rein physische Anwesenheit des Hilfesuchenden im Bereich des Sozialhilfeträgers. Die Antragsteller zu 2. und 3. haben ihren tatsächlichen Aufenthalt während der Ausübung des Um­gangsrechts bei ihrem Vater im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners, an­sonsten in Hamburg bei ihrer Mutter. Ihr zu deckender Fahrtkostenfinanzierungsbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts entsteht sowohl während ihres tatsächlichen Aufenthalts an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort bei der Mutter in Hamburg - nämlich hinsichtlich der Fahrtkosten zum Vater nach Peine - als auch während ihres tatsächlichen Aufenthalts zur Ausübung des Umgangsrechts bei ihrem Vater in Peine - nämlich hinsichtlich der Fahrtkosten zurück nach Ham­burg -. Sieht man den Bedarf zur Finanzierung der Fahrtkosten für Hin- und Rückfahrt als einheitlich am Ausgangsort entstanden an, ergibt sich ebenso we­nig nur ein (klarer) Aufenthaltsort, an dem dieser Bedarf entsteht. Denn aus der Perspektive des tatsächlichen Aufenthalts bei dem Vater in Peine handelt es sich um eine Hinfahrt nach Hamburg mit Rückfahrt nach Peine und aus der Perspek­tive des tatsächlichen Aufenthalts in Hamburg um eine Hinfahrt nach Peine mit Rückfahrt nach Hamburg. Allein nach dem Wortlaut des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lässt sich daher nicht klären, ob der Hamburger Sozialhilfeträger oder der für Peine zuständige Antragsgegner zuständig ist. Dem Schutzzweck der Norm -und einer sinnvollen Verwaltungsorganisation - würde es widersprechen, eine geteilte bzw. wechselnde örtliche Zuständigkeit für die Gewährung von Leistun­gen zur Deckung der durch die Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Kosten anzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 5 C 26/92 -, BVerwGE 96, 152, juris Rnr. 11 zur Vorgängervorschrift des § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG).

Sinn und Zweck des die Zuständigkeit des ortsnahen Sozialhilfeträgers anord­nenden § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist, im Interesse des Hilfesuchenden eine schnelle und effektive Beseitigung der gegenwärtigen Notlage zu ermöglichen. Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der ortsnahe Sozialhilfeträger schnel­ler als der ortsferne in der Lage ist, die erforderlichen Ermittlungen, insbesonde­re zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Hilfesuchenden, vorzunehmen (BVerwG, ebenda). Daher ist es in der vom Antragsgegner zur Begründung der Zuständigkeit des hamburgischen Sozialhilfeträgers herange­zogenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994, aaO; VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 23. November 1995 - 6 S 941/09 -, Juris) für Fälle, in denen der Hilfeempfänger sich in regelmäßigem Wechsel an zwei Orten tatsächlich aufhält, für gerechtfertigt erachtet worden, die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers an den Ort zu knüpfen, der die per­sönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Hilfeempfängers maßgeblich bestimmt und seinen familiären Lebensmittelpunkt bildet. Diese Rechtsprechung beansprucht aber nicht für alle Fälle Geltung, in denen ein Hilfeempfänger sich im regelmäßigen Wechsel an zwei Orten tatsächlich aufhält. Der Leitsatz des soeben zitierten Urteils des VGH Baden- Württemberg ist zwar derart abstrakt formuliert, der ausschließliche Bezug auf den konkret entschiedenen Fall wird aber aus den Entscheidungsgründen deutlich. In dem Urteil des BVerwG vom 23. Juni 1994, auf das sich auch der VGH Baden- Württemberg gestützt hat, kommt der Einzelfallbezug in folgender Formulierung sehr deutlich zum Aus­druck:

„Das Ziel einer möglichst wirksamen sozialrechtlichen Betreuung des im August 1985 erst elf Jahre alt gewesenen Klägers rechtfertigt es daher, die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers an den Ort zu knüpfen, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers maß­geblich bestimmt und seinen familiären Lebensmittelpunkt bildet."
Zum anderen ist die vorgenannte Rechtsprechung des BVerwG und des VGH Baden-Württemberg auch nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil die­ser anders gelagert ist, als die vom BVerwG („Der Sozialhilfeträger, der für ein bei den Eltern lebendes minderjähriges Kind örtlich zuständig geworden ist, bleibt auch während der Schultage örtlich zuständig, die das Kind in einem Schulinternat verbringt, das im Bereich eines anderen Sozialhilfeträgers liegt.") und vom VGH Baden- Württemberg (in dieser Entscheidung ging es um eine verheiratete Hilfeempfängerin mit Kind, die während der Woche am Ort der Aus­bildungsstätte ein Zimmer in einem Wohnheim bewohnte, an den Wochenenden aber den Ort der gemeinsamen Ehewohnung zurückkehrte) entschiedenen Fälle. Ein entscheidender Unterschied besteht darin, dass in diesen Fällen bereits un­streitig eine zunächst am Ort des familiären Lebensmittelpunkts begründete örtli­che Zuständigkeit gegeben war, die als durch den vorübergehenden schul- bzw ausbildungsbedingten tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers unberührt geblieben bewertet worden ist. Hier lag es, zumal es um Hilfe zum Lebensunterhalt ging, auf der Hand, dass der für den Ort des familiären Lebensmittelpunkts zuständige und bereits über die erforderlichen Informationen verfügende Sozialhilfeträger schneller, effektiver und auch verwal­tungsökonomischer die erforderlichen Leistungen (weiter) erbringen kann, als der erstmals mit der Sache befasste Sozialhilfeträger des neu hinzugekomme­nen vorübergehenden Aufenthaltsortes. Die Antragsteller zu 2. und 3. beziehen hingegen in Hamburg weder Sozialhilfeleistungen noch Leistungen nach dem SGB II. Die Bearbeitung im Hinblick auf die Übernahme der zur Ausübung ihres Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten kann am schnellsten und effektivsten durch den Antragsgegner als für den Ort der Besuchsaufenthalt der Antragsteller zu 2. und 3. bei ihrem Vater in Peine zuständigen Sozialhilfeträger erfolgen. Hier wird das Umgangsrecht durch die Besuche der Antragsteller zu 2. und 3. bei dem Antragsteller zu 1. ausgeübt. Die Antragsteller zu 2. und 3. haben das Recht auf Umgang mit ihrem Vater und dieser hat das Recht und die Pflicht auf Umgang mit ihnen, § 1684 Abs 1 BGB. Verantwortlich für die Realisierung und konkrete Ausgestaltung des Umgangsrechts ist der Antragsteller zu 1., der (ge­meinsam mit der Kindesmutter) das Sorgerecht für die minderjährigen An­tragsteller zu 2. und 3. hat und sie so auch gesetzlich vertritt. Er kann sich - wie er es auch getan hat - wesentlich leichter an den Antragsgegner als Sozialhilfeträger vor Ort wenden, diesem die für die Übernahme der zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten der Antragsteller zu 2. und 3. not­wendigen Informationen geben und das notwendigen Verwaltungsverfahren betreiben.

Generell spricht zur Überzeugung des Senats in Konstellationen wie der vorlie­genden Überwiegendes dafür, den für den Ort der Ausübung des Umgangs­rechts örtlich zuständigen Sozialhilfeträger auch als für die Übernahme der zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten zuständig anzusehen. Denn in seinem Zuständigkeitsbereich wird mit den in Ausübung des Umgangs­rechts durchgeführten Besuchsaufenthalten die Ursache für den zu deckenden Fahrtkostenbedarf geschaffen. Zu bedenken ist insoweit schließlich auch, dass in einer Vielzahl von Fällen - nämlich dann wenn er selbst hilfebedürftig ist und die Kinder etwa aufgrund ihres geringen Alters von ihrem gewöhnlichen Aufent­haltsort abholen muss - auch Fahrtkosten des das Umgangsrecht ausübenden Elternteils gemäß § 73 SGB XII zu übernehmen sind. Dafür wäre zweifellos der für den Wohn- und tatsächlichen Aufenthaltsort dieses Elternteils zuständige So­zialhilfeträger zuständig. Würde man - anders als hier vom Senat vertreten - für die das Umgangsrecht ausübenden Kinder den für den Ort ihres Lebensmittel­punkts (bei dem Elternteil, bei dem sie leben) zuständigen Sozialhilfeträger für die Deckung ihres umgangsbedingten Fahrtkostenbedarfs zuständig halten, kä­me es in den genannten Fällen zu unterschiedlichen Zuständigkeiten für den Er­satz der Fahrtkosten des das Umgangsrecht ausübenden Elternteil einerseits und für den Ersatz der Fahrtkosten der Kinder andererseits. Eine solche geteilte Zuständigkeit wäre nicht im Sinne einer schnellen, effektiven und verwaltungs­ökonomischen Leistungsgewährung. Sie würde auch zu einer zumindest ver­meidbaren Belastung des umgangsberechtigten Elternteils führen, weil er sich in der gleichen Sache an zwei Sozialhilfeträger wenden müsste.

Die Antragsteller zu 2. und 3. sind auch - wie bereits oben ausgeführt - hilfebedürftig. Unstreitig kann der Antragsteller zu 1. die Fahrtkosten der Antragsteller zu 2. und 3. nicht aufbringen, weil er selbst hilfebedürftig nach dem SGB II ist. Ob bei der Bestimmung der Einkommensgrenze nach § 85 Abs. 2 SGB XII auf das Einkommen der Mutter der Antragsteller zu 2. und 3. abzustellen ist, kann dahinstehen, weil diese - wie sie in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 29. September 2008 ausdrücklich erklärt hat - nicht bereit ist, die Fahrtkosten ihrer Söhne (regulär) zu zahlen. Das Kindergeld ist aus den vorstehend zu § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II gemachten Ausführungen nicht (ohne - hier fehlende - Weiterlei­tung durch die Mutter) gemäß § 82 Abs 1 Satz 3 SGB XII als Einkommen der Antragsteller zu 2. und 3. anzurechnen.

Die zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten der An­tragsteller zu 2. und 3. bewegen sich in einer Größenordnung, die den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt.

Es besteht auch ein Anordnungsgrund, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zur Übernahme der zur Ausübung des Um­gangsrechts mit dem Antragsteller zu 1. erforderlichen Fahrt- und Lebenshal­tungskosten der Antragsteller zu 2. und 3. zu verpflichten. Das Umgangsrecht der Antragsteller hat Verfassungsrang (vgl. jüngstens BVerfG, Urteil vom 1. April 2008 -1 BvR 1620/04 NJW2008, 1287-1292, juris Rn. 70f.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. Juni 2007, L 8 AS 491/05) und seine Ausübung würde ohne die vorgenannte vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verhindert oder doch zumindest in einer für die Antragsteller unzumutbaren Weise erschwert.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Sozialhilfe - wie hier - auf den Zeitpunkt des Eingangs des An­trages auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht abzustellen. Durch eine einst­weilige Anordnung soll in den Verfahren dieser Art eine gegenwärtige Notlage behoben werden, wobei die Zeit des Eingangs des Antrages bei Gericht bis zu seiner (Beschwerde-) Entscheidung nicht zu Lasten des Hilfesuchenden gehen darf. Demgemäß waren die Leistungen dem Grunde nach ab dem 14. Juni 2007 zuzusprechen.

Die Beschwerde des Antragstellers zu 1. hat in der Sache keinen Erfolg. Der An­tragsteller zu 1. hat keinen (Anordnungs-) Anspruch auf Erstattung der ihm durch Fahrten zwischen Peine und Hamburg zum Abholen bzw Zurückbringen der An­tragsteller zu 2. und 3. entstehenden Kosten gemäß § 73 SGB XII, weil er nicht glaubhaft gemacht hat, dass diese Kosten erforderlich sind. Kindern im Alter der Antragsteller zu 2. und 3. (14 bzw 15 Jahre alt) ist - zumal dann, wenn sie ge­meinsam reisen - zumutbar, eigenständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne die Begleitung eines Elternteil von Hamburg nach Peine (und zurück) zu fahren. Dass hier in der Person des Antragstellers zu 2. oder des Antragstellers zu 3. besondere Gründe vorliegen, die ihnen die in Rede stehenden Reisen unzumut­bar machen, ist von den Antragstellern nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Der Antragsteller zu 1. kann sich auch nicht erfolgreich darauf beru­fen, dass im Umgangsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 29. Februar 1999 eine Regelung enthalten ist, nach der er die Kinder persönlich bei der Mut­ter abholt und wiederbringt. Denn diese Regelung ist auf der Grundlage der da­maligen Verhältnisse getroffen. Die Antragsteller waren erst vier bzw. fünf Jahre alt und ihr Abholen und Zurückbringen durch den Antragsteller zu 1. daher - an­ders als heute - zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlich. Die in Rede ste­hende Regelung in dem im FGG-Verfahren ergangenen Beschluss ist entgegen dem Vorbringen des Antragstellers zu 1. für ihn nicht in dem Sinne rechtsver­bindlich, dass er davon nicht wegen der eingetretenen Änderung der ihr zugrun­de liegenden maßgeblichen Umstände abweichen dürfte. Zudem hat er - worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat - die Möglichkeit, die Regelung ge­richtlich abändern zu lassen. Es ist auch davon auszugehen, dass die An­tragsteller zu 2. und 3. tatsächlich ohne Begleitung des Antragstellers zu 1. nach Peine und zurück fahren. Die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3. hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 29. September 2008 u.a. erklärt, dass ihre Söhne selbständig zu ihrem Vater nach Peine fahren.

Schließlich ist für die von den Antragstellern im Wege einer einstweiligen Anord­nung erstrebte vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, die Zustimmung zum Umzug in eine 3-Zimmer-Wohnung zu erteilen und die Kosten für ein voll­ständiges Jugendzimmer zu übernehmen, ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Der Senat vermag ebenso wenig wie das SG eine die Eilbedürftigkeit einer solchen Regelung begründende Notlage zu erkennen, weil die Ausübung des Umgangsrechts durch die gegenwärtigen räumlichen Bedingungen nicht ge­fährdet ist. Die Antragsteller zu 2) und 3) können sich - wenn auch möglicher­weise unterhalb des bei ihnen sonst üblichen Unterkunftsniveaus - nach wie vor besuchsweise in der Wohnung des Antragstellers zu 1) aufhalten (siehe dazu bereits Senatsbeschluss vom 18. August 2005 - L 8 AS 204/05 ER), und es ist den Antragstellern zumutbar, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, zumal - wie der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen hat - der An­tragsteller zu 1. trotz eines entsprechenden Hinweises bisher noch nicht einmal ein Darlehen gemäß § 23 Abs. 1 SGB II zur Finanzierung von weiteren Woh­nungseinrichtungsgegenständen beantragt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren dieser Art nicht erhoben. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

Scheider Wimmer Wessels
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