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SG Trier, S 4 AS 89/13: Keine Abzweigung für KU bei Erwerbstätigkeit im ALGII-Bezug
#1
Aus dem jüngsten Rechtsprechungsticker von Tacheles e. V..

Newsticker Tacheles

Leitsätze:

Abzweigung von Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Unterhalts eines Kindes des Leistungsberechtigten in Höhe der Freibeträge des § 11 Abs. 2, 3 SGB II

1. Die Abzweigung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe der Freibeträge nach § 11b Ab. 2, 3 SGB II gemäß § 48 SGB I ist nicht möglich, weil sonst der notwendige Unterhalt des Unterhaltsschuldners (§ 850d Abs. 1 S. 1 ZPO) nicht mehr sichergestellt wäre.

2. Die Freibeträge nach § 11b Abs. 2, 3 SGB II stellen pauschalierte Absetzbeträge dar. Sie dienen zwar der Motivation des Leistungsberechtigten zur Weiterführung einer Tätigkeit, aber auch dem pauschalierten Ausgleich von mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen.

Zu dem Verfahren:

Der Vater hat ein Nebeneinkommen, bezieht ALG II und zahlt keinen Kindesunterhalt. Er hat anscheinend eine neue Familie mit seiner Lebensparterin und mit einem Kind gegründet. Das Nebeneinkommen wird auf seinen sozialrechtlichen Bedarf angerechnet. Das unterhaltsberechtigte Kind, vertreten duch das Jugendamt, beantragt bei dem Jobcenter des Vaters eine Abzweigung der sozialrechtlichen Bezüge als Unterhaltsleistungen. Konkret den Teil, den der Vater als Erwerbstätigenfreibetrag im SGBII-Bezug als Arbeitsanreiz und Ausgleich für Erwerbsaufwändungen für sich behalten kann.

Besonders interessant ist dieser Teil der Urteilsbegründung, bei dem
das Gericht Klarheit schafft, das eine Pfändung bis auf Regelsatz+KdU
im Rechtskreis des SGB II nicht statthaft ist:

Zitat:Der BGH hat als notwendigen Unterhalt des Schuldners in ständiger Rechtspre­chung für den Regelfall das angesehen, was nach dem 2. und 4. Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes (BSGHG) an Sozialleistungen zu zahlen war (BGHZ 156,30). Die Unterhaltsrichtlinien (z. B. Düsseldorfer Tabelle) finden keine Anwen­dung, weil sie auf das materielle Unterhaltsrecht bezogen sind. Nach Inkrafttreten des SGB II und des SGB XII sind im Anwendungsbereich des SGB II die dortigen Vorschriften - insbesondere die §§ 19 ff. SGB II (vgl. BGH, Urteil vom 23.2.2005 - XII ZR 114/03 Rn. 26) maßgeblich. Insbesondere ist dem Berechtigten die Regel­leistung mit den angemessenen Kosten der Unterkunft als notwendiger Unterhalt zu belassen. Etwas anderes gilt für Leistungen nach dem SGB II, die die notwen­digen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts übersteigen, etwa für den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II a. F. (so das BSG, aaO).

Nach dem Maßstab dieser Regelungen verbleibt kein Betrag, der von den Leistungen, die der Beklagte dem Unterhaltsschuldner gewährt, im Wege des § 48 Absatz 1 SGB II abgezweigt werden könnte. Der Beklagte hat dem Unterhalts­schuldner nicht mehr als die Leistungen gewährt, die ihm nach dem gesetzlichen Regelungssystem des SGB II zur Sicherung seines sozialkulturellen Existenz­minimums zu gewähren sind. Anders als in dem von dem BSG im Jahr 2009 ent­schiedenen Fall (BSG, aaO) sind dem Unterhaltsschuldner darüber hinausgehende Leistungen gerade nicht gewährt worden.

Noch etwas zu den Freibeträgen für Erwerbstätigkeit

Zitat:
Die Beträge nach §§ 11b Ab­satz 2 und Absatz 3 SGB II würden aber nicht als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gezahlt, sondern seien nur ein Berechnungsfaktor der Leistung.

und
Zitat:
Es handelt sich daher bei dem Grundfreibetrag um nichts anderes, als um eine pauschalierte Abgeltung von Absetzbeträgen, die der Leistungsberechtigte bei geringen Ein­kommen nicht vermeiden kann. Diese "generelle Abzugspauschale"[..] stellt einen pauschalierten Abzug von "Werbungskosten" dar und ist mit der Regelung des § 11b Absatz 3 SGB II eben nicht nur ein Anreizsystem zur Aufrechterhaltung einer Tätigkeit.

Urteil im Volltext von der Justiz Rheinland-Pfalz


Bitter für die Klägerin:

Zitat:Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO. Da die Klägerin mit der Klage unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Streitwert war in Höhe des Auffangstreitwerts (5.000,00 Euro) festzusetzen
"Du Mama. Wenn Papa tot ist kauf ich mir meinen eigenen Ponyhof!" - CosmosDirect Lebensversicherung, 2007

Quelle: http://de.wikiquote.org/wiki/Vater
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#2
Wenn schon ein Urteil da ist, warum hat der Kindesvater den ausgeurteilten Unterhalt nicht beim beim Jobcenter vorgelegt und einkommensmindernd geltend gemacht?

Zusätzlich Umgangskosten und höhere Wohnkosten bedarfserhöhend?

Muß nun das Kind die Gerichtskosten zahlen?

Fragen über Fragen.

Robert Stegmann
Gottes Mühlen malen langsam, aber klitzeklein.

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#3
(12-03-2014, 19:57)Camper1955 schrieb: Wenn schon ein Urteil da ist, warum hat der Kindesvater den ausgeurteilten Unterhalt nicht beim beim Jobcenter vorgelegt und einkommensmindernd geltend gemacht?

Wahrscheinlich hatte er keine Lust von seinen 300EUR 223EUR abzudrücken.

(12-03-2014, 19:57)Camper1955 schrieb: Zusätzlich Umgangskosten und höhere Wohnkosten bedarfserhöhend?

Vielleicht hat er keinen Umgang!

(12-03-2014, 19:57)Camper1955 schrieb: Muß nun das Kind die Gerichtskosten zahlen?

Nein, die Beistandschaft hat geklagt, also trägt sie auch die Kosten.

(12-03-2014, 19:57)Camper1955 schrieb: Fragen über Fragen.

Alles nicht so wild.
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#4
(12-03-2014, 20:34)raid schrieb: Hallo Robert,

ich vermute, dass er aufgrund seines SGB-II-Bezugs schlichtweg keinen Grund sah Unterhalt zu bezahlen.

Vermute mal lieber, dass er nicht für 77EUR arbeiten geht.
(12-03-2014, 20:34)raid schrieb: De facto ist er ja auch nicht verpflichtet von dieser Aufstockungsoption Gebrauch zu machen, um schlussendlich Unterhalt bezahlen zu können.

"De facto" ist er es. Die Beistandschaft ist nur zu dämlich es rechtswirksam durchzusetzten.

Die Unterhaltszahlungen werden auch nicht
(12-03-2014, 20:34)raid schrieb: sodann wie gewohnt vom Einkommen abgezogen und der Rest wird aufgestockt.

sondern das bereinigte Einkommen wird dem Bedarf gegenübergestellt, woraus sich die Leistung errechnet.
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#5
Ich stehe nicht auf der Mailinglist des BSG, aber ich bin sehr gespannt.Wink
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#6
Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, haben die Vorinstanzen positiv geurteilt. Das stimmt mich zuversichtlich. Wenn man sich 11 b VII SGB II zu Gemüte führt, ist es nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern macht es auch durchaus Sinn. Davon abgesehen hat das BSG in der Vergangenheit fast ausschließlich väterfreundlich entschieden.
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