18-08-2010, 22:37
Bundesgerichtshof Urteil vom 24. März 2010, Az XII ZR 175/08 , Volltext: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...ame=4&.pdf
Leitsatz: "a) Im Rahmen der Herabsetzung und zeitlichen Begrenzung des Unterhalts ist der Unterhaltspflichtige für die Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet, die für eine Befristung sprechen.
b) Hinsichtlich der Tatsache, dass ehebedingte Nachteile nicht entstanden sind, trifft den Unterhaltsberechtigten aber nach den Regeln zum Beweis negativer Tatsachen eine sog. sekundäre Darlegungslast (Klarstellung der Senatsurteile vom 14. November 2007 -XIIZR 16/07- FamRZ 2008, 134; vom 16.April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325; vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 und vom 28. März 1990 - XII ZR 64/89 - FamRZ 1990, 857).
c) Der Unterhaltsberechtigte muss die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden."
Kurz gesagt, es findet eine Beweislastverschiebung auf den Unterhaltspflichtigen statt, wenn er Unterhalt herabsetzen oder befristen will. Unbegrenzt Unterhalt zu zahlen ist der Default-Standardfall, für alles andere muss der Pflichtige Nachweise vorlegen. Finde ich klasse, sollte man ausweiten. Ich werde einfach behaupten, ich wäre beim Staat angestellt. Dann kann ich so lange Lohn kassieren, bis der mit einer erfolgreichen Klage nachweist, dass das nicht der Fall ist.
Bei den ehebedingten Nachteilen lässt das BGB keine andere Möglichkeit zu, die Berechtigte muss sagen welche das sind. Damit das aber so klein und unwichtig wie möglich gehalten wird, verschiebt der BGH das mittels der Erfindung einer "sekundären" Darlegungslast möglichst weit in die Irrelevanz.
Rdn 31 ist interessant. Der BGH weist dezent darauf hin, dass Ungelernte damit zu rechnen haben mit prekären Beschäftigungsverhältnissen leben zu müssen. Insoweit wäre bereits die Annahme 2000€ brutto erzielen zu können schon abwegig.
Tatsächlich haben auch in Bezug auf Pflichtige die oberen RobenträgerInnen in der Vergangenheit erkannt, dass oft nicht mehr als 8€/h zu erzielen sind.
Mutti wären demnach nicht mehr als 1300€ brutto anzudichten, wenn man ihr überhaupt eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zumuten wird.
Netto, derzeit ca. 1000€, mit 1/2 Kind und StKl2. Bei 30 Wochenstunden verblieben ca. 960€ brutto und 765€ netto. Da ist jede Menge Raum zum auffüllen drin. Hauptsache es läuft darauf hinaus, dass die Versorgung der Mutter nachhaltig - also unbefristet - aus privater Hand gesichert ist.
Auch diese Nachehe wurde auf Lebenszeit geschlossen.
"Vorbringen der Klägerin genügt den Anforderungen an ihre sekundäre Darlegungslast nicht". Der Witz ist, dass dieses Vorbringen erst im Kielwasser der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen entsteht. Die Kette, die der BGH da aufbaut ist folgende:
Erst einmal gilt unbegrenzte Unterhaltspflicht als Standardfall. Wenn keiner etwas sagt, das nach Meinung des Gericht Beweiskraft hat, muss unbegrenzt Unterhalt gezahlt werden.
Will das der Pflichtige nicht, muss darlegen und beweisen, dass Unterhalt befristet wird. Er argumentiert zum Beispiel, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden.
Nun endlich, nachdem eine Befristung auf dem Tablett liegt, muss die Berechtigte mit ihren Argumenten rausrücken, wieso ihrer Ansicht nach ehebedingte Nachteile vorhanden sind. Ihre Beweispflicht entsteht erst im Kielwasser des Standardfalls und des Gegenvorbringens des Pflichtigen. Sekundäre Beweispflicht nach Definition des BGH. Damit ist das vom Gesetz vorgegebene Prinzip maximal zugunsten von möglichst langen Unterhaltszahlungen verbogen worden. Erinnern wird uns und lesen den allerersten Satz zum Unterhalt im BGB, §1569: "Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen."
Das ist eindeutig: Kein Unterhalt ist die Regel, Unterhalt ist die Ausnahme. Die Ausnahme von der Regel hat begründet zu werden, nicht umgekehrt. Korrekt wäre: Kein Unterhaltsanspruch, Forderung und Begründung durch den Berechtigten, dann erst Gegenbegründung durch den Pflichtigen. Was der BGH daraus macht, ist meiner Ansicht nach nahe der Rechtsbeugung: Er verschiebt die Beweispflichten des Berechtigten möglichst weit in den Hintergrund, Richtung Irrelevanz.
Leitsatz: "a) Im Rahmen der Herabsetzung und zeitlichen Begrenzung des Unterhalts ist der Unterhaltspflichtige für die Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet, die für eine Befristung sprechen.
b) Hinsichtlich der Tatsache, dass ehebedingte Nachteile nicht entstanden sind, trifft den Unterhaltsberechtigten aber nach den Regeln zum Beweis negativer Tatsachen eine sog. sekundäre Darlegungslast (Klarstellung der Senatsurteile vom 14. November 2007 -XIIZR 16/07- FamRZ 2008, 134; vom 16.April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325; vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 und vom 28. März 1990 - XII ZR 64/89 - FamRZ 1990, 857).
c) Der Unterhaltsberechtigte muss die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden."
Kurz gesagt, es findet eine Beweislastverschiebung auf den Unterhaltspflichtigen statt, wenn er Unterhalt herabsetzen oder befristen will. Unbegrenzt Unterhalt zu zahlen ist der Default-Standardfall, für alles andere muss der Pflichtige Nachweise vorlegen. Finde ich klasse, sollte man ausweiten. Ich werde einfach behaupten, ich wäre beim Staat angestellt. Dann kann ich so lange Lohn kassieren, bis der mit einer erfolgreichen Klage nachweist, dass das nicht der Fall ist.
Bei den ehebedingten Nachteilen lässt das BGB keine andere Möglichkeit zu, die Berechtigte muss sagen welche das sind. Damit das aber so klein und unwichtig wie möglich gehalten wird, verschiebt der BGH das mittels der Erfindung einer "sekundären" Darlegungslast möglichst weit in die Irrelevanz.
Rdn 31 ist interessant. Der BGH weist dezent darauf hin, dass Ungelernte damit zu rechnen haben mit prekären Beschäftigungsverhältnissen leben zu müssen. Insoweit wäre bereits die Annahme 2000€ brutto erzielen zu können schon abwegig.
Tatsächlich haben auch in Bezug auf Pflichtige die oberen RobenträgerInnen in der Vergangenheit erkannt, dass oft nicht mehr als 8€/h zu erzielen sind.
Mutti wären demnach nicht mehr als 1300€ brutto anzudichten, wenn man ihr überhaupt eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zumuten wird.
Netto, derzeit ca. 1000€, mit 1/2 Kind und StKl2. Bei 30 Wochenstunden verblieben ca. 960€ brutto und 765€ netto. Da ist jede Menge Raum zum auffüllen drin. Hauptsache es läuft darauf hinaus, dass die Versorgung der Mutter nachhaltig - also unbefristet - aus privater Hand gesichert ist.
Auch diese Nachehe wurde auf Lebenszeit geschlossen.
"Vorbringen der Klägerin genügt den Anforderungen an ihre sekundäre Darlegungslast nicht". Der Witz ist, dass dieses Vorbringen erst im Kielwasser der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen entsteht. Die Kette, die der BGH da aufbaut ist folgende:
Erst einmal gilt unbegrenzte Unterhaltspflicht als Standardfall. Wenn keiner etwas sagt, das nach Meinung des Gericht Beweiskraft hat, muss unbegrenzt Unterhalt gezahlt werden.
Will das der Pflichtige nicht, muss darlegen und beweisen, dass Unterhalt befristet wird. Er argumentiert zum Beispiel, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden.
Nun endlich, nachdem eine Befristung auf dem Tablett liegt, muss die Berechtigte mit ihren Argumenten rausrücken, wieso ihrer Ansicht nach ehebedingte Nachteile vorhanden sind. Ihre Beweispflicht entsteht erst im Kielwasser des Standardfalls und des Gegenvorbringens des Pflichtigen. Sekundäre Beweispflicht nach Definition des BGH. Damit ist das vom Gesetz vorgegebene Prinzip maximal zugunsten von möglichst langen Unterhaltszahlungen verbogen worden. Erinnern wird uns und lesen den allerersten Satz zum Unterhalt im BGB, §1569: "Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen."
Das ist eindeutig: Kein Unterhalt ist die Regel, Unterhalt ist die Ausnahme. Die Ausnahme von der Regel hat begründet zu werden, nicht umgekehrt. Korrekt wäre: Kein Unterhaltsanspruch, Forderung und Begründung durch den Berechtigten, dann erst Gegenbegründung durch den Pflichtigen. Was der BGH daraus macht, ist meiner Ansicht nach nahe der Rechtsbeugung: Er verschiebt die Beweispflichten des Berechtigten möglichst weit in den Hintergrund, Richtung Irrelevanz.