21-08-2010, 13:22
Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 16.02.2010, Az 4 WF 19/10. Volltext: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln...00216.html
Grosseltern für Unterhalt anzuzapfen und auch Enkel für Grosseltern ist eines der grössten "Wachstumsfelder" im Unterhalt. Die Unterhaltsleitlinien stürzen sich bereits verstärkt darauf. Der Versuch, an die Grosseltern ranzukommen wird populärer.
Dazu ein Urteil des OLG Köln mit interessanten Nebentönen. Mutter versucht, den Grossvater väterlicherseits um Unterhalt anzugehen. Ihre Klage enthält allerdings mehrere grobe Fehler und ist dilettantisch zu nennen, sie wird abgelehnt. Das Gericht listet noch einmal auf, was nötig ist für einen schlüssigen Klagevortrag. Dazu gehört auch der Nachweis, dass die Eltern nicht leistungsfähig sind. Ganz richtig gelesen: Die Eltern, auch die betreuende Mutter.
"(...) es muss feststehen, dass diese nicht leistungsfähig sind. Wenn ein Elternteil nicht leistungsfähig ist oder sich der Unterhaltspflicht entzieht, erhöht sich zunächst gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB der Haftungsanteil des andern Elternteiles. Dies gilt auch dann, wenn ein Elternteil ein minderjähriges Kind betreut. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, der die Betreuung als Unterhaltsgewährung dem Barunterhalt gleichstellt mit der Folge, dass grundsätzlich Barunterhalt zusätzlich zur Betreuung nicht geschuldet wird, gilt nur im Verhältnis der Eltern zueinander, nicht aber im Verhältnis zu den nachrangig haftenden Großeltern (vgl. Wendl/Staudigel, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 545; OLG Frankfurt FamRZ 2004, 1745, 1776; OLG Jena FamRZ 2006, 569 ff.; OLG Jena MDR 2009, 755 f.). Sollte der barunterhaltspflichtige Vater nicht leistungsfähig sein, muss daher die Mutter trotz der Betreuung kleiner Kinder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und für den Unterhalt der Kinder sorgen, soweit ihr dies möglich ist. Im Verhältnis zu ihren jeweiligen Eltern steht es nicht im Belieben des betreuenden Elternteils, ob er sein Kind selbst versorgen möchte. Voraussetzung ist vielmehr, dass die alleinige Betreuung und Versorgung des Kindes durch einen Elternteil in dessen Interesse erforderlich ist, weil eine Möglichkeit zu einer anderweitigen entgeltlichen oder unentgeltlichen Versorgung nicht besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Kind ab seinem 3. Lebensjahr Anspruch auf einen Kindergartenplatz hat (vgl. Wendl/Staudigel a.a.O., § 2 Rdnr. 52) und der betreuende Elternteil arbeiten kann."
Soweit die allgemeine Rechtslage. Zur Kindesmutter sagen die Richter:
"Die am 06.11.2002 geborene Klägerin war bei Einreichung der Klage im Oktober 2008 fast sechs Jahre alt, so dass die Mutter der Klägerin gehalten war vollschichtig zu arbeiten, wenn nicht besondere Umstände sie an einer vollschichtigen Tätigkeit hinderten. Allein die Kinderbetreuung reicht hierfür – wie oben bereits ausgeführt – nicht aus. Aus den vorgelegten Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge ergibt sich zudem, dass das Erwerbseinkommen der Mutter der Klägerin aus einer Tätigkeit herrührt, die nicht vollschichtig ist. Vielmehr ergibt sich aus der Tatsache des Grundgehaltes in Höhe von 1.152,36 € brutto und des Bruttostundenlohnes von 10,67 €, dass sie einer Tätigkeit mit 25 Wochenstunden nachgeht. Bei vollschichtiger Tätigkeit würde sie über ein Bruttoeinkommen von rund 1.850,00 € verfügen, ohne dass hierbei jährliche Sonderzahlungen berücksichtigt wären. Das entspräche einem Monatsnettolohn von rund 1.260,00 €. Schon hieraus erhellt sich, dass die Mutter der Klägerin bei vollschichtiger Tätigkeit leistungsfähig wäre."
Das ist klasse. Das Gericht unterstellt der Mutter fiktives Einkommen, weil sie nicht Vollzeit arbeitet. Gesteigerte Erwerbsobliegenheit auch für die Mutter! Beweisen muss die Klägerin auch, dass der Vater tatsächlich nicht leistungsfähig ist: "Darüber hinaus ist nicht ausreichend dargetan, dass der Vater der Klägerin leistungsunfähig ist. So besteht immerhin ein Schuldtitel gegen ihn in Form einer Jugendamtsurkunde. Hierin hat er sich verpflichtet 100 % des Regelbedarfs nach der jeweils gültigen Regelbedarfsverordnung zu zahlen."
Der Vater hat sogar schon die EV abgegeben, aber die Klägerin hätte trotzdem erst weitreichende Vollstreckungsversuche unternehmen müssen und ihn anschliessend anzeigen. Auch das ist Klasse. Es erhöht nämlich die Kosten und den Aufwand enorm, fruchtlose Vollstreckungsorgien anzuheizen (die zahlt die Klägerin!) und lange, aber ebenso fruchtlose Verfahren wegen Unterhaltspflichtverletzung anzustrengen. Hier frisst sich das Unterhaltsrecht wieder einmal selbst. Erst werden endlose Pflichten und Einkommensfiktionen auf dem Pflichtigen aufgehäuft, die der Berechtigten dann doch noch auf die Füsse fallen.
Andere Fehler in ihrer Klage fallen da schon nicht mehr ins Gewicht: "Schließlich weist das Familiengericht zu Recht darauf hin, dass der Beklagte – soweit denn überhaupt ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihn besteht – mit den übrigen Großeltern nur anteilsmäßig haftet. Zu den Einkommensverhältnissen der übrigen Großeltern ist nichts vorgetragen"
Grosseltern für Unterhalt anzuzapfen und auch Enkel für Grosseltern ist eines der grössten "Wachstumsfelder" im Unterhalt. Die Unterhaltsleitlinien stürzen sich bereits verstärkt darauf. Der Versuch, an die Grosseltern ranzukommen wird populärer.
Dazu ein Urteil des OLG Köln mit interessanten Nebentönen. Mutter versucht, den Grossvater väterlicherseits um Unterhalt anzugehen. Ihre Klage enthält allerdings mehrere grobe Fehler und ist dilettantisch zu nennen, sie wird abgelehnt. Das Gericht listet noch einmal auf, was nötig ist für einen schlüssigen Klagevortrag. Dazu gehört auch der Nachweis, dass die Eltern nicht leistungsfähig sind. Ganz richtig gelesen: Die Eltern, auch die betreuende Mutter.
"(...) es muss feststehen, dass diese nicht leistungsfähig sind. Wenn ein Elternteil nicht leistungsfähig ist oder sich der Unterhaltspflicht entzieht, erhöht sich zunächst gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB der Haftungsanteil des andern Elternteiles. Dies gilt auch dann, wenn ein Elternteil ein minderjähriges Kind betreut. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, der die Betreuung als Unterhaltsgewährung dem Barunterhalt gleichstellt mit der Folge, dass grundsätzlich Barunterhalt zusätzlich zur Betreuung nicht geschuldet wird, gilt nur im Verhältnis der Eltern zueinander, nicht aber im Verhältnis zu den nachrangig haftenden Großeltern (vgl. Wendl/Staudigel, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., § 2 Rdnr. 545; OLG Frankfurt FamRZ 2004, 1745, 1776; OLG Jena FamRZ 2006, 569 ff.; OLG Jena MDR 2009, 755 f.). Sollte der barunterhaltspflichtige Vater nicht leistungsfähig sein, muss daher die Mutter trotz der Betreuung kleiner Kinder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und für den Unterhalt der Kinder sorgen, soweit ihr dies möglich ist. Im Verhältnis zu ihren jeweiligen Eltern steht es nicht im Belieben des betreuenden Elternteils, ob er sein Kind selbst versorgen möchte. Voraussetzung ist vielmehr, dass die alleinige Betreuung und Versorgung des Kindes durch einen Elternteil in dessen Interesse erforderlich ist, weil eine Möglichkeit zu einer anderweitigen entgeltlichen oder unentgeltlichen Versorgung nicht besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Kind ab seinem 3. Lebensjahr Anspruch auf einen Kindergartenplatz hat (vgl. Wendl/Staudigel a.a.O., § 2 Rdnr. 52) und der betreuende Elternteil arbeiten kann."
Soweit die allgemeine Rechtslage. Zur Kindesmutter sagen die Richter:
"Die am 06.11.2002 geborene Klägerin war bei Einreichung der Klage im Oktober 2008 fast sechs Jahre alt, so dass die Mutter der Klägerin gehalten war vollschichtig zu arbeiten, wenn nicht besondere Umstände sie an einer vollschichtigen Tätigkeit hinderten. Allein die Kinderbetreuung reicht hierfür – wie oben bereits ausgeführt – nicht aus. Aus den vorgelegten Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge ergibt sich zudem, dass das Erwerbseinkommen der Mutter der Klägerin aus einer Tätigkeit herrührt, die nicht vollschichtig ist. Vielmehr ergibt sich aus der Tatsache des Grundgehaltes in Höhe von 1.152,36 € brutto und des Bruttostundenlohnes von 10,67 €, dass sie einer Tätigkeit mit 25 Wochenstunden nachgeht. Bei vollschichtiger Tätigkeit würde sie über ein Bruttoeinkommen von rund 1.850,00 € verfügen, ohne dass hierbei jährliche Sonderzahlungen berücksichtigt wären. Das entspräche einem Monatsnettolohn von rund 1.260,00 €. Schon hieraus erhellt sich, dass die Mutter der Klägerin bei vollschichtiger Tätigkeit leistungsfähig wäre."
Das ist klasse. Das Gericht unterstellt der Mutter fiktives Einkommen, weil sie nicht Vollzeit arbeitet. Gesteigerte Erwerbsobliegenheit auch für die Mutter! Beweisen muss die Klägerin auch, dass der Vater tatsächlich nicht leistungsfähig ist: "Darüber hinaus ist nicht ausreichend dargetan, dass der Vater der Klägerin leistungsunfähig ist. So besteht immerhin ein Schuldtitel gegen ihn in Form einer Jugendamtsurkunde. Hierin hat er sich verpflichtet 100 % des Regelbedarfs nach der jeweils gültigen Regelbedarfsverordnung zu zahlen."
Der Vater hat sogar schon die EV abgegeben, aber die Klägerin hätte trotzdem erst weitreichende Vollstreckungsversuche unternehmen müssen und ihn anschliessend anzeigen. Auch das ist Klasse. Es erhöht nämlich die Kosten und den Aufwand enorm, fruchtlose Vollstreckungsorgien anzuheizen (die zahlt die Klägerin!) und lange, aber ebenso fruchtlose Verfahren wegen Unterhaltspflichtverletzung anzustrengen. Hier frisst sich das Unterhaltsrecht wieder einmal selbst. Erst werden endlose Pflichten und Einkommensfiktionen auf dem Pflichtigen aufgehäuft, die der Berechtigten dann doch noch auf die Füsse fallen.
Andere Fehler in ihrer Klage fallen da schon nicht mehr ins Gewicht: "Schließlich weist das Familiengericht zu Recht darauf hin, dass der Beklagte – soweit denn überhaupt ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihn besteht – mit den übrigen Großeltern nur anteilsmäßig haftet. Zu den Einkommensverhältnissen der übrigen Großeltern ist nichts vorgetragen"