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OLG Oldenburg 13 UF 52/09: Mutter muss notfalls eine Betreuungsperson einstellen
#1
Urteil vom 13.07.2009

Notfalls kann es erforderlich sein, dass die Mutter eine Betreuungsperson einstellt und selbst bezahlt, um dann Vollzeit arbeiten gehen zu können.

Der Fall:
Nach der Scheidung leben die Kinder (9 und 13 Jahre alt) bei der Mutter, die als Verkäuferin 24 Stunden pro Woche, teilweise auch samstags arbeitet.
Das ältere Kind besucht eine Realschule und kommt ca. 14.00 Uhr nach Hause. Das jüngere Kind besucht die 3. Klasse und wird bis 15.00 Uhr dort betreut.
Die Mutter möchte Unterhalt in Höhe von 800 €. Das Amtsgericht verurteilte den Mann zur Zahlung von 530 € monatlich.
Das OLG verringerte den Betrag auf 195 € pro Monat Aufstockungsunterhalt, jedoch keinen Betreuungsunterhalt.

Der Senat geht, ebenso wie das angefochtene Urteil, davon aus, dass der Antragsgegnerin kein Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB zusteht.

Der Gesetzgeber hat mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. Dies ist im Regelfall mit dem Grundrecht aus Art 6 Abs. 2 GG und dem Kindeswohl vereinbar (BVerfG FamRZ 2007, 965, 969 ff).

Die Antragsgegnerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass eine persönliche Betreuung der Kinder durch sie selbst unter Berücksichtigung der persönlichen Belange der Kinder, etwa aufgrund ihres Gesundheits- oder Entwicklungsstandes, etwaiger Verhaltensauffälligkeiten erforderlich ist und eine Fremdbetreuung der Kinder mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren wäre. Einer Fremdbetreuung der Kinder stehen hier keine Gründe entgegen, tatsächlich erfolgt diese bereits zeitweise.

Um einer Vollzeittätigkeit nachgehen zu können, wäre die Antragsgegnerin gehalten, weitergehende Fremdbetreuungsmöglichkeiten für die Kinder zu nutzen. X. befindet sich in einem Alter, in dem eine Hortbetreuung ohne Weiteres möglich sein dürfte....
Soweit Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder in Einrichtungen nicht bestehen, sind private Betreuungsmöglichkeiten zu nutzen.

Ein weiterer Betreuungsaufwand für die Kinder ist nicht dargelegt. Soweit die Antragsgegnerin auf die Notwendigkeit anfallender Arztbesuche mit den Kindern etc. verwies, stellt dies keinen besonderen Betreuungsaufwand dar, der einer Ausdehnung der beruflichen Tätigkeit entgegensteht. Jede beruflich vollzeittätige Mutter ist gehalten, unter Beachtung ihrer eigenen Arbeitszeiten entsprechend den Bedürfnissen der Kinder Arztbesuche etc. zu organisieren.

http://openjur.de/u/31211-13_uf_52-09.html

Der Mutter wurden daher fiktive Einkünfte einer Vollzeittätigkeit angerechnet.
Das Urteil zeigt, dass auch für Mütter von Kindern im Grundschulalter faktisch immer eine Vollzeitverpflichtung besteht, notfalls sind sie verpflichtet, eine private Betreuungsperson einzustellen, um die Betreuung der Kinder zu gewährleisten.
Habe die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst.
Habe den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst,
und habe die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.
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#2
(15-10-2009, 17:04)borni schrieb: Das OLG verringerte den Betrag auf 195 € pro Monat Aufstockungsunterhalt, jedoch keinen Betreuungsunterhalt.
(15-10-2009, 17:04)borni schrieb: Das Urteil zeigt, dass auch für Mütter von Kindern im Grundschulalter faktisch immer eine Vollzeitverpflichtung besteht, notfalls sind sie verpflichtet, eine private Betreuungsperson einzustellen, um die Betreuung der Kinder zu gewährleisten.
Das Urteil geht in die richtige Richtung. Mal davon abgesehen, dass auch hier wieder ein anderer § für einen Unterhaltsanspruch gezogen wurde, bleibt es dabei, dass die Kosten für "andere" Betreuungspersonen auf den Vater übertragen werden. Anlage "U" wird aufgeweicht und der Vater hat sich mit "neuen" Dingen zu beschäftigen, die abgeführte Kohle steuerlich geltend machen zu können.
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#3
Das Urteil im Detail ist kein großer Wurf, um es vorsichtig auszudrücken.
Im Klartext: Hier wird der Notstand vom OLG Oldenburg auf Amtsgerichtsniveau verwaltet.

Besonders getrickst wird bei dem Einkommen der Ehefrau:
Zitat: Nach Abzug der Fahrtkosten (hier ausnahmsweise in Höhe der konkreten Kosten von 231 €)(...)
Das entspricht in etwa 15% des (fiktiven) Nettos. Wenn jemand weiß, bei welchem Unterhaltsverpflichteten so etwas jemals vorgekommen ist, der möge sich hier melden.
Wenn ebenfalls jemand weiß, warum das OLG hier eine Ausnahme macht: bitte vortreten; denn das Urteil schweigt sich darüber komplett aus.

Das "fiktive" Netto von UHN ist übrigens satte EUR 178,25/Monat höher als das tatsächliche, wenn die Stundenzahl von 24 auf 38 pro Monat erhöht wird, so das OLG.
Wer's nicht glaubt, guckst Du hier:
Zitat: Sie erzielt seit Mai 2009 aus Teilzeittätigkeit als kaufmännische Angestellte im ... bei einer Wochenarbeitszeit von 24 Stunden (...) 1486,66 € (brutto) monatlich (...) Bei Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung als kaufmännische Angestellte zu einem entsprechenden Stundenlohn wäre bei einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden ein monatliches Bruttoeinkommen von 2353 € (=38 h x 14,40 € x 4,3), netto ca. 1550 € erzielbar.
Der Brutto-Netto-Rechner weist bei 1,0 Kindern und Stkl. I ein Netto von EUR 1.371,75/Monat aus. Ein Schelm wer böses dabei denkt, daß diese Zahl im Urteil nicht erwähnt wird.

Und
Zitat:Der Senat hält ein entsprechendes Einkommen auf dem Arbeitsmarkt objektiv für erzielbar.
Zapperlot! Welch grandioses Gedankenfeuerwerk.
Was aber tun, damit der UHN das fiktive Monstereinkommen nicht zu sehr schmerzt?
Guckst Du hier:
Zitat: Auch die Nachbarin, die bislang entgeltlos die Betreuung der Kinder in Zeiten beruflicher Abwesenheit der Kinder übernahm, steht nach Angaben der Antragsgegnerin nicht für eine weitergehende Betreuung zur Verfügung. Die für eine Privatperson, die stundenweise die Betreuung der Kinder gewährleistet, aufzubringenden monatlichen Kosten schätzt der Senat auf 150,00 €.
Das OLG Oldenburg macht wieder eine Ausnahme, übernimmt die Angaben der UHN ungeprüft, legt Betreuungskosten zu 100% auf den Unterhaltsverpflichteten um (anstatt wenigstens hälftig zu teilen) und macht so aus dem "fiktiven" Vollzeitgehalt ein Gehalt in Höhe des tatsächlichen Teilzeitgehaltes.

Damit kommt UHN real auf insgesamt EUR 2.305,75 netto (Einkommen 1.371,75 + KiGe 328,- + KU 606,-) und Zahlesel nach Abzug des KUs auf satte EUR 1.470,-.

Da er nach Abzug des Erwerbstätigenbonus und der Vorsorgepauschale immer noch nicht zum Mangelfall geworden ist, hilft das OLG Oldenburg mit §1573 (2) und 1578 (1) diesen Zustand zu heilen.
Zitat: Bei einer Einkommensdifferenz von 280 € errechnet sich dementsprechend ein ungedeckter Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin von 140 €.
Unbereinigter Zwischenstand:
UHN: EUR 2.445,75
Arschgesicht: EUR 1.330,- (abzgl. 5%, 4% und 1/7 Erwerbstätigenbonus EUR 1.040,- und damit mehr oder weniger Mangelfall)

Bonus-Track
Zitat:Eine Herabsetzung oder Befristung des Aufstockungsunterhaltsanspruches nach § 1578 b BGB aus Billigkeitsgründen ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorzunehmen.
Begründung
Zitat:Derzeit ist nicht abschätzbar, wie sich die gemeinsamen Kinder der Parteien, ihr schulischer Werdegang, ihr Betreuungsbedarf, die Betreuungskosten entwickeln.
Da die Zukunft generell nicht verhersagbar ist, schlage ich vor, die vorgeschobene Begründungsnotwendigkeit für §1578b zu streichen.
Wenn nicht, kann man den Spruch kopieren und beliebig einsetzen, denn dies ist die einzige Konstante im Unterhaltsrecht.

Zitat: Eine Anpassung des Titels an eintretende Veränderungen muss deshalb der Abänderungsklage vorbehalten bleiben.
Wenn die sagen "Verklag mich - if you can", würde ich dem Mangelfall raten: "Catch me - if you can".

Die spielen im OLG Oldenburg dieselbe, alte Platte, nur mit anderen Paragraphen. Das Resultat ist wie immer dasselbe: Aussagen, bis auf's Blut.
Daher ist die Unterhaltsrechtsreform in der Tat als voller Erfolg zu werten: In der Öffentlichkeit herrscht die Meinung vor, die Mütter müßten jetzt früher arbeiten gehen als bisher und in Wahrheit bleibt alles beim Alten.
Wirklich, eine gute PR-Leistung; in diesem Fall auch Dank der freiheitlich deutschen Presselandschaft.

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