01-11-2010, 22:24
Zwei Entscheidungen im Abstand von acht Tagen des OLG Brandenburg zum Sorgerecht, das ein nichtehelicher Vater begehert.
1. OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.08.2010 Az. 10 UF 109/10 (BeckRS 2010, [20514]) Volltext: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin...focuspoint
Kein Sorgerecht für den Vater. Mutter hat elfjähriges Kind aus früherer Beziehung und bekommt 2007 noch ein Kind, 2008 trennt man sich wieder. Mutter wird nach der Geburt psychisch krank und stationär behandelt. Sie steht sogar unter Betreuung. Dem Vater hat man über den Trick des §1630 Abs. 3 BGB die Sorge übertragen, er ist der "Quasipfleger" des Kindes. Kind lebt beim Vater. Es gibt Streit, Mutter behält das Kind einfach nach einem Umgangstermin bei sich und gibt es nicht zurück. Eltern können nicht miteinander reden. Vater beantragt Alleinsorge, hilfsweise gemeinsame Sorge, hilfsweise Verlängerung der Quasipflegschaft. Er will das Kind weiter betreuen. Alle seine Anträge werden zurückgewiesen.
Das OLG bestätigt das und beseitigt den Vater komplett. Die gemeinsame elterliche Sorge komme mangels Kooperationsfähigkeit der Eltern nicht in Betracht. Die Alleinsorge für den Vater würde dem Kindeswohl nicht am besten entsprechen. Beide Eltern seien zwar erziehungsgeeignet (sie geht zum Arzt und schluckt ihre Psychopillen), der Montessorikindergarten des Vaters sei auch nicht besser wie der städtische Kindergarten der Mutter, bei Kontinuität und Bindungstoleranz stehen beide gleich, der Kindeswille (Kind will zum Vater) sei egal weil das Kind zu jung sei, aber - Gott sei es gedankt - weil das Kind bei der Mutter noch die sehr viel ältere Stiefschwester habe, schlägt der Zeiger einen Hauch weit zur Mutter aus und der Vater verliert alles.
2. OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2010 Az. 10 WF 187/10 Volltext: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin...focuspoint
Vater hat zwei Kinder, 7 und 5 Jahre alt - aber kein Sorgerecht, obwohl die Kinder bei ihm leben. Erst seit Mai 2010 pflegt die alleinsorgeberechtigte Mutter Umgang mit den Kindern. Amtsgericht verweigert ihm das Recht, vorläufig zu bestimmen welche Schule und Kindergarten die beiden besuchen, denn die Mutter hatte vor, Schule und Kindergarten zu wechseln - weg vom Vater. Ein Vorgriff auf ihr Vorhaben, die Kinder zu sich zu holen. Vater geht zum OLG, das der Ansicht ist, das Teilrecht der Schulwahl könne vorläufig vom Vater ausgeübt werden, der die Kinder in der angestammten Schule/Kindergarten belassen will.
Der Volltext von 1) lässt es einem an einigen Stellen kalt den Rücken herunterrieseln - da wird ein Kind zur kranken Mutter gezwungen, koste es was es wolle. Wahrscheinlich spielen in die Entscheidung noch die altbekannten Unterhaltsgründe hinein, denn die Mutter ist sicherlich nicht bedarfsdeckend erwerbstätig. Also Kind zur Mutter und Vater zu viel Unterhalt verknacken, aber das darf man ja nicht in die Begründung schreiben, stattdessen erfindet man ein neues Kriterium: Das fast zehn Jahre ältere Stiefgeschwisterkind. Oder waren es die runderen Türklinken in der Mutterwohnung? Oder der kürzere Gehweg von Gartentür zu Haustür? Egal, es wird sich schon was finden, das das Gewicht ein winziges bisschen zur Mutter verschieben würde.
Bei der zweiten Entscheidung hat der Vater die allerminimalsten Voraussetzungen ("vorläufig", "Teilrecht") eingeklagt, aber absehbar ist, dass die Mutter sich die Kinder wieder holt. Die Story liest sich so, wie wenn sie im Türkei-Urlaub in einen Liebesrausch mit einem Kellner gefallen ist und als der nach einem Jahr zu Ende war, sind ihr die Kinder wieder eingefallen und sie kam zurück, fährt vor und gedenkt auf ihren mütterlichen Rechten zu bestehen.
Beide Entscheidungen zeigen eine sogenannte "Abschreckungsrechtssprechung" beim Sorgerecht für nichteheliche Väter. Die Hürden sind extrem hoch, so dass sie nur für kleinste Bereiche in extremen Spezialfällen erreicht werden und auch da ist sie fraglich: Das Amtsgericht von 2) hat erst einmal abgelehnt. In der Praxis ist die gemeinsame Sorge am OLG Brandenburg für Väter nicht drin. Es hat sich seit dem EGMR/BVerfG-Urteil nur die Tatsache verändert, dass jetzt anders geklagt werden kann, die Ergebnisse dieser Klagen laufen jedoch auf dasselbe hinaus. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass die kommende gesetzliche Regelung diesen Zustand mittels den üblichen wachsweichen Formulierungen vom angeblichen "Kindeswohl" nur festschreibt.
1. OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.08.2010 Az. 10 UF 109/10 (BeckRS 2010, [20514]) Volltext: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin...focuspoint
Kein Sorgerecht für den Vater. Mutter hat elfjähriges Kind aus früherer Beziehung und bekommt 2007 noch ein Kind, 2008 trennt man sich wieder. Mutter wird nach der Geburt psychisch krank und stationär behandelt. Sie steht sogar unter Betreuung. Dem Vater hat man über den Trick des §1630 Abs. 3 BGB die Sorge übertragen, er ist der "Quasipfleger" des Kindes. Kind lebt beim Vater. Es gibt Streit, Mutter behält das Kind einfach nach einem Umgangstermin bei sich und gibt es nicht zurück. Eltern können nicht miteinander reden. Vater beantragt Alleinsorge, hilfsweise gemeinsame Sorge, hilfsweise Verlängerung der Quasipflegschaft. Er will das Kind weiter betreuen. Alle seine Anträge werden zurückgewiesen.
Das OLG bestätigt das und beseitigt den Vater komplett. Die gemeinsame elterliche Sorge komme mangels Kooperationsfähigkeit der Eltern nicht in Betracht. Die Alleinsorge für den Vater würde dem Kindeswohl nicht am besten entsprechen. Beide Eltern seien zwar erziehungsgeeignet (sie geht zum Arzt und schluckt ihre Psychopillen), der Montessorikindergarten des Vaters sei auch nicht besser wie der städtische Kindergarten der Mutter, bei Kontinuität und Bindungstoleranz stehen beide gleich, der Kindeswille (Kind will zum Vater) sei egal weil das Kind zu jung sei, aber - Gott sei es gedankt - weil das Kind bei der Mutter noch die sehr viel ältere Stiefschwester habe, schlägt der Zeiger einen Hauch weit zur Mutter aus und der Vater verliert alles.
2. OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2010 Az. 10 WF 187/10 Volltext: http://www.gerichtsentscheidungen.berlin...focuspoint
Vater hat zwei Kinder, 7 und 5 Jahre alt - aber kein Sorgerecht, obwohl die Kinder bei ihm leben. Erst seit Mai 2010 pflegt die alleinsorgeberechtigte Mutter Umgang mit den Kindern. Amtsgericht verweigert ihm das Recht, vorläufig zu bestimmen welche Schule und Kindergarten die beiden besuchen, denn die Mutter hatte vor, Schule und Kindergarten zu wechseln - weg vom Vater. Ein Vorgriff auf ihr Vorhaben, die Kinder zu sich zu holen. Vater geht zum OLG, das der Ansicht ist, das Teilrecht der Schulwahl könne vorläufig vom Vater ausgeübt werden, der die Kinder in der angestammten Schule/Kindergarten belassen will.
Der Volltext von 1) lässt es einem an einigen Stellen kalt den Rücken herunterrieseln - da wird ein Kind zur kranken Mutter gezwungen, koste es was es wolle. Wahrscheinlich spielen in die Entscheidung noch die altbekannten Unterhaltsgründe hinein, denn die Mutter ist sicherlich nicht bedarfsdeckend erwerbstätig. Also Kind zur Mutter und Vater zu viel Unterhalt verknacken, aber das darf man ja nicht in die Begründung schreiben, stattdessen erfindet man ein neues Kriterium: Das fast zehn Jahre ältere Stiefgeschwisterkind. Oder waren es die runderen Türklinken in der Mutterwohnung? Oder der kürzere Gehweg von Gartentür zu Haustür? Egal, es wird sich schon was finden, das das Gewicht ein winziges bisschen zur Mutter verschieben würde.
Bei der zweiten Entscheidung hat der Vater die allerminimalsten Voraussetzungen ("vorläufig", "Teilrecht") eingeklagt, aber absehbar ist, dass die Mutter sich die Kinder wieder holt. Die Story liest sich so, wie wenn sie im Türkei-Urlaub in einen Liebesrausch mit einem Kellner gefallen ist und als der nach einem Jahr zu Ende war, sind ihr die Kinder wieder eingefallen und sie kam zurück, fährt vor und gedenkt auf ihren mütterlichen Rechten zu bestehen.
Beide Entscheidungen zeigen eine sogenannte "Abschreckungsrechtssprechung" beim Sorgerecht für nichteheliche Väter. Die Hürden sind extrem hoch, so dass sie nur für kleinste Bereiche in extremen Spezialfällen erreicht werden und auch da ist sie fraglich: Das Amtsgericht von 2) hat erst einmal abgelehnt. In der Praxis ist die gemeinsame Sorge am OLG Brandenburg für Väter nicht drin. Es hat sich seit dem EGMR/BVerfG-Urteil nur die Tatsache verändert, dass jetzt anders geklagt werden kann, die Ergebnisse dieser Klagen laufen jedoch auf dasselbe hinaus. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass die kommende gesetzliche Regelung diesen Zustand mittels den üblichen wachsweichen Formulierungen vom angeblichen "Kindeswohl" nur festschreibt.