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MEINE GESCHICHTE: Vaterleiden
#2
Teil 2: Liebevoll entsorgt

Vor zwölf Jahren lernte ich meine Ehefrau kennen. Sie kam aus einem intakten Elternhaus, hatte ihr Studium als Sonder- und Heilpädagogin erfolgreich abgeschlossen und stand wirtschaftlich unabhängig auf eigenen Beinen. Ich war seit einigen Jahren selbständig mit einer kleinen aufstrebenden Firma im IT-Bereich mit damals 7 Angestellten. Kennengelernt hatten wir uns über eine gemeinsame Freundin.

Alles war bestens, wir verstanden uns gut, und sie war mit gleicher Freude bei allem dabei, was ich an Unternehmungen vorschlug, wie ich es auch bei Ihr war. Unsere Leidenschaft war vor allem das Reisen, ob Wochenendausflüge oder Fernreisen. Eine Frau fürs Leben, zum Pferde stehlen. Einziger Schönheitsfehler war, dass sie aus langer Familientradition einer christlichen Splitterkirche angehörte, aber dort nicht aktiv war. Religiös bin ich leidenschaftslos und habe dem keine weitere Bedeutung beigemessen. Das sollte aber Jahre später noch grosse Bedeutung erlangen.

Nach einem Jahr zog sie dann zu mir in ein gemietetes Einfamilienhaus. Heiraten und Kinder kriegen kamen für sie angeblich ebenso wenig in Frage wie für mich und sie kannte das Drama mit meinem Sohn.

Dann, 2 Monate nach einer gemeinsamen Fernreise, rief sie mich ganz aufgelöst in der Firma an. Sie könne sich das nicht erklären, hätte immer die Pille genommen, aber sie komme gerade vom Frauenarzt und es steht fest, dass sie schwanger ist. Das müsse wohl an der Zeitverschiebung bei unserer Reise gelegen haben, dass die Pille versagt hat.

Ich war zwar wenig begeistert über diese Nachricht, aber so ein Desaster wie mit meinem Sohn wollte ich keinesfalls noch einmal erleben. Also gab ich mir einen Ruck, habe mich über die Nachricht sehr erfreut gezeigt (alles wird gut) und begann damit, mich mit der neuen Situation anzufreunden.

Die Schwangerschaft verlief komplikationslos und auch ich freute mich mittlerweile aufrichtig auf das Kind. In unserer Beziehung wie auch beruflich lief alles bestens. Zwischenzeitlich konnte ich mit meiner Firma erfolgreich in die Schweiz expandieren und es zeichnete sich mehr und mehr ab, dass meine Anwesenheit künftig überwiegend dort erforderlich sein würde. Von ihr kam dann der Vorschlag, dass wir doch gemeinsam dort hinziehen könnten. Wenn eine Frau das für mich tut, dann muss das wahre Liebe sein, dachte ich mir.

Dann kam unsere Tochter zur Welt und kurz danach zogen wir in die Schweiz. Die Sache hatte nur einen Haken. Ohne mit mir verheiratet zu sein bekam meine Partnerin trotz des gemeinsamen Kindes keine Aufenthaltsgenehmigung. Ich gab mir wieder einen Ruck, denn wer A sagt muss auch B sagen, und machte Ihr mit allem romantischen TamTam meinen Heiratsantrag, den sie sichtlich gerührt und ohne zu zögern freudig annahm. Wir heirateten, sie bekam die Aufenthaltserlaubnis, wir wohnten in einer schönen Penthouse-Wohnung und die Geschäfte mit meinen nunmehr 60 Angestellten liefen prächtig.

Meine Frau knüpfte erste Kontakte zu ihrer örtlichen Kirchengemeinde, arbeitete als Tagesmutter und engagierte sich verstärkt für soziale Belange. Ich unterstützte sie aus voller Überzeugung und kümmerte mich abends, nachts sowie am Wochenende um unser Kind und den Haushalt, um ihr den nötigen Freiraum zu schaffen. Mit dem Haushalt hatte sie es nicht so, aber das war kein Problem für mich. Ich koche leidenschaftlich gerne und Hausarbeit war ein Ausgleich zu meinem Job. Waschmaschine, Wäschetrockner und Spülmaschine waren weitere Annehmlichkeiten, die mir genügend Zeit liessen um mich ausgiebig mit unserer Tochter zu beschäftigen. Am Samstag erledigte ich zusammen dem Kind die Wocheneinkäufe meist gekoppelt mit kleineren Ausflügen in die Umgebung und wir hatten immer einen riesigen Spass dabei. Meine Tochter und ich waren eins und unzertrennlich.

Auch in der Beziehung war alles in Ordnung und meine Frau wünschte sich ein zweites Kind, möglichst einen Sohn. Ich teilte Ihren Wunsch und rasch stellte sich das erwünschte Ergebnis ein. Drei Jahre nach unserer Tochter wurde zu unserer grossen Freude unser Sohn geboren. Das Glück war perfekt.

Doch es dauerte nicht lange, bis die ersten dunklen Wolken aufzogen. Eines Samstags lag ein Anwaltsschreiben in unserem Briefkasten. Natürlich wollte ich wissen, um was es dabei geht und nach einigen Ausflüchten hat meine Frau die Wahrheit herausgerückt. Vor meiner Zeit hatte sie sich finanziell übernommen und musste mit rund 300.000 DM Schulden die eidesstattliche Versicherung ablegen. Dieser Anwalt war ihr Anwalt, der ihr die Gläubiger vom Hals hielt. Bisher hatte sie allen Schriftverkehr darüber erfolgreich abgefangen.

Nun war mir klar, dass Gläubigerflucht und nicht Liebe der Beweggrund war, warum sie damals so bereitwillig mit mir in die Schweiz zog. Das gestand sie mir dann auch ganz offen. Dazu kam, dass unsere Lebenshaltungskosten mit der Geburt unseres Sohnes dramatisch zunahmen. Ich füllte unser gemeinsames Haushaltskonto bislang monatlich mit 10.000 Euro. Davon wurde unsere Miete, Nebenkosten, EC-/Kreditkartenbelastungen, Barabhebungen sowie die Unterhaltskosten für zwei Autos, ein Wohnmobil und ein Motorboot beglichen. Und es war auch noch Raum für diverse Anschaffungen.

Nun hatte ich jeden Monat zusätzlich einen Rechnungsstapel zwischen 2000 und 3000 Euro auf meinem Schreibtisch liegen mit einem Herzchen-Zettel meiner Frau und der Bitte, diesen doch zu überweisen. Vorher wusste ich gar nicht, wie viele Versandhäuser es in der Schweiz gibt. Heute kann ich sie vollständig auswendig aufsagen. Dann entdeckte ich beim Mülleimer leeren, dass dort original verpackte Kleidung und nagelneue Schuhe mit den Etiketten mir wohlbekannter Versandhäuser in unserem Hausmüll waren. Da wusste ich, dass wir ein Problem haben.

Ich versuchte mit meiner Frau immer wieder in Güte und Geduld das Gespräch darüber zu suchen. Keine Chance, sie reagierte jedesmal sofort extrem aggressiv, stritt alles ab, log dass sich die Balken bogen und als es keine Ausflüchte mehr gab verweigerte sie jegliches weitere Gespräch über dieses Thema. Wenigstens landeten ab diesem Moment keine zusätzlichen Rechnungen mehr auf meinem Schreibtisch und damit schien alles wieder in Ordnung zu sein..

Und doch war nichts mehr, wie es zuvor war. Meine Frau überliess mir den gesamten Haushalt. Wenn ich abends vom Arbeiten nach Hause kam, dann ging sie aus dem Haus und kam selten vor Mitternacht nach Hause. Dann wurde ich aus dem Schlafzimmer ausquartiert, weil sie wegen meines Schnarchens nachts angeblich nicht schlafen konnte. Gespräche, gemeinsame Unternehmungen, Zuneigung, Liebe – das gab es alles kaum noch. Der Prozess ging schleichend und zog sich ab der Geburt unseres Sohnes über ein Jahr, ganz allmählich, Schritt für Schritt, täglich fast unmerklich, immer ein bisschen mehr.

Meine Belastung wurde dabei immer grösser. Meine Firma hatte jetzt mehr als 100 Angestellte und 20 Stundentage waren die Regel. Morgens Kinder und Frau wecken, Kinder füttern, dann aus dem Haus, Tochter zum Kindergarten bringen, danach zur Arbeit, abends nach Hause, Frau an mir vorbeisausen lasssen, Abendessen machen, Kinder füttern, bespassen und zu Bett bringen, und dann ging es an die Hausarbeit. Das Ergebnis liess nicht lange auf sich warten. Nach einem Jahr schlagartiger totaler Zusammenbruch, Hörsturz, Erschöpfung und Burnout. Das war es.

Ich verkaufte meine Firma und nahm eine Auszeit, um mich zu erholen. Meine Frau schien sich mir wieder anzunähern, engagierte sich mehr im Haushalt sowie im Familienleben und auch Liebe wie Zuneigung begannen sich wieder zart zu entwickeln. Darüber hinaus konnte ich sehr viel Zeit mit unseren Kindern verbringen. Das gab mir unglaublich viel Kraft und ich erholte mich zusehends.

Die Annäherung meiner Frau ermöglichte es uns, wieder über eine gemeinsame Zukunft zu sprechen. Wir planten gemeinsam meine berufliche Zukunft und beschlossen die Penthouse-Wohnung zugunsten eines Hauses auf dem Land möglichst mit viel Grün und alten Obstbäumen aufzugeben. Auch Pferd, Hund und Hühner waren auf Wunsch meiner Frau vorgesehen.

Ich gründete wie gemeinsam geplant eine neue Firma, nur ich, keine Angestellten. Ein schönes altes Bauernhaus war bald gefunden, zwar renovierungsbedürftig, aber von tadelloser Bausubstanz und ich hatte als gelernter Bauingenieur das Know How sowie die Zeit und die nötigen Mittel, um daraus allmählich ein Schmuckstück zu machen. Ich kaufte dieses Haus und renovierte es im ersten Schritt so weit, dass wir kurzfristig einziehen konnten.

Bei meiner neuen Firma dauerte es parallel dazu fast ein Jahr, bis ich den ersten Auftrag bekam - die Leitung eines Softwareprojekts, das in Asien entwickelt werden sollte. Zum Start des Projekts war meine zweiwöchige Anwesenheit in Asien erforderlich, um die Zusammenarbeit mit dem lokal ansässigen Entwicklungsleiter aufzunehmen. Die weitere Leitung war dann von Europa aus geplant. Meine Frau schien glücklich, dass ich endlich wieder eine berufliche Aufgabe hatte.

So flog ich im November für zwei Wochen nach Asien, telefonierte täglich mit Frau und Kindern und alles schien in bester Ordnung. Mein Aufenthalt war erfolgreich und so freute ich mich darauf, diesen Erfolg bei meiner Rückkehr gemeinsam mit der Familie zu feiern.

Abends zu Hause angekommen öffnete ich die Wohnungstüre und stand in unserer dunklen und fast vollständig leeren Wohnung. Nur Unmengen von gefüllten Müllsäcken standen herum und meine persönlichen Sachen waren noch da, alles andere war weg, inklusive meiner Frau und den Kindern. Vergeblich versuchte ich meine Frau anzurufen und dachte dann, dass sie vielleicht meine Abwesenheit genutzt hatte, um in unser neues Haus zu ziehen und mich damit zu überraschen. Also fuhr ich die dreissig Kilometer zu unserem neuen Haus, aber auch da war alles dunkel und leer.

Ich fuhr zurück zur Wohnung und fand da Ihren Abschiedsbrief auf meinem Schreibtisch. In wenigen Sätzen schrieb sie, dass sie nun mit den Kindern 150 km entfernt wohne. Ich solle Ihr vertrauen, dass alles gut werde. Ich soll mir keine Sorgen machen und sie würde sich in den nächsten Tagen bei mir melden.

Am nächsten Morgen stand sie dann vor der Türe und erklärte mir, dass sie nicht mit mir in das neue Haus ziehen wolle. Ich fragte natürlich warum das so sei, warum auf diese Art und Weise, warum so endgültig ohne eine Chance für die Kinder und uns, warum, warum, warum? Ich bekam keine Antworten auf meine Fragen. Die einzige Antwort war, dass sie mir das nicht jetzt, aber irgendwann erklären würde.

Auf diese Erklärung von ihr persönlich warte ich nach nunmehr vier Jahren bis heute vergeblich.

Aber schon drei Wochen später, einen Tag vor Weihnachten, sollte ich aus dem Munde meiner damals sechsjährigen Tochter für mich völlig überraschend die Erklärung erhalten.

Meine Frau, für sich als studierte Sonder- und Heilpädagogin und mittlerweile promovierte Psychologin (Dr. rer. nat.) in Anspruch nehmend, eine liebende und beschützende Mutter zu sein, überlässt unserem Kind, einem sechsjährigen unschuldigen Mädchen, welches ich über alles in der Welt liebe, mir an Weihnachten mitzuteilen warum ich drei Wochen zuvor von meiner Frau verlassen wurde.

Das ist der exakte Punkt in meiner Geschichte, der mich traumatisiert hat, der mir psychisch den Boden unter den Füssen weggezogen hat und den ich bis heute nicht verwunden habe, wahrscheinlich niemals verwinden werde.

Für heute kann ich nicht mehr, zu sehr schmerzen die Wunden.


Nachrichten in diesem Thema
MEINE GESCHICHTE: Vaterleiden - von bumbui - 23-06-2009, 20:02
RE: MEINE GESCHICHTE: Vaterleiden - von bumbui - 25-06-2009, 20:09
RE: MEINE GESCHICHTE: Vaterleiden - von bumbui - 26-06-2009, 18:00
RE: MEINE GESCHICHTE: Vaterleiden - von bumbui - 10-07-2009, 22:39
RE: MEINE GESCHICHTE: Vaterleiden - von bumbui - 08-08-2009, 11:25

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